Westafrikanische Rituale für ein anderes Miteinander

Sobonfu E. Somé, bekannte und geschätzte Lehrerin und Mentorin für Tausende, ist eine der ersten und bedeutendsten Stimmen afrikanischer Spiritualität im Westen. Somé wurde in Dano, Burkina Faso, einem entlegenen West Afrikanischen Dorf mit ungefähr 200 EinwohnerInnen, geboren. Dano hat sich die 10.000 Jahre alten Lebensweisen des Dagara-Volkes bewahrt.
Nach der Überzeugung der Dagara kommen wir alle in diese Welt, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Sobonfu wurde als „Hüterin des Rituals“ von den Ältesten auserwählt, dem Westen eine spirituelle Botschaft zu überbringen. Ihr vorrangiges Thema sind die Grundlagen gesunder Beziehungen aus der Perspektive indigener Völker. Mit ihrem Mann Malidoma Somé (Autor des Buches „Vom Geist Afrikas. Das Leben eines afrikanischen Schamanen“, Diederichs Verlag) lebt sie in den USA und hat dort, wie auch in Europa einschließlich Deutschland, in den letzten Jahren eine Vielzahl von Vorträgen und Seminaren angeboten.
„Beziehungen“ ist heute ein höchst gebräuchlicher Begriff. Wir sprechen von Beziehungsproblemen, Beziehungs-“kisten“, von guten und von schlechten Beziehungen, selten jedoch von Beziehungsglück. Obwohl viel über die Beziehungen von anderen geredet wird, bleiben die Freuden und Leiden unserer Partnerschaften und Familien letztlich eine höchst private Angelegenheit. Meist teilen wir uns anderen erst mit, wenn es um Konflikte geht, und dann auch nur den engsten Freundinnen und Freunden oder einer persönlichen Therapeutin oder einem Therapeuten. Wir erwarten keine Unterstützung von einer größeren Gemeinschaft. Der Glaube an die Vorrangigkeit des Individuums fördert Beziehungen, die „privatisiert“ sind, uns allein gehören. Viele von uns fühlen sich jedoch überfordert und eingeengt in Zweierbeziehungen oder in der Kleinfamilie.
Somé vermittelt uns eine andere Sicht der Welt, in der die Vorstellung von einer Beziehung, die außerhalb der Gemeinschaft und ohne spirituellen Gehalt existiert, absurd und gefährlich ist. Ihr Buch „Die Gabe des Glücks“ kann wie ein Ratgeber gelesen werden. Die Autorin bezieht sich darin immer wieder auf die westliche Welt und bietet uns Möglichkeiten, die spirituelle Dimension unserer Beziehungen zu erkennen und bewußter miteinander umzugehen.

S. Somé lädt uns ein in einen lebendigen, pulsierenden Kosmos, in dem Beziehungen immer eine spirituelle Ebene haben und von der Gemeinschaft getragen werden. Die alte Weisheit der Dagara eröffnet uns einen Zugang zu einer neuen Vision von Intimität und Glück. Wir können von Somé lernen, unsere Beziehungen durch Rituale mit Kraft und Lebendigkeit zu füllen. „Jede Beziehung,“ schreibt Sobonfu Somé, „hat eine spirituelle Dimension, egal worauf sie basiert, ob sie als spirituell verstanden wird oder nicht. Zwei Menschen kommen zusammen, weil spirituelle Energien sie zusammengebracht haben. Es ist daher wichtig, diese Basis zu verstehen, statt anzunehmen, eine Beziehung sei allein vom Individuum bestimmt…

Die Trennung vom Spirituellen, wie wir sie im Westen erleben, führt zu einer stärkeren Betonung des Konzeptes der romantischen Liebe. Sie schafft einen Strudel des Verlangens nach einem anderen Menschen, nach einer anderen Art, verbunden zu sein. Die romantische Liebe ist jedoch nur ein Weg, diese andere Verbindung, die wir eigentlich suchen – nämlich zum Spirituellen – herzustellen…

Wenn wir mit einer anderen Person zusammenkommen, schaffen wir die Grundlage dafür, die Lebensaufgabe, mit der wir geboren wurden, zu erfüllen…Wenn die eigene Lebensaufgabe im Gegensatz zu der der Partnerin/des Partners steht, dann ist das auf der persönlichen und der gemeinschaftlichen Ebene zu spüren.“

Rituale, d.h. Zeremonien, bei denen wir spirituelle Kräfte anrufen, uns in unserem Tun zu lenken, dienen dazu, den Frieden zu erhalten, uns zu erden und eine bessere Kommunikation und Intimität (wieder)herzustellen. Die Dagara haben verschiedene Rituale, die immer einen bestimmten Zweck verfolgen. Für Partnerschaften ist das Erneuerungsritual von besonderer Bedeutung, denn wenn die spirituelle Energie der Intimität stirbt, stirbt auch die Beziehung. Dieses Ritual gibt zwei Menschen die Chance, Konflikte zu schlichten, Wunden zu heilen und spirituelle Kräfte zusammenzuführen. Somé beschreibt, wie die Dagara Rituale durchführen und welche Wirkung sie haben. Spielt die Gemeinschaft des Dorfes dort eine entscheidende Rolle, so weist Somé darauf hin, daß es in der westlichen Welt viele Möglichkeiten gibt, mit FreundInnen und Familie Rituale zu gestalten.
„Gemeinschaft ist die Seele, der Leitstern der Menschen meines Volkes,“ schreibt Sobonfu Somé.“ Das Ziel der Gemeinschaft ist, dafür zu sorgen, daß jedes ihrer Mitglieder gehört wird und die Gaben, die sie oder er in diese Welt mitgebracht haben, auf die richtige Weise anbringt…Wenn du keine Gemeinschaft hast, hört dir niemand zu; du hast keinen Ort, an dem du fühlst, hier gehörst du hin… Es führt auch dazu, daß viele Menschen, die wunderbare Gaben haben, wundervolle Beiträge leisten könnten, diese zurückhalten,weil sie nicht wissen, wohin damit.“

So beruht das Beziehungskonzept der Dagara unter anderem darauf, daß Beziehungen nicht privat sind, daß zwei Menschen oder eine Kernfamilie sich nicht allein als eine Gemeinschaft betrachten. Denn das reduziert ihre Möglichkeiten, ihre Aufgaben zu erfüllen und ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Von einer Partnerin/einem Partner alles zu erwarten, was unter Intimität fällt, verlangt zu viel von einer einzigen Beziehung.

Wir brauchen Energien von außen, Menschen, die sagen „Du tust das Richtige! Wir wollen dich bei uns haben! Schenk uns deine Gaben!“ Intimität ist also nicht nur dazu da, persönliches Glück zu erreichen, sondern sie dient der Erfüllung der eigenen Lebensaufgabe, der Bereicherung des Dorfes/der Gemeinschaft und dem Ausdruck von Spiritualität.
Sobonfu Somé ebnet uns den Weg zu einer Spiritualität, die uns wieder ins Gleichgewicht mit uns selbst und unserer Umgebung bringt. Sie fordert uns dazu heraus, in stärkerem Maße diejenigen zu werden, die wir sind oder sein könnten.

„Sobonfu Somé weiß, wie man echte Intimität mit dem Leben selbst erfahren kann.“
Clarissa Pinkola Estés (Autorin von „Die Wolfsfrau“)

„Eine Lehrerin, die uns dabei helfen kann, so vieles wieder zusammenzufügen, das unsere moderne westliche Welt zerbrochen hat.“ Alice Walker

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