Kolonialismus 2.0

Mitte März wird dieser Dokumentarfilm veröffentlicht, der restlos mit märchenhaften Vorstellungen von glücklichen Bauern aufräumt. Denn seit der Finanzkrise 2008 haben Investoren Agrarland und die Lebensmittelproduktion im großen Stil für sich entdeckt.

Die Bevölkerung wird in den nächsten Jahren stark wachsen, Land wird knapp, Nahrung wird knapp – es lohnt sich also, Kleinbauern von ihrem Land zu vertreiben und im großen Stil zu wirtschaften.

Der Film nimmt seinen Anfang in Kambodscha, hier dokumentiert ein buddhistischer Mönch, wie durch den Zuckerkonzern eines Senators über 1000 Khmer-Bauern und deren Familien mit Gewalt von ihren Reisfeldern vertrieben wurden, die sie seit Generationen bestellten. Brennende Hütten, weinende Frauen und Kinder, ohnmächtige, verzweifelte Menschen, die so verängstigt sind, dass sie sich nicht mal trauten zu protestieren. Kompensation gab es natürlich in keiner Form. Die verarmten Familien sind jetzt sogar gezwungen für den Landräuber zu arbeiten, um sich und ihre Kinder zu ernähren. Süßer Zucker, mit einer bitteren Wahrheit – denn dieser Zucker wird seit 2008 zollfrei in die EU importiert, eigentlich, um Kambodscha wirtschaftlich zu fördern. Unangenehmer Nebeneffekt sind eben die Menschenrechtsverletzungen. Weltweit gingen in den letzten 15 Jahren gut 200 Millionen Hektar Ackerfläche über den Tisch. Weiter geht es nach Indonesien, Malaysia, Rumänien, Äthiopien, Westafrika und zu Monokulturen und weißen Großgrundbesitzern, die für uns Palmöl, Gummi, Zucker, Gemüse oder Ethanol für Benzin herstellen.

Zu sehen: Verhärmte Frauen, die für 24 Euro Monats(hunger)lohn in überhitzten Gewächshäusern Tomaten pflücken, aber selbst noch nie eine einzige Frucht probieren durften, während der weiße niederländische Besitzer davon schwärmt, dass Äthiopien der „Himmel auf Erden“ für ihn ist. Der Film (Originalton mit deutschen Untertiteln) lässt beide Seiten – die kleinen Leute und die Großindustriellen zu Wort kommen und besticht durch die Gegenüberstellungen.

Fazit: Augenöffnend, sehr sehenswert und die Dekadenz unserer Welt entlarvend. Man möchte brechen, wenn aalglatte Anzugträger in schicken Büros darüber referieren, wie toll sich Land inzwischen wieder als Kapitalanlage eignet. Nach dem Film weiß man, dass irgendjemand dafür wird bluten müssen. Die Kolonialzeit nimmt gerade einen neuen Anlauf.

Kurt Langbein, Christian Brüser
Landraub
Movienet Film GmbH, 2016
92 Minuten, 19,99 Euro

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