Hände und Füße werden kalt, während sich die Energie in meiner Körpermitte zusammenballt – die Herzgegend fühlt sich an wie aufgerissen und mein Atem geht schnell und flach – die körperlichen Auswirkungen dessen, was man Eifersucht nennt.

Ich saß etwa zehn Minuten, die mir vorkamen wie eine Stunde, und beobachtete in mir all diese Symptome, während ich heimlich meinem Liebsten dabei zuschaute, wie er Sex mit einer anderen Frau hatte – welch eine intensive Situation! Es sah wunderschön aus und gleichzeitig spürte ich, dass diese gewaltige Kraft, die sich da gerade in mir zusammenballte, stark genug wäre, mich zur Mörderin werden zu lassen, wenn ich sie unbewußt ausagieren würde.

Nun sitze ich allein zuhause und weiß, dass er gerade wieder mit ihr zusammen ist. Während die oben beschriebenen Symptome in mir nagen, bin ich irgendwie sogar dankbar dafür, dass ich mich inzwischen stark genug fühle, da so genau hinspüren zu können. In meiner letzten Beziehung hatte ich meist so getan, als würde es mir nichts ausmachen, wenn er mit anderen Frauen in’s Bett ging. Im Nachhinein ist mir klar, dass das nur eine Strategie war, ihn zu halten, weil ich meinte, es würde ihn mehr beeindrucken als eine Eifersuchtsszene. Und es war vor allem eine Strategie, meinen eigenen Schmerz nicht spüren zu müssen, diese manchmal geradezu panische Angst, nicht gut genug zu sein und verlassen zu werden.

Mein Kopf schwirrt. Ich suche meine Brille, bis ich merke, dass ich sie in der Hand halte; ich setze den Teekessel auf und vergesse Wasser reinzufüllen – weil ich nicht bei der Sache bin, sondern in Gedanken bei ihm und wie er jetzt wohl hingebungsvoll diese andere Frau küßt, die er vermutlich viel interessanter findet als mich. Konkurrenzgefühle kommen auf, vergleichen tut weh. Ein Chaos heftiger Gefühle in mir, Rachegelüste krabbeln hoch, Hilflosigkeit und Enttäuschung, dann wieder Ärger darüber, in meinem Selbstwertgefühl so abhängig von der Zuwendung anderer zu sein. Beleidigtes Selbstmitleid windet sich in meinem Bauch und möchte ihn anrufen oder hinfahren zu ihm – einfach irgendetwas tun, damit dieser Schmerz endlich aufhört.

Ich überlege hin und her, was ich jetzt machen könnte, verwerfe aber alles wieder – fühlt sich alles schräg an, schal, nach Vermeidung…
„Okay, es ist jetzt einfach so, ich bin eifersüchtig und das tut verdammt weh. Punkt.“ Ja, das bringt ein bisschen Frieden, nimmt dieses Fiebrige weg, wenn ich aufhöre, gegen den Schmerz anzukämpfen. So viel Lebens-erfahrung hab ich ja nun inzwischen, zu wissen, dass auch das irgendwann vorübergeht. Und ich spüre eine Stärke in mir wachsen, wenn ich mich meinen Gefühlen stelle.
Dass so heftige Gefühle wie Eifersucht tatsächlich enorme Energien freisetzen können, konnte ich am Tag nach dem eingangs beschriebenen Erlebnis buchstäblich messen: im Fitnesscenter stemmte ich auf allen Geräten locker 10 Kilo mehr als sonst…

Wieso tut mir etwas eigentlich so wahnsinnig weh, was für ihn wahrscheinlich einfach nur ein netter Abend ist? Mir fällt wieder die Situation ein, als ich vor kurzem Sex mit einem anderen Mann hatte. Es ergab sich so im Fluss eines spielerischen Abends und fühlte sich in dem Moment einfach schön an und völlig unschuldig!
Neulich habe ich irgendwo gelesen, dass es Naturvölker gibt, die keine Eifersucht kennen, weil ihnen niemand beigebracht hat, dass es so etwas gibt.

Ich schaue mir also diese neurotischen Anteile in mir an, die zwar da sind, denen ich aber deshalb noch lange nicht zu folgen brauche. Ich kann meine Rachegelüste spüren, muss ihm aber deswegen keinen zynischen Spruch auf den Anrufbeantworter sprechen. Ich kann meine Verlustangst wahrnehmen, muss aber deswegen nicht den Liebhaber von neulich anrufen, um ihn als Tröster zu missbrauchen. Und ich sehe diese jahrhundertealten, verkrusteten Konditionierungen, die ich aber nicht mehr zu unterstützen brauche. Er „betrügt“ mich nicht. Er würde höchstens sich selber betrügen, wenn er aus einem Schuldgefühl heraus die Verabredung mit ihr sausen ließe. Will ich denn, dass er bei mir ist und dabei an eine andere Frau denkt – natürlich nicht!

Wenn ich meinem Geliebten die Tatsache vorwerfe, dass er in diesem Moment lieber mit jemand anderem zusammen ist, sage ich damit doch eigentlich: „Ich will nicht, dass Du fühlst, was Du fühlst (schon mal ein Ding der Unmöglichkeit!), weil ich meine Verlustangst nicht spüren will, für die ich dich verantwortlich mache.“ Ziemlich idiotisch bei genauer Betrachtung.

Ich will ausprobieren, wie es anders gehen kann, will mein Herz nicht zumachen –  will im Kontakt bleiben mit ihm und vor allem mit mir selber. Ich will nicht mehr vermeiden, sondern leben und fühlen. Und wenn das Leben mir jetzt gerade Eifersucht zum Fühlen vor die Nase setzt, okay – was gibt es dabei zu entdecken?

Zum Beispiel den Tatsachen in’s Auge zu sehen: Ich bin nun mal nicht die einzige verlockende Frau auf der Welt. Die Möglichkeit, dass sich mein Partner plötzlich anderweitig verliebt, liegt immer in der Luft – ob ich das wahrhaben will oder nicht. Ich kann niemanden manipulieren, mich zu lieben – es gibt einfach keine „Liebes-Garantie“.

Und mir wird bewusst, dass das alles hauptsächlich in meinem Kopf passiert, dass die Eifersucht aus meinen Gedanken geboren wird, die nichts mit meiner momentanen Realität zu tun haben: Tatsächlich sitze ich doch hier auf einem bequemen Sofa – jetzt gerade dieser leckere Schluck Tee, angenehme Musik im Hintergrund…

Das Telefon klingelt – er ist dran. „Na, wie war’s mit ihr?“ „Ach, nichts weiter. Sie hat die Verabredung abgesagt.“

Meine Güte – wenn ich nicht „gewusst“ hätte, dass er mit ihr zusammen ist, hätte ich vermutlich einen sehr entspannten Abend gehabt!

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