Sieben Jahre bietet Nahkontakt-Pionierin Rosi Doebner nun Kuschelpartys an. Anfangs als neuer Trend aus den USA belächelt, hat sich das Phänomen innerhalb kurzer Zeit auf ganz Deutschland ausgebreitet. Der Erfolg und die anhaltende Nachfrage zeigen, dass in unserer Single-Gesellschaft ein großes Bedürfnis nach Nähe und Berührung besteht.

 

In unserer Gesellschaft ist es für viele Menschen auf normalem Wege schwierig, sich das Bedürfnis nach Nähe zu erfüllen. In unserem Alltag existieren viel zu wenig Möglichkeiten und Räume dafür und unsere gesellschaftlichen Umgangsformen sind nicht gerade körperkontaktfreudig. Berührungen sind sogar oftmals tabuisiert. Besonders für viele Singles gibt es im Alltag kaum Möglichkeiten, körperliche Nähe, Umarmungen und Berührungen zu erfahren. Dies führt zu Einsamkeit und Entfremdung. Nicht zuletzt deshalb sind viele Menschen gestresst und unglücklich. Burnout und Depressionen nehmen bei den Volkskrankheiten einen Spitzenplatz ein. Zusätzlich wird das Berührungsdefizit oftmals mit unterschiedlichsten Ersatzbefriedigungen kompensiert, die keine echte Erfüllung bringen.

Dabei sind Berührung und Körperkontakt eines unserer menschlichen Grundbedürfnisse. Ausreichender Körperkontakt ist essentiell wichtig für unser körperliches und seelisches Wohlbefinden. Beim Kuscheln werden Stresshormone abgebaut, das Immunsystem gestärkt und Glückshormone ausgeschüttet.  Achtsame Berührung ist heilsam, entspannend und führt zu tiefer Zufriedenheit und Ausgeglichenheit. Letzten Endes bringt es uns in Kontakt mit uns selbst. Am Ende der Kuschelabende höre ich oft Kommentare wie: „Ich habe vorher gar nicht gespürt, was ich in meinem Alltag vermisse“, oder: „Ich habe mich selten so geborgen, angenommen und wohl gefühlt“.

 

Was passiert bei einem Kuschelabend?

Obwohl die tiefe Sehnsucht nach Nähe und Berührung besteht, zeigen gleichzeitig die Erfahrungen der letzten Jahre, dass die Hemmschwelle, einen Kuschelabend zu besuchen, immer noch für viele Menschen sehr hoch ist. Das hat die unterschiedlichsten Gründe. Zum Beispiel wird oftmals die Vorstellung, mit Fremden zu kuscheln, als sehr befremdlich wahrgenommen, oder es besteht eine Unsicherheit, ob tatsächlich ein geschützter Rahmen existiert und Grenzen gewahrt bleiben. Unter den Begriffen Kuschelabend oder Kuschelparty können sich die, die es noch nicht kennen, sehr wenig vorstellen. Dass es nicht nur ein Haufen von Körpern ist, die sich zusammensetzen oder -legen und sofort ‚wild loskuscheln‘, zeigt ein Blick auf den Ablauf eines Kuschelevents.

Die gesamte erste Hälfte der Zeit werden die Teilnehmer unter Anleitung durch verschiedene Wahrnehmungs-, Kontakt- und Berührungsübungen an das gemeinsame Kuscheln herangeführt, das erst in der zweiten Abendhälfte passiert. Ziel ist die absichtslose, entspannende und heilsame Berührung – die individuelle Grenzen des Einzelnen bleiben gewahrt. Dafür gibt es klare Kuschelregeln. Sex sowie Küssen und das Berühren der erogenen Zonen sind absolut tabu. Diese Grundregeln sowie die ausführliche Vorbereitungszeit schaffen, besonders auch für Frauen, eine guten und sicheren Rahmen, sich auf die vielleicht manchmal (noch/wieder) ungewohnte und doch ersehnte Nähe einzulassen. Viele bezeichnen das bei den Vorbereitungsübungen regelmäßig angeleitete „Verwöhnritual“ als eine der schönsten Sequenzen des Abends. In diesem Ritual darf ein Mensch wählen und bestimmen, wie und wo er von anderen berührt werden möchte. Diese selbstbestimmte Form der zugelassenen, positiven, liebevollen und achtsamen Nähe und Berührung ist für die Gebenden sowie für den empfangenden Partner eine intensive und wundervolle Erfahrung – und für manche sogar tief heilsam. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich Menschen innerhalb der drei Stunden eines Kuschelabends verändern.

 

Grenzen spüren und achten

Inzwischen hat sich gezeigt, dass neben dem Raum für absichtslose und achtsame Berührung an den Kuschelabenden auch die Themen der Selbsterfahrung, das Spüren der eigenen Grenzen und das Erleben von Gemeinschaft eine wichtige Rolle spielen. Nach regelmäßiger Teilnahme berichten Teilnehmer von persönlichen Veränderungsschritten: „Ich bin wieder in Kontakt mit meinen Gefühlen, Wünschen und Bedürfnissen gekommen – ich habe hier gelernt, gut für mich zu sorgen und meine Grenzen deutlich zu vertreten, und kann das inzwischen auch wunderbar in meinem Alltag umsetzen.“ Teilnehmer des Kuschel-Ins im September letzten Jahres vor dem Brandenburger Tor behaupteten sogar: „Wenn mehr Menschen so wie hier kuscheln würden, wäre unser Umgang miteinander und unsere Welt viel friedvoller und harmonischer“.

Über den Autor

Avatar of Rosi Doebner

Diplom-Biologin, hat vor zehn Jahren die Kuschelpartys von Amerika nach Deutschland gebracht. Seitdem regelmäßig Kuschelabende in Berlin und Frankfurt/M. Sie bildet Kuschel trainer aus und bietet „Gemeinschaft auf Zeit“-Seminare an.

Mehr Infos

Termine fürs Jubiläums-Kuscheln:

Berlin: Sa, 24.1.2015, 19 Uhr im Wamos, Hasenheide 9
wegen möglicher Änderungen bitte auf der Website nachschauen

Frankfurt/M.: Sa, 31.1.2015, 19 Uhr im Anata, Mörfelder Landstr. 64, Frankfurt-Sachsenhausen (mit Übernachten und Kuschelbrunch am Sonntag)

Unterstütze SEIN

Vielen Dank an alle, die den Journalismus des SEIN bisher unterstützt haben.
Die Unterstützung unserer Leser trägt dazu bei, dass wir unsere redaktionelle Unabhängigkeit behalten und unsere eigene Meinung weiter äußern können. Wir sind sicher, dass unsere redaktionelle Arbeit und unsere Themenvielfalt und Tiefe den gesellschaftlichen Wandel beflügeln. Wir brauchen Deine Unterstützung, um weiterhin guten, kreativen "Lösungs-Journalismus" zu liefern und unsere Offenheit zu wahren. Jeder Leserbeitrag, ob groß oder klein, ist wertvoll. Wenn Du unsere Arbeit wertschätzt, unterstütze SEIN noch heute - es dauert nur wenige Minuten. Vielen Dank.
SEIN unterstützen





Eine Antwort

  1. kitty circus

    ich will ja nicht dissen, aber wollt ihr nicht lieber mal ins „ficken3000“, kitkat oder in internetforen wie poppen.de gehen?!?!

    manchmal sind die dinge sehr einfach. mich stört hier die opferrolle die hier nicht unbedingt aufgehoben wird, denn kann man denn auf so einer party sex haben? wen ich küsse, mit dem möchte ich doch auch sex haben.

    der ansatz mehr nähe für den weltfrieden gefällt mir sehr, aber wichtiger wäre es das auch in langweiligen gegenden wie wedding oder neukölln meinetwegen zu unternehmen, denn die einheimischen verirren sich selten an diesen obskuren ort – und die schwulen im tiergarten brauchen dafür auch keine große einladung.

    we are oversexed and underfucked! weil wir durch dieses system meist nur angstvoll reagieren is es bedenklich wenn da nur wieder eine neue institution geschaffen wird, zum auftauen is sowas bestimmt sehr sinnvoll, wichtig is mir aber dass wir offenere berührungen finden und immer wieder weite, tiefe und auch orgasmen leben!!!

    der artikel über diesen teifenentspannungsguru is doch sehr passend dazu,was taugt ein tiefer orgasmus sonst….

    lächel…….

    kennt ihr „snoezeln“ das sind kuschelkurse für schulkinder damit die ihren körper sprüren lernen.

    neulich hatte ich eine geile frau kennengelernt, die sehr erotisch war, aber für die andere seite, die nuklearindustrie, arbeit.

    welt retten – eros… ich weiss nicht

    Antworten

Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*