Nach neuen Schätzungen beträgt der volkswirtschaftliche Nutzen der Bestäubungsarbeit von Tieren in Deutschland 3,8 Milliarden Euro pro Jahr .

Eine Billion US-Dollar oder rund ein Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts ist die Arbeit von Tieren, allen voran von Insekten, bei der Bestäubung von Blüten wert. Dieser enorme Wert ist das Ergebnis einer neuen Simulationsstudie von Wissenschaftlern der Universität Hohenheim in Stuttgart. Allein in Deutschland würde die Volkswirtschaft bei einem Wegfall aller bestäubenden Insekten im Durchschnitt rund 3,8 Milliarden Euro verlieren.

Unsere Welt würde viel an Biodiversität verlieren, wenn nicht Tag für Tag eine große Menge an tierischen Helfern den Pollen von einer Blüte zu anderen tragen und diese so befruchten würde. Nur dann können viele Pflanzen Früchte und Samen bilden, die nicht nur unserer Ernährung, sondern auch ihrer natürlichen Fortpflanzung dienen und dazu beitragen, dass es in der Natur grünt und blüht. In Deutschland und Europa leisten vor allem Bienen, aber auch Käfer, Schmetterlinge und andere Insekten diese Bestäubungsarbeit. In tropischen Breitengraden tragen aber auch Kolibris und Fledermäuse ihren Anteil dazu bei.

In die Studie der Wissenschaftler flossen bereits bekannte Abhängigkeitsfaktoren ein. Diese geben für verschiedene Nutzpflanzenarten jeweils an, wie hoch der Anteil am Ertrag ist, der auf Tierbestäubung zurückzuführen ist. So sind bei Äpfeln und Kirschen beispielsweise im Durchschnitt rund 65 Prozent des Ertrags der Bestäubung durch Tiere zu verdanken, bei manchen Pflanzen wie beim Kürbis sind es sogar 95 Prozent, während Getreidearten wie Weizen und Reis Wind- oder Selbstbestäuber sind und keine Fremdbestäubung benötigen.

Bei einem schlagartigen Wegfall aller Bestäuber würde es zu Ernteausfällen kommen, der landwirtschaftliche Ertrag würde sinken und in der Folge würden die Preise steigen – solange bis das reduzierte Angebot und die nachgefragte Menge wieder übereinstimmen. Die Verbraucher verlieren gleich doppelt, weil sie nun weniger Obst und Gemüse bekommen und weil sie für die verbleibende Menge mehr bezahlen müssen. Im Durchschnitt der Simulationen ergaben sich dabei die genannten 3,8 Milliarden Euro. Dieser jährliche Betrag würde rechnerisch ausreichen, um auf der Hälfte der deutschen Agrarflächen biodiversitätsfördernde Agrarumweltprogramme zu finanzieren.

Im April 2020 erschien eine große Übersichtsstudie zur Zahl der weltweiten Insekten. Dabei werteten Forschende vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) 166 bestehende Langzeitstudien aus verschiedenen Orten aus. Das Ergebnis: Die Insekten an Land werden immer weniger. Ihre Zahl ist durchschnittlich um etwa ein Viertel in 25 Jahren gesunken. Mehr als 85 Prozent aller Pflanzenarten sind abhängig von Bestäubung. Darunter viele Pflanzen, die zur Grundlage der weltweiten Ernährung zählen, wie Äpfel, Avocados, Karotten, Zucchini und Brokkoli. Bestäuber sind für etwa 35 Prozent der weltweiten Nahrungsmittelproduktion verantwortlich und für bis zu 40 Prozent für die Versorgung mit Mikronährstoffen, wie Vitamin A. Ohne Insekten würde es weniger Früchte, Gemüse und Nüsse geben. Die Blüten müssten per Hand bestäubt werden. Mehrere Millionen Menschen würden jedes Jahr als Folge der Mangelernährung sterben.

Infos unter https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0921800920300793?via%3Dihub

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