den Atem deuten lernen

Mit dem Atem beginnt unser Leben außerhalb des Mutterleibes und mit dem letzten Atemzug endet es hier auf der Erde. Doch wie viel wissen wir eigentlich über diesen Strom, der für uns Leben bedeutet? Swara Yoga ist eine spezielle Yogaform, die die Geheimnisse des Atems entschlüsselt hat, um die darin enthaltene Energie zu lenken und für sich zu nutzen.

 

Wir benutzen den Begriff Swara, wenn wir den Energiefluss in den Hauptenergiebahnen Ida und Pingala beschreiben. Diese beiden Energiebahnen entspringen der Basis der Wirbelsäule, unserem untersten Chakra-Energiezentrum, dem Muladhara-Chakra. Ida und Pingala liegen links und rechts der Wirbelsäule im Energiekörper. Ida endet im linken Nasenloch, Pingala im rechten. Der für jeden Menschen wahrnehmbare Effekt der Energiebewegung in diesen Bahnen ist letztlich der Atem, der aus den Nasenlöchern strömt. Ein sehr subtiler Aspekt unseres Atems ist Prana-Lebensenergie, die den gesamten Körper und auch den Geist (die Gedanken) energetisch versorgt. Das Wissen über Swara ist heute sehr begrenzt und wird nur von wenigen Yogis in ihre Praxis einbezogen.

Dabei können wir durch dieses Wissen auf den Fluss der Energie über unsere Atmung gezielt Einfluss nehmen. Den meisten Menschen ist der Atemvorgang unbewusst, der Körper atmet einfach so vor sich hin. Im Swara-Yoga legen wir eine verstärkte Aufmerksamkeit auf den Fluss der Energie und machen das insbesondere über die Beobachtung unseres Atemflusses.

 

Der Atemrhythmus

Wenn wir uns einmal die Zeit nehmen, den Atemfluss genauer zu beobachten, können wir feststellen, dass der Atem nicht durch beide Nasenlöcher gleich stark fließt. In den meisten Lebenssituationen hat der Körper eine Präferenz, durch welches Nasenloch er hauptsächlich atmet. Innerhalb eines Zeitraumes von 60 bis 80 Minuten wechselt diese Präferenz automatisch. Was bedeutet das für uns?

Physiologisch gesehen wird durch diesen Atemrhythmus eine ganz bestimmte Stimulanz unseres Nervensystems ausgelöst. Darüber hinaus wird dadurch auch unser Gehirn in einer spezifischen Weise stimuliert. Viele psychologische und auch physiologische Prozesse werden auf dieser Ebene reguliert und gesteuert. Wenn wir einen unregelmäßigen Energiefluss durch die Nasenlöcher haben, ist dies ein sicheres Zeichen, dass etwas im Körper nicht richtig funktioniert.

Der Atemrhythmus lässt auch Rückschlüsse auf unseren energetischen Zustand zu. Ein Swara fließt durch das linke, ein Swara durch das rechte und ein drittes auch durch beide Nasenlöcher gleichzeitig. Dieser Fluss beeinflusst unser Nervensystem und unsere Energiezentren. Tatsächlich ist es kein Zufall, dass das Swara mal links, mal rechts und selten auch durch beide Nasenlöcher fließt. Der Rhythmus des Körpers korrespondiert mit den zwei Gehirnhälften.

Die drei Swaras hängen auch mit den drei Hauptsystemen des Menschen zusammen: Geist (chitta), Energie (Prana) und Seele (Atma).

Der Geist kontrolliert die Sinneswahrnehmung, also Augen, Nase, Zunge, Ohren und Haut. Energie kontrolliert die fünf Handlungsorgane, das ist die Körperregion, die mit unserem sprachlichen Ausdruck zu tun hat, Hände, Füße, Fortpflanzungs- und Ausscheidungsorgane. Die Seele ist der allumfassende Zeuge oder Steuermann.

 

Das Swara steuern

Wenn nun Atem durch das linke Nasenloch fließt, ist die mentale Energie dominant, fließt er durch das rechte Nasenloch, liegt der Fokus auf den energetischen Kräften. Fließt Atem durch beide Nasenlöcher zusammen, ist die spirituelle Energie, die Kraft der Seele aktiv. Dies können wir manchmal in der Meditation, beim Yoga und zum Teil auch beim Sport beobachten.

Wie das Swara gerade fließt, wirkt sich natürlich auch auf der Handlungsebene sehr unterschiedlich – und oft auch störend – aus. Üben wir beispielsweise Yoga oder Meditation und Swara fließt durch das rechte Nasenloch, sind im Körper die energetischen Kräfte vorherrschend und wir haben dann vielleicht Probleme mit unserer Körperhaltung, Schmerzen oder Ablenkung durch die Sinneswahrnehmungen (Hören, Fühlen…). Der Körper kann ruhelos sein.

Fließt Swara durch das linke Nasenloch (Ida), ist die mentale Energie im Körper vorherrschend und es kann sein, dass wir Schwierigkeiten durch geistige Aktivitäten haben. Gedanken, Sorgen und Probleme halten uns von der Versenkung ab. Der Geist kann ruhelos sein.

Fließt der Atem durch beide Nasenlöcher gleichzeitig, ist die spirituelle Energie aktiv und wir können mühelos in die Meditation gehen. Der Körper ist ruhig und der Geist fokussiert.

Swara Yoga hat nun zum Ziel, die Handlungen mit dem Fluss des Swaras zu harmonisieren. Einerseits können wir unsere Aktivitäten an den Fluss des Swaras anpassen, andererseits auch den Fluss des Swaras durch geeignete Techniken an die Handlung anpassen.
Durch das Wechseln des Swaras, des Energieflusses in Ida und Pingala, kann zudem die Kundalini-Energie erweckt werden – sie beginnt von der Basis der Wirbelsäule aus aufzusteigen. Dieser an sich einfache Mechanismus, nämlich eine Energieumkehrung, ist letztlich die Essenz des Hatha Yoga. Ha heißt auf Sanskrit Sonne, Tha heißt Mond. Mit Sonne ist das Pingala Nadi, mit Tha ist das Ida Nadi gemeint. Sonne und Mond zu verbinden heißt Hatha Yoga, oder das Umdrehen der Swaras.

Kontakt über www.praxis-czech-datt.de und www.yoga-berlin.de
Infos zum Festival auf www.yogafestival.de

Über den Autor

Avatar of Stefan Datt

Selbständiger Physiotherapeut, HP und Atlaswirbeltherapeut. In seiner Yogaschule und Physio-Praxis „Lernen in Bewegung“ in Charlottenburg unterrichtet Stefan regelmäßig Yoga und bildet Yogalehrer, Faszientrainer und Meditationsleiter aus.

Kontakt
Tel.: 030-38106108

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