Profit bedeutet ursprünglich „Gewinn der Seele“ und wurde erst in den Jahren der Industrialisierung mit finanziellem Gewinn in Bezug gebracht.

Die auf Münteferings Kapitalismus-Kritik folgende Flut an Äußerungen, vor allem aus dem Unternehmerlager , den Oppositionsparteien und der Meinungsmacher zeigt bisher eines klar: Die Debatte bewegt sich auf einem erschreckend niedrigen Niveau. Wird sie in dieser Form weitergeführt, droht tatsächlich der größte gesellschaftliche Konflikt der Nachkriegsgeschichte.
Kapitalismuskritik wird mit Klassenkampfrhetorik gleichgestellt und daraus ein typisch deutsches Problem gemacht. Die Deutsche Politik sei schuld, wenn Vorurteile gegenüber Deutschland im Ausland bestärkt werden. Die Folge: Die deutsche Wirtschaft stagniere weiter. Nicht aus ökonomischen Gründen, sondern weil der Chef der Regierungspartei Investoren mit Heuschrecken vergleicht.
Kaum jemand, der sich an dieser Diskussion beteiligt, lässt jedoch erkennen, dass der eigene Geist tolerant genug ist, das gängige Wirtschaftssystem des freien Marktes, zu Ende zu denken.

Ignoranz dominiert den Verstand.

Die freie Marktwirtschaft wird nahezu kritiklos bis aufs Blut als das alleinig seligmachende Instrument der wirtschaftenden Menschheit verteidigt. Einflussreiche Medien schrecken nicht davor zurück, Strategien für einen Bürgerkrieg auszugeben. Kein Witz! Geschehen in einer Kolumne vom 27. April 05 in der damals führenden deutschen Wirtschaftszeitung, der Financial Times Deutschland, Pflichtblatt der deutschen Börse. Dort wird z.B. vom Autor empfohlen, nicht mehr in SPD-geführten Bundesländern zu investieren.

Der Kapitalismus tritt im freien Markt nur noch gegen sich selbst an. Dabei verliert er über die permanente Beschleunigung des Hamsterrades mehr und mehr an Glaubwürdigkeit und an menschlichem Antlitz. Nahezu alle Unternehmen weltweit leiden unter dem Renditedruck des globalen Marktes und der sich immer schneller drehenden Wettbewerbsspirale.
Wenn in Deutschland und dem alten Europa Arbeitsplätze abgebaut, soziale Leistungen eingeschränkt und Löhne gedrückt werden und in Schwellenländern das genaue Gegenteil der Fall ist, so heißt dies nicht, dass diesen Ländern der Rationalisierungsdruck erspart bleibt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch dort, ausgelöst durch fehlendes Wachstum, gestiegene Rohstoffkosten und Überkapazitäten der Kreislauf der Effizienzsteigerung anläuft. Zudem ist Kapital, ein wichtiger Schmierstoff der Renditemaschine, ein leicht flüchtiges Medium. Kapitalströme kommen und gehen und sie suchen – jenseits aller Moral – nach der höchst möglichen Rendite.

Es gibt keine Alternative zum Wachstum?

Wir brauchen Wachstum, damit Arbeitsplätze entstehen und die Renten, Pensionen und Gewinne gesichert sind. Das System gäbe keine Alternative her, so der einheitliche Grundton aus Wirtschaft und Politik. Leider machen sich nur wenige die Mühe, über eine Differenzierung des Begriffs Wachstum nachzudenken. In den Köpfen der Entscheidungsträger scheint es nur eine einzige Form des Wachstums zu geben. Mehr Produktion, mehr Konsum, mehr Umsatz. Alle realen Wachstumsvorgänge jedoch sind letztlich nur begrenztes Wachstum, da die Ressourcen, aus welchen sich das Wachstum speist, nicht unbegrenzt vorhanden sind. Die Annahme, dass in der Realität etwas unbegrenzt wachsen könne, ist daher nicht haltbar.
Die Preisexplosion auf den Rohstoffmärkten aufgrund enorm gestiegener Nachfrage aus China und neuerdings Indien bestätigt, dass wir einem immer schneller fahrenden Zug hinterher laufen. Dabei wäre zu wünschen, dass sich mit dem Anstieg z.B. des Erdölpreises auch das Bewusstsein verändert, aus diesem Auslaufmodell Wachstum auszusteigen.

Ein erster Lichtblick verspricht der Zertifikatehandel für CO2-Emissionsrechte, der Anfang des Jahres in Deutschland eingeführt wurde. An 1200 größere energieintensive Unternehmen wurden 1,5 Mrd. CO2-Zertifikate für den Zeitraum von 2005 bis 2007 im Gegenwert von 7,2 Mrd. Euro kostenlos ausgegeben. Durch den Börsenhandel hat sich dieser Wert mittlerweile auf 25,5 Mrd. Euro erhöht. Investitionen in CO2-mindernde Maßnahmen lohnen sich, da frei werdende Zertifikate verkauft werden können. Momentan stellt diese einseitige Bevorzugung von großen Firmen einen Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip dar. Diese für den Staat kostenlose Zweitwährung könnte jedoch bei Reduzierung des administrativen Aufwandes auf alle Firmen und alle Bürger ausgeweitet werden. Ein Klima-Bewusstsein würde entstehen. CO2-neutrale Konsum- und Investitonsgüter, Energie, Transport- und Dienstleistungen würden nachgefragt. Eine Kennzeichnung für klimafreundliche Produktionsweisen könnte entstehen und den Bürgern ein Instrument in die Hand geben, die größte Herausforderung der Menschheit aktiv mitzugestalten, den Klimaschutz. Die freie, gänzlich unregulierte Marktwirtschaft wird die Verschwendung von Energie und Rohstoffen und die Gefährdung des Weltklimas nicht aufhalten. An Ihre Stelle tritt die Klimaneutrale soziale Marktwirtschaft als Jobmotor. Ob jeder Tag, an dem Schwarz-Gelb regiert, ein guter Tag für Deutschland ist, wird mit dem Mut zum radikalen Wandel bewiesen.

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Geschäftsführer des One World Verlages und Herausgeber des SEIN-Magazins

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