Swami PranabanandaAutobiographie eines Yogi – Auf Wunder vertrauen 25. Februar 2022 Spiritualität In der jetzigen Zeit haben viele Menschen das Gefühl, dass hier etwas grundsätzlich falsch läuft und die Menschheit von Gott verlassen worden ist. Das Spirituelle und Leuchtende tritt in den Hintergrund und das Leben wird von Angst, Leiden und Kontrollverlust beherrscht. Doch die transpersonale Ebene, die Ebene höherer geistiger Fähigkeiten und Wunder, existiert. Wir Menschen sind in diese heilende Struktur eingebettet und auch im größten Elend nicht von ihr verlassen. Alles ist richtig, auch wenn es überhaupt nicht danach aussieht. Und alles ist eine gigantische energetische Reinigung und auf das Sichtbarwerden der Liebe ausgerichtet, die in allem existiert. Wer auf das, was größer ist als wir, vertrauen kann, gewinnt Halt in haltlosen Zeiten. Im folgenden Abschnitt aus dem spirituellen Klassiker „Autobiographie eines Yogi“, der 2021 sein 75-jähriges Jubiläum feierte, beschreibt der Autor Paramahansa Yogananda eine Erfahrung, die er mit zwölf Jahren machte, als er sich auf die Suche nach einem erleuchteten geistigen Lehrer begeben hatte. In Benares, der heiligen Stadt Indiens, trifft er Swami Pranabananda, der ihm, sehr zum Erstaunen des jungen Yogis, einige seiner geistigen Fähigkeiten demonstriert. Im Laufe des Buches erklärt Yogananda die perfekte Verbindung zwischen den verborgenen Naturgesetzen von Phänomenen, die als »Wunder« erscheinen und den grenzenlosen Möglichkeiten unseres menschlichen Potenzials, Geist und Materie zu meistern. Der Heilige mit den zwei Körpern »Vater, wenn ich dir verspreche, bestimmt wieder nach Hause zurückzukommen, darf ich dann eine Besichtigungsreise nach Benares machen?« Vater versprach, sich meine Bitte zu überlegen. Am nächsten Tag rief er mich zu sich und überreichte mir eine Rückfahrkarte nach Benares, einige Rupienscheine und zwei Briefe. »Ich habe einem meiner Freunde aus Benares, Kedar Nath Babu, ein berufliches Angebot zu machen, habe aber leider seine Adresse verlegt. Doch ich hoffe, dass du ihm diesen Brief durch unseren gemeinsamen Freund Swami Pranabananda zustellen lassen kannst. Der Swami ist mein Bruderschüler und hat eine hohe geistige Entwicklungsstufe erreicht, so dass du von seiner Bekanntschaft profitieren wirst. Der zweite Brief soll dir als Einführungsschreiben dienen.« Ich machte mich mit der Begeisterung meiner zwölf Jahre auf den Weg (wenn auch das Alter meine Freude an neuen Schauplätzen nicht gemindert hat). In Benares angekommen, suchte ich sofort das Haus des Swamis auf. Die Eingangstür stand offen, und so ging ich hinein und stieg zum ersten Stockwerk empor, wo ich einen länglichen, saalähnlichen Raum betrat. Dort erblickte ich auf einer Estrade einen stämmigen Mann im Lotossitz. Er war nur mit einem Lendentuch bekleidet, hatte einen kahlen Kopf und ein faltenloses, glatt rasiertes Gesicht. Ein glückseliges Lächeln spielte um seine Lippen. Er begrüßte mich sofort wie einen alten Freund und zerstreute damit meine Bedenken, dass ich ihn gestört haben könnte. »Baba anand!« (»Sei gesegnet, mein lieber Freund!«) sagte er mit kindlicher Herzlichkeit. Ich kniete vor ihm nieder und berührte seine Füße. »Seid Ihr Swami Pranabananda? « Er nickte. »Bist du Bhagabatis Sohn?« Er sagte dies, noch ehe ich Zeit gehabt hatte, Vaters Brief aus der Tasche zu holen. Verwundert überreichte ich ihm das Einführungsschreiben, das jetzt überflüssig schien. »Selbstverständlich will ich Kedar Nath Babu für dich ausfindig machen.« Wieder überraschte mich der Heilige mit seiner Hellsichtigkeit. Dann blickte er flüchtig auf den Brief und machte einige liebevolle Bemerkungen über meinen Vater. »Weißt du auch, dass ich zwei Pensionen genieße? Die eine wird mir auf Empfehlung deines Vaters ausgezahlt, für den ich früher bei der Eisenbahnverwaltung gearbeitet habe, und die andere erhalte ich von meinem Himmlischen Vater, weil ich meine irdischen Pflichten im Leben gewissenhaft erfüllt habe.« Ich fand diese Bemerkung recht unverständlich. »Was für eine Pension erhaltet Ihr denn vom Himmlischen Vater, Sir? Wirft Er Euch Geld in den Schoß?« Er lachte. »Ich meine eine Pension, die mir ewigen Frieden einbringt — eine Belohnung für viele Jahre tiefer Meditation. An Geld habe ich kein Interesse mehr, denn für meine wenigen materiellen Bedürfnisse ist reichlich gesorgt. Später wirst du die Bedeutung dieser zweiten Pension besser verstehen.« Dann brach der Heilige die Unterhaltung plötzlich ab und verfiel in eine feierliche Starre, wobei sein Ausdruck etwas Sphinxhaftes annahm. Zuerst glänzten seine Augen, als ob sie etwas Interessantes beobachteten, und wurden dann ausdruckslos. Sein Schweigen brachte mich in Verlegenheit, denn bis jetzt hatte er mir noch nicht gesagt, wo ich Vaters Freund finden würde. Leicht beunruhigt schaute ich mich in dem kahlen Raum um, in dem sich außer uns beiden niemand befand. Schließlich blieb mein Blick an seinen hölzernen Sandalen hängen, die vor der Estrade lagen. »Kleiner Herr, beunruhige dich nicht. Der Mann, den du sprechen willst, wird in einer halben Stunde hier sein.« Der Yogi hatte meine Gedanken gelesen – ein Kunststück, das im Augenblick nicht allzu schwer schien. Wiederum verfiel er in unergründliches Schweigen. Als meine Taschenuhr anzeigte, dass dreißig Minuten vergangen waren, erhob sich der Swami plötzlich. »Ich glaube, Kedar Nath Babu nähert sich der Tür«, sagte er. Gleich darauf hörte ich jemanden die Treppe heraufkommen und war auf einmal völlig verwirrt. Meine Gedanken jagten wild durcheinander: »Wie kommt es, dass Vaters Freund ohne irgendeinen Boten hierhergerufen wurde? Der Swami hat seit meiner Ankunft doch zu niemandem als mir gesprochen!« Augenblicklich verließ ich den Raum und lief die Stufen hinunter. Auf halbem Wege begegnete ich einem hageren Mann von mittlerer Größe und heller Hautfarbe, der sehr in Eile zu sein schien. »Seid Ihr Kedar Nath Babu?« fragte ich mit erregter Stimme. »Ja. Bist du etwa Bhagabatis Sohn, der hier auf mich gewartet hat?« fragte er, indem er mich freundlich anlächelte. Anwesenheit verwirrte mich und rief leichten Unwillen in mir hervor. »Heute geschehen lauter geheimnisvolle Dinge. Vor einer knappen Stunde, als ich gerade mein Bad im Ganges genommen hatte, kam Swami Pranabananda auf mich zu. Ich habe keine Ahnung, woher er wissen konnte, dass ich mich dort befand. ›Bhagabatis Sohn wartet in meiner Wohnung auf dich‹, sagte er. ›Willst du mit mir kommen?‹ Ich stimmte freudig zu. Doch als wir Hand in Hand vorwärtsgingen, konnte ich zu meinem Erstaunen kaum Schritt mit dem Swami halten, obgleich er schwere Holzsandalen an den Füßen hatte und ich diese festen Wanderschuhe trage. ›Wie lange brauchst du, um mein Haus zu erreichen?‹ fragte Pranabanandaji, indem er plötzlich innehielt. ›Eine gute halbe Stunde.‹ ›Ich habe noch etwas anderes zu erledigen und muss dich jetzt zurücklassen‹, sagte er, indem er mir einen rätselhaften Blick zuwarf. ›Du kannst mich in meinem Haus treffen, wo ich dich mit Bhagabatis Sohn erwarte.‹ Ehe ich noch etwas einwenden konnte, hatte er mich bereits überholt und war in der Menge verschwunden. Ich bin dann so schnell, wie ich konnte, hierhergekommen. « Diese Erklärung steigerte meine Verwirrung nur noch. Ich fragte ihn, wie lange er den Swami kenne. »Wir sind uns im vorigen Jahr ein paarmal begegnet, aber nicht in letzter Zeit. Darum habe ich mich sehr gefreut, ihn heute am Bade-Ghat wiederzusehen.« »Entweder höre ich nicht richtig – oder ich verliere den Verstand! Seid Ihr ihm in einer Vision begegnet, oder habt Ihr ihn tatsächlich gesehen, seine Hand angefasst und seine Schritte gehört?« »Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst«, sagte er, indem er vor Ärger leicht errötete, »ich lüge doch nicht! Siehst du das denn nicht ein: Nur durch den Swami konnte ich doch erfahren, dass du hier auf mich wartest.« »Aber, dieser Mann, Swami Pranabananda, hat sich nicht einen Augenblick lang von der Stelle gerührt, seit ich vor etwa einer Stunde ankam.« Und dann platzte ich mit der ganzen Geschichte heraus und wiederholte ihm unsere Unterhaltung. Mit weit geöffneten Augen hörte er mir zu. »Leben wir wirklich in diesem materiellen Zeitalter, oder träumen wir? Nie habe ich gedacht, dass ich einmal Zeuge eines solchen Wunders sein würde. Ich hielt diesen Swami nur für einen durchschnittlichen Menschen und sehe nun, dass er einen zweiten Körper materialisieren und durch ihn wirken kann.« Gemeinsam betraten wir das Zimmer des Heiligen. Kedar Nath Babu wies auf die Holzsandalen, die vor der Estrade lagen. »Siehst du, das sind dieselben Sandalen, die er am Ghat getragen hat«, flüsterte er. »Und er war nur mit einem Lendentuch bekleidet, genau wie jetzt.« Als sich der Besucher vor ihm verneigte, lächelte der Heilige mir belustigt zu. »Warum bist du über all dies so verblüfft? Die verborgene Einheit aller Dinge, die zur Welt der Erscheinungen gehören, hat für den echten Yogi nichts Geheimnisvolles an sich. Ich kann z.B. jederzeit meine Jünger im entfernten Kalkutta sehen und mich mit ihnen unterhalten. Und sie können auf ähnliche Weise jedes grobstoffliche Hindernis überwinden.« Wahrscheinlich wollte der Swami ein geistiges Feuer in meinem Herzen entfachen und hatte sich deshalb herabgelassen, mir etwas von seinen astralen Fähigkeiten (dem Hellsehen und Hellhören) zu erzählen. Statt Begeisterung empfand ich jedoch nur ehrfürchtige Scheu. Da es mir bestimmt war, Gott mit Hilfe eines anderen Gurus — Swami Sri Yukteswar, dem ich noch nicht begegnet war — zu finden, verspürte ich keinerlei Neigung, Pranabananda als meinen Lehrer anzunehmen. Zweifelnd blickte ich zu ihm auf und fragte mich, ob er es wirklich selbst sei oder nur sein Doppelgänger. Der Meister versuchte, meine Bedenken zu zerstreuen, indem er mir einen seelenvollen Blick zuwarf und mit Begeisterung einiges über seinen Guru zu erzählen begann. »Lahiri Mahasaya war der größte Yogi, dem ich je begegnet bin. Er war die fleischgewordene Gottheit.« Wenn sogar sein Jünger willentlich einen zweiten Körper materialisieren kann, dachte ich bei mir, welches Wunder gibt es dann, das der Meister nicht vollbringen könnte? Copyright Self-Realization Fellowship, Los Angeles, Kalifornien, www.yogananda.org/. Bilder: Fotos mit freundlicher Genehmigung der Self-Realization Fellowship, Los Angeles, Kalifornien. Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar Antwort abbrechenDeine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.KommentarName* E-Mail* Meinen Namen, meine E-Mail-Adresse und meine Website in diesem Browser für die nächste Kommentierung speichern. Überschrift E-Mail-Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren.Auch möglich: Abo ohne Kommentar. Durch Deinen Klick auf "SENDEN" bestätigst Du Dein Einverständnis mit unseren aktuellen Kommentarregeln.