Die Artenvielfalt ist akut gefährdet. Was jeder Einzelne und auch alle zusammen gegen das Bienensterben, Vogelsterben und Insektensterben tun können, erklärt Alexander Baltosée

Schon etliche Jahre wissen wir um die Gefahr für die Bienenvölker. Was das Bienensterben angeht, so wiesen Naturfreunde und Ökoaktivisten schon frühzeitig auf die Folgen des Einsatzes von Neonikotinoiden hin. Die langfristigen Auswirkungen waren absehbar. Und nicht nur für sie. Gleichermaßen betroffen von einer naturzerstörenden Landwirtschaft sind Schmetterlinge und andere Insekten, aber auch Vögel. Schon 2003 warnte das World Watch Institut, in diesem Jahrhundert würden vermutlich 12 Prozent aller Vogelarten aussterben. Nun sieht es ganz so aus, als würde es schneller gehen. Die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Steffi Lemke im Bundestag 2017 war erschreckend: Über die letzten 12 Jahre zeigt der Bestand der Brutvogelarten einen „signifikanten Rückgang“, laut Nabu 12,78 Mio. Brutvogelpaare allein in Deutschland. Für den französischen Biologen Benoit Fontaine vom Nationalen Museum für Naturgeschichte grenzt die europäische Situation an „eine ökologische Katastrophe“.

Das Bienensterben entspringt einem naturfernen Weltbild


Ohne die Bedeutung von Insekten für Natur und Landwirtschaft wirklich zu begreifen oder nur den unmittelbaren Profit im Blick, brachte man in den vergangenen Jahren Tausende von Tonnen Insektizide auf die Felder aus. Die Bauern freuten sich, dass ihre Arbeit leichter und die Ernten ertragreicher wurden. Als könne man das Ausbringen dieser Gifte auf ein rechteckiges Feld beschränken, versprühten sie chemische Waffen gegen das mikrokosmische Leben. In einem veralteten, naturfernen Weltbild erzogen, aufgewachsen und gefangen, dachten sie kaum daran, dass ihr Handeln Auswirkungen auf das Ganze haben wird.

Und diejenigen, die Insektizide und Pestizide verkaufen? Wussten sie nicht um die tödlichen Folgen ihrer Geschäfte? Anfangs vielleicht. Aber spätestens heute, da sich Beweise und Fakten über die dramatischen Folgen der chemischen Keule mehren, wäre ein radikales Umdenken angesagt. Wer jetzt weiterhin solch lebensfeindliche Produkte herstellt und um die Anreicherung der Gifte in der Nahrungskette weiß, ist einfach skrupellos. Es ist ja nicht so, dass es keine funktionierenden ökologischen Alternativen zur industriellen Landwirtschaft gäbe.

Unsere Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner sieht sich im Zugzwang, um ansatzweise glaubwürdig zu erscheinen. Aber außer Absichtserklärungen, etwas gegen das Bienensterben unternehmen zu wollen, fehlt in der deutschen wie internationalen Politik die Vision einer umfassenden ökologischen Reform der Landwirtschaft. Es wird sein wie immer: Auch diese Bundesministerin wird letztendlich wieder vor der Agrargroßindustrie einknicken. Und selbst, wenn man kann einzelne Produkte und Stoffe verböte, in den Köpfen der Menschen änderte das noch nichts.

Ein Ende des Bienensterbens beginnt in den Köpfen des Einzelnen

Eine wirkliche Veränderung findet nur statt, wenn sich die Menschen in den Kommunen darum kümmern. Vor allem für die Landwirte müssten sich durch eine ökologische Agrarwende attraktive Perspektiven auftun. Das Wissen, wie Landwirtschaft ohne Chemie funktioniert, existiert in den ökologischen Anbauverbänden; doch der Transfer in die breite Fachwelt fehlt. Allem voran fehlen Glaube und Know-how, dass sich die Weltbevölkerung auf Basis einer ökologischen Landwirtschaft mittel- und langfristig zuverlässiger ernähren könnte, als mit den Ernten aus den Agrarwüsten. Dort zählt nur die kurzfristig erzielbare Erntemenge, nicht jedoch der Wert der Feldfrüchte für die Gesundheit.

In den Köpfen der Menschen muss das Umdenken stattfinden. Bei ihnen daheim in ihren Gärten. Die Diplom-Gartenbauarchitektin Batya Barbara Simon schlägt vor, „unser privates Grün – Haus- und Kleingärten mit insgesamt rund 930.000 ha – in Biogärten umzuwandeln und so die Fläche von 1,2 Mio. Hektar Naturschutzgebieten nahezu zu verdoppeln. Solange Familien ihre Gärten vorwiegend als Erholungsräume ansehen und natürlich wachsende Natur auf ihrem Grundstück grundsätzlich ablehnen, werden Insekten und Vögel keinen Lebensraum und Nahrung finden können. Diese Haltung gegenüber der „wilden“ Natur rächt sich jetzt: Die Nahrungsketten brechen zusammen. Weil viele Blüten mangels Insekten nicht mehr bestäubt werden, bleiben Früchte aus. Ohne Insekten und ohne Früchte bleiben die Vögel aus. Samen können nicht mehr weitergetragen werden. Wir lassen eine Landwirtschaft und Gartenkultur zu, die unseren natürlichen Lebensraum biologisch vernichtet.

Wir können etwas gegen das Bienensterben tun


Die Verantwortung liegt bei jeder Bürgerin, jedem Bürger. Sie haben die Wahl, welches Obst und Gemüse sie kaufen und wie sie ihren Garten gestalten. Bewusstsein allein reicht nicht, etwas zu ändern. Wie der Club of Rome richtig fordert: „Wir sind dran!“ Verantwortung und Handeln sind gefordert, um einen ökologischen Kollaps abzuwenden. Jede und jeder kann sofort beginnen: Insektenhotels aufstellen, Kompostmieten für den Bioabfall aus Haushalt und Garten, Hecken pflanzen statt Zäune ziehen, mit Rasenschnitt und Herbstlaub die Beete mulchen, Gemüsebeete anlegen, Rasen in Obstbaumwiesen umwandeln. Und draußen vor der Tür geht es weiter. Gemeinsam mit den Nachbarn. Straßen-, Weg- und Feldränder müssen nicht versiegelt und von jeglichem Wachstum befreit sein. Fassaden und Dächer kann man auch als Anbauflächen begreifen. Wir sollten schleunigst damit beginnen, Gärten und öffentliche Anlagen zu botanisch vielfältigen Oasen umzugestalten. Urbanes Gärten, Blühhecken, Blumenbeete und artenreiche Wiesen als Selbstverständlichkeit ansehen.

Wer wirklich bestürzt darüber ist, dass das Summen und Trällern verstummt, sollte sich für die Belebung unserer Natur stark machen und die Stimme erheben. In der Kommune fängt das Umdenken an. Fragt doch mal den Bürgermeister, was er davon hält:

  • Reduzierung und Einstellung des Einsatzes von Pestiziden und Herbiziden, insbesondere von Roundup und allen Glyphosat-Produkten.

  • Eingrenzung von Monokulturen 

  • Bepflanzung von Feldrändern mit Hecken, Wildblumen und Obstwiesen.

  • Schaffung von Renaturierungsräumen zur Förderung von Artenvielfalt und dem Erhalt der wertvollen Humusschicht.

  • Keine Verwendung von genmanipuliertem Saatgut.

  • Bau von „Grünen Brücken für Tiere“ über Schnellstraßen und Bahnstrecken.

  • Humus und Nährstoff bildende Maßnahmen in der landwirtschaftlichen Nutzung der Erde. (Terra-Preta, Pilzkulturen und Kompost)

  • Förderung und Schutz kleinbäuerlicher Betriebe auf Basis permakultureller Erkenntnisse.


Selbst wenn man auf eine solche Anfrage eine Absage erhält – schon dieses Gedankengut in die politische Diskussion zu bringen, ist nützlich. Solange die Bürger schweigen, macht die Politik, was sie will.

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