Über das raffinierte Klima-Regulationssystem der Natur mittels Pflanzen und Mikroorganismen und welchen Einfluss die Landwirtschaft darauf hat

Wer hat es noch nicht erlebt: Hochsommer in der Stadt, drückende Hitze, die in den Steinen der Bauwerke gespeichert und abgestrahlt wird. Welche Erlösung, dann hinaus ins Grüne zu fahren und wohltuende Erfrischung zu spüren: denn die Verdunstung der Pflanzen führt unter derselben Sonne zu einer Senkung der Temperatur. In der Erd-Urzeit bestand auch das Festland der Erde nur aus nacktem Stein und Sand. Bis das raffinierte Kühl- und Regulationssystem der Natur mittels Pflanzen aufgebaut war, war es ein langer Weg. Über Mikroorganisman als die lautlosen Schwerarbeiter des Weltklimas.

3 Milliarden Jahre Bauzeit für die irdische Klimaanlage:

In der Erd-Urzeit, als die Erde noch keinen Pflanzenbewuchs hatte, herrschten auf der Erdoberfläche extreme Temperaturunterschiede. Der nackte Fels und Sand des Festlands erhitzten sich in der Sonneneinstrahlung bis 300°, während die Temperatur an der Meeresoberfläche wegen der Verdunstung nie über dreißig Grad stieg. Die Folge waren regelmäßige Orkane, die die großen Temperatur bzw. Druckunterschiede zwischen der Luft über dem Meer und über dem Land ausgleichen. Die Wassermengen der Regengüsse konnten von keiner saugfähigen Bodenschicht gespeichert werden und strömten als reissende Flüsse schnell wieder ins Meer zurück. Erst durch die allmählich einsetzende Besiedlung von pflanzlichen Organismen begann sich aus deren Resten eine zarte Humusschicht herauszubilden. Diese vermochte wie ein Schwamm Wasser im Boden zu speichern und schaffte somit die Grundlage für eine weitere Begrünung der Erde.
 
Eine Pflanze verdunstet 700 Mal die Menge Wassers, die sie selbst zum Leben braucht. Durch diese sportliche Leistung der Natur wurde schließlich erreicht, daß über dem Festland je m2 heute in etwa die gleiche Wassermenge verdunstet, wie über dem Meer, und damit die Stürme zum Ausgleich der unterschiedlichen Druckverhältnisse der Luft auf ein erträgliches Maß gesunken sind.

Die Uratmosphäre bestand vor 3 Milliarden Jahren überwiegend aus Kohlendioxid und Stickstoff. Kein Mensch oder Tier hätte dort atmen können. Erst durch den Photosyntheseprozess der Pflanzen wurde es möglich, das CO2 aus der Luft zu absorbieren und Sauerstoff freizusetzen. Da jene Bakterien, die heute für den Abbau der organischen Substanzen und damit für die Rückgabe des CO2 in den Kreislauf zuständig sind, von der Natur erst später „erfunden“ wurden, kam es durch den zunehmenden Pflanzenwuchs zunächst zu einer kontinuierlichen Verringerung des CO2 -Anteils in der Atmosphäre zugunsten einer Zunahme des lebenswichtigen Sauerstoffs.

Was haben die Mikroorganismen im Boden mit dem Klima zu tun?

Ein Hektar Wiesenfläche kann 2 Kühe, so genannte „Großvieheinheiten“, mit Gras versorgen. Doch dieselbe Fläche Erde versorgt gleichzeitig unter ihrer Oberfläche nicht weniger als 30 Tonnen oder 60 Großvieheinheiten im Boden „weidender“ Mikroorganismen. Da in der Natur nichts sinnlos geschieht, stellt sich die Frage: Warum werden 95% der jährlich am Festland gebildeten Biomasse an die Bodenbakterien verfüttert?

Die Funktion der Bodenlebewesen ist einerseits, durch Verarbeitung der abgestorbenen Biomasse den Pflanzen wieder die benötigten Nährstoffe zuzuführen, andererseits den Humus aufzulockern, der sich sonst unter dem Einfluss der Schwerkraft verdichtet und seine Aufgabe als lebenswichtiger Wasserspeicher nicht mehr erfüllen kann. Diese Aufgabe können sie aber nur dann erfüllen, wenn kein Kunstdünger auf dem Boden  ausgebracht wird. Denn der Einsatz von Kunstdünger täuscht den Bodenlebewesen ihre eigenen konzentrierten Ausscheidungen vor, wie es bei einer Überpopulation der Fall wäre, und auf dieses Signal hin stellen die Bodenlebewesen ihre Aktivität weitgehend ein oder sterben ab. Die Folge ist eine verdichtete Oberflächenschicht des Bodens, die nun mechanisch von außen aufgelockert werden muß. Beim Pflügen mit schweren Traktoren wird der Boden noch mal verdichtet, außerdem wird nicht nur die Oberflächenschicht, sondern auch die tieferliegende Schicht des Dauerhumus mit Luft-Sauerstoff in Kontakt gebracht. Der Sauerstoff oxidiert den Humus, und unter Freisetzung des darin gespeicherten CO2 kommt es zu einer ständigen Verringerung des Humusanteils im Boden. In Österreich z.B. ist der Humusanteil seit Beginn der industriellen Landwirtschaft in den 50iger Jahren von ursprünglich 8% auf ca. 1% gesunken , weltweit sind schätzungsweise 69% der Ackerflächen oder 36% der begrünten Landflächen betroffen. Die Auswirkungen einer solchen Degeneration der Böden durch das Abtöten der Bodenlebewesen und dem Humusschwund sind:

1. Der Boden kann nur mehr wenig Wasser speichern, es kommt zu häufigen Trockenheiten. Diese werden auch dadurch verstärkt, dass die Verdunstung aus dem Boden und durch die Pflanzen, die normalerweise zu einem erhöhten Feuchtigkeitsgehalt der Luft bzw. in der Folge zu Tau und Regen führt, reduziert ist.

2. Während der Oxidation des Humus (vor allem während der ersten Jahrzehnte chemisch mechanischer Landwirtschaft ) ist es zu einer massiven Freisetzung von CO2 gekommen, zusätzlich zu den Emissionen aus der Verbrennung fossiler Rohstoffe.

3. Im ausgeklügelten Regelsystem der Natur wird ein erhöhter Anteil von CO2 in der Atmosphäre normalerweise durch vermehrtes Pflanzenwachstum ausgeglichen, weil durch die Photosynthese CO2 aus der Luft entzogen wird. Wenn die Pflanzen aber im Boden nicht genug Wasser zur Verfügung haben, können sie auch nicht mehr ausreichend wachsen und ihre Regelfunktion ausüben.

Die Gefahren eines überhöhten CO2 – Gehalts der Atmosphäre

Unsere Atmosphäre hat innerhalb weniger Jahrzehnte industrieller Landwirtschaft und intensiver Nutzung fossiler Energiequellen heute einen CO2-Gehalt erreicht, der um ein Drittel höher ist, als die in den vergangenen 400.000 Jahren erreichten Maximalwerte. Zwar gab es immer schon natürliche CO2- Stöße aus Waldbränden, Vulkanausbrüchen, Kontinentreibungen sowie geophysikalisch begründete Temperaturschwankungen, die wurden aber immer durch das spezielle Regelsystem der Natur in einem für Mensch und Tier angenehmen Bereich gehalten. Heute ist zu vermuten, dass das natürliche CO2- Regelsystem der Natur durch Pflanzenwachstum angesichts des massiven Humusschwundes (Wassermangel!) erstmalig überfordert ist.

Über 400.000 Jahre schwankte der CO2- Gehalt der Atmosphäre – in wechselseitiger Abhängigkeit von der Temperatur – im Rhythmus der Eiszeitzyklen zwischen 180 ppm und 300 ppm, heute ist dieser Wert auf 400 ppm angestiegen! Wir liegen heute am Ende einer Warmperiode und sollten eigentlich sorglos einer neuen Eiszeit zusteuern. Sorglos, weil Veränderungen von uns und von kommenden Generationen auf Grund ihrer Langsamkeit (in etwa 1000 Jahren hätten wir an einem Ort ein Klima wie heute ca. 20 km nördlich dieses Ortes) gar nicht wahrgenommen werden könnten. In der letzten Eiszeit hatten wir das dreifache heutige Eisvolumen, der Meeresspiegel lag 120 m tiefer und die Sahara war begrünt.

Heutige Grünflächen würden langsam durch Eis und Schnee als Lebensraum ungeeignet, aber riesige neue Flächen in Meeresnähe könnten im Gegenzug erschlossen werden. Prinzipiell gibt es also keinen Grund für Angst vor einer Eiszeit! Gefahr droht durch die heutigen menschengemachten Temperatur- und CO2-Spitzenwerte am Ende der Warmzeit, weil, wenn nichts unternommen wird, diese in ein bis zwei Jahrzehnten zu einem weiteren sprunghaften Anstieg der Erdoberflächentemperatur von derzeit 16°C auf über 30 °C als auch zu CO2 -Konzentrationen jenseits 20.000 ppm führen könnten. Gefahr droht, weil irgendwann eine Toleranzgrenze erreicht werden könnte, wo das natürliche Gleichgewicht aus den Fugen gerät.

Unkontrollierbare, sich selbst verstärkende Anspringreaktionen könnten einsetzen: Eine weitere
Erhöhung der Temperatur könnte zu einer massenhaften Freisetzung von Methan und CO2 aus den Weltmeeren führen, welche die Temperatur weiter nach oben treiben würde und ein Schmelzen des Gletschereises und der Polkappen bewirken würde.

Letztlich könnte, nachdem alles Eis geschmolzen wäre, der Meeresspiegel um ca. 70 m ansteigen und somit den Lebensraum von über 90% der Weltbevölkerung zerstören. Der dann hohe CO2-Gehalt der Atmosphäre (allein aus dem Meer ist eine Versechzigfachung möglich) von über 20.000 ppm und die damit verbundenen hohen Temperaturen von durchschnittlich 30°C würden darüber hinaus menschliches Leben auf der Erde wahrscheinlich für Millionen Jahre ausschließen. Im Unterschied zu den langsamen Eiszeitzyklen könnten diese katastrophalen Zustände bereits das Überleben der nächsten Generationen in Frage stellen.

Die Lösung des Problems: erneuerbare Energien und biologische Kreislaufwirtschaft

Wir müssen so bald wie möglich alle menschliche Aktivitäten, die wesentliche Mengen an CO2 aus den jahrmillionen alten natürlichen Ablagerungen in die Atmosphäre zurückführen, beenden und Alternativen schaffen, die dem Kreislauf- und Regelsystem der Natur nicht zuwiderlaufen. Der lebenswichtige Wasserspeicher Humus darf nicht durch Kunstdüngereinsatz zerstört werden, sondern muß mittels einer biologischen Kreislauflandwirtschaft wieder langsam aufbaut werden. Dadurch kann der bedrohliche Überschuss an atmosphärischem CO2 wieder allmählich in den Boden rückgeführt werden, der Boden kann vermehrt Wasser aufnehmen, was einen Schutz vor Flutkatastrophen bedeutet, und das Klimaregelsystem der Erde kann über die Wasser- Verdunstung der Pflanzen wieder seine Aufgabe erfüllen. Der rasche Umstieg auf erneuerbare Energien, die direkte Nutzung der Sonneneinstrahlung, oder der Wind- und Meeresströmungsenergie, oder der gespeicherten Sonnenenergieform Biomasse, ist daher ein Gebot der Stunde.

Die Ideen von Prof. Dr. DI August Raggam wurden von Christiane Schmutterer formuliert


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Herausgeber:
Ökosoziales Forum Österreich
Franz Josefs-Kai 13
A-1010 Wien

http://www.oesfo.at/osf/?cid=15666

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