Nach 22 Jahren Ortserneuerung erhält die Gemeinde Wiesenburg im Südwesten Brandenburgs eine Auszeichnung nach der anderen: 2010 Goldmedaille des Wettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“, 2011 Silbermedaille im europäischen Wettbewerb Entente florale 2012 Europäischer Dorferneuerungspreis… was hat Wiesenburg richtig gemacht? Die Künstlerinitiative „Kunst- Perle Fläming“ untersucht die Lebensqualität in der ländlichen Gemeinde und präsentiert ihre Ergebnisse mit einer Ausstellung und einer Veranstaltungsreihe.


Wiesenburg – ein ländliche Gemeinde, viele Ortsteile, sie sind weit verstreut. Man könnte meinen, dass hier, am südwestlichsten Rand von Brandenburg der Hund begraben liegt. Zumindest die Wölfe breiten sich hier aus. Aber neben den Wölfen kommen auch immer mehr Stadtflüchtlinge in die „Perle des Fläming“, die Qualität des Lebens spricht sich herum. Menschen die hierher ziehen, suchen nicht den größtmöglichen Konsum, sondern ein Leben, das noch Verbindung fühlen lässt – mit der Natur und mit den Menschen, mit denen man seinen Lebensraum teilt. Besonderes Merkmal von Wiesenburg: die bürgernahe Verwaltung. Mit Bürgermeisterin Barbara Klembt an der Spitze wurde hier über Jahrzehnte eine Ortstruktur geschaffen, die Mitsprache fördert und Anreize zu Begegnung und Eigenverantwortung schafft. So begann nach der Wende eine Ortserneuerung, die von einer Westberliner Sanierungsbeauftragten und beratenden Fachleuten aus den alten Bundesländern begleitet wurde, aber immer im Kontakt mit den Bürgern stand. Wünsche der Bewohner wurden immer wieder zu Impulsen für den Prozess der Erneuerung. Der Kern Wiesenburgs wurde betont, Baulücken geschlossen, Fassaden und Dächer saniert. Einrichtungen der Versorgung im Ort wurden verbessert. Die Möglichkeit zur Mit-Gestaltung zog seither viele Menschen an: vor allem Menschen, die Lust haben, ihr Leben jenseits des Mainstreams selbst zu definieren – Künstler, ökologisch und sozial eingestellte Kleinunternehmer und andere alternativ Denkende. Die gleichzeitige Ansiedlung zweier großer Lebensgemeinschaften im Hohen Fläming 1991 (ZEGG und Suchthilfe Synanon) förderte ebenfalls den Zuzug von Menschen, deren Initiativen vor allem auf eine Qualität des Miteinander angelegt sind.

Aus all diesen Komponenten entsteht seither organisch chaotisch ein Netzwerk, wovon andernorts Regionalplaner nur träumen: in immer neuen Gruppierungen erfinden Initiativen Projekte, und Menschen inspirieren sich gegenseitig. So entstanden in der Region eine Erzeugerverbrauchergemeinschaft und ein Bioladen, ein genossenschaftlich getragener Bahnhof, Musiker- Autoren- Künstlertreffs, Theaterprojekte, Wildnisschule und Naturführungen, eine Bürgersolargenossenschaft, ein Internationaler Kunstwanderweg, eine Freie Schule und ein Waldkindergarten, verschiedene offene spirituelle Gruppen und Angebote (von kreativ über buddhistisch bis hin zu schamanisch), Selbsthilfegruppen und Seminarzentren, eine Regionalwährung u.a. Regelmäßige Veranstaltungen wie Regionaltreffen, Fläming MusikFest, Offene Gärten, ein Blumenmarkt und die Wiesenburger Schlossparknacht schaffen Treffpunkte und Inspiration.

Eine der entstandenen Gruppierungen ist die Kunst-Perle-Fläming, ein Zusammenschluss von Künstlern, der seit 10 Jahren in der ehemaligen Reithalle des Schlosses (heute Kunsthalle) thematische Ausstellungen und Veranstaltungen kreiert. Das Thema im Frühjahr 2013: „Ortserneuerung und Lebensqualität“. Wie blicken Künstler auf all die Veränderungen, die in den letzten 22 Jahren in Wiesenburg geschehen sind? Regionale und auswärtige, bildende und darstellende Künstler haben sich bereits zu drei Symposien getroffen. Ein Schwerpunkt lag dabei auch auf den Errungenschaften der kürzlich abgeschlossenen Sanierungsperiode. Die finanzielle Unterstützung der Gemeinde für dieses Kunstprojekt zeigt, dass es nicht nur um eine Dokumentation der baulichen Veränderungen gehen soll, sondern um ein Bewusstwerden der Lebensqualität, die durch die gemeinsamen Prozesse für die Ortserneuerung entstanden ist. Dies alles durch Kunst sichtbar zu machen, heißt, auch die Zwischenräume zu Wort kommen zu lassen: die menschlichen Begegnungen, die an den neu geschaffenen Orten stattfinden, die nicht sichtbaren Versorgungsstränge, die immateriellen Gewinne – kurz: die allgemeine Erhöhung der Lebensqualität im Raum Wiesenburg. Wo Bürger in Prozessen beteiligt sind, identifizieren sie sich stärker mit dem Geschehen. Und so gibt es in der Reihe der die Ausstellung begleitenden Veranstaltungen selbstverständlich auch Angebote zum aktiven Mitwirken – von einer kulinarischen Tafel über eine Schreibwerkstatt bis hin zum Mitsingkonzert und dem öffentlichen Symposium „Welt im Wandel“. Und natürlich sind Gäste aus der weiteren Umgebung immer herzlich willkommen.


Abb: © Barbara Stüt

Kunst-Perle-Fläming

Kunstausstellung vom 4. Mai bis 16. Juni täglich von 15-18 Uhr, Sa/So 13-18 Uhr
29. April Schreibwerkstatt
4. Mai Vernissage, anschließend kulinarische Tafel 11. Mai Kleiner literarischer Ortsrundgang
20. Mai „Sich versöhnen“, ein MitsingKonzert
23. Mai Vortrag: „Lebensqualität – hier und jetzt“
8. Juni Einfach Leben – Musik, Texte, Performance
16. Juni Finissage
22. Juni Tagessymposium „Welt im Wandel“
27. Juni Vortrag: „Land zum Leben – Land­schaft und Lebensqualität“
11. August Erdforum
15. August Vortrag: „Energiewende von unten – mit Bürgerbeteiligung gelingt sie“
19. September Vortrag: „Wirtschaft, die gut tut“

www.kunst-perle-flaeming.de

Über den Autor

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Dipl. Psych. und Psychologische Psychotherapeutin, Yoga-Lehrerin, Sängerin und Gemeinschaftscoach, geb. 1966 in Saarbrücken

1997 führte sie die Sehnsucht nach einem selbstbestimmten, nachhaltigen und intimen Miteinander ins ZEGG. Seit 2001 lebt sie in der Gemeinschaft und leitete dort viele Jahre Festivals, Seminare und die Öffentlichkeitsarbeit. Das Wirken von Barbara Stützel liegt an der Schnittstelle von Gemeinschaft, Kreativität und Heilung – dort, wo Menschen zusammen kommen, um ihr Potenzial zu erweitern und ein Leben in größerer Verbundenheit zu leben.

Heute begleitet sie vorrangig Gruppen zu der Frage, wie aus vielen Ichs ein bewusstes und heilendes Wir entsteht. Dazu gehören Forumsworkshops und Forumsleitungsausbildungen (in Frankreich, Brasilien und Spanien sowie Transfor(u)m in Deutschland), Gesangsworkshops, Gemeinschaftsberatungen und jährliche Tantra Yoga Lehrer Ausbildungen (Durgas Tiger School). Hier fließen ihre Erfahrungen aus der Arbeit als Dipl. Psychologin und Künstlerin genauso ein wie über 20 Jahre Gemeinschaftserfahrung. Ihre Arbeit ermöglicht einen Raum von Präsenz und Kontakt, in dem hindernde Strukturen wahrgenommen werden und neue innere Bewegungen entstehen. Die Integration von Geist, Körper, Gefühlen, Kreativität ermöglichen einen ganzheitlichen Zugang zum Menschsein und eine Öffnung für die Möglichkeiten der Zukunft.

www.zegg.de 
www.durgas-tiger-school.com

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