Hakomi ist eine  erfahrungsorientierte Körperpsychotherapie, die den aktuellen Ausdruck des Körpers nutzt, um unbewussten Haltungen und Glaubenssätzen auf die Spur zu kommen – und letztlich das zu finden, was wir wirklich sind. Ron Kurtz, Gründer der Methode, sagt: „Es geht nicht darum, wer du glaubst zu sein. Es geht darum, wer du im tiefsten Grunde ­deines Herzens bist. Dir selbst auf der Spur.“

 

Meine ersten Erfahrungen mit Hakomi liegen jetzt schon über 20 Jahre zurück und begannen damit, dass mir das Hakomi-Buch von Ron Kurtz in die Hände fiel. Begeistert hat mich das so überaus freundliche, bejahende Menschenbild von Hakomi, das den Menschen nicht in erster Linie als beschädigt und defizitär sieht und damit negativ bewertet. Ich wollte mich überzeugen, ob das auch der „Wirklichkeit“ standhalten würde – und so fuhr ich zu meinem ersten Processing-Workshop, um Hakomi live zu erleben.

Was ich dort erfahren habe, hat mich von der ersten experimentellen Übung an tief berührt. Die Art des Eingehens auf das, was Teilnehmer zeigten oder sagten, war immer anders, als ich es bisher kannte und erwartet hätte. Die Art, wie Übungen angeleitet wurden, so behutsam und liebevoll, berührte mein Herz, und so fuhr ich mit einem Schatz nach Hause zurück. Am Ende des Workshops war der Hakomi-Geist auch bei uns Teilnehmern zu spüren, wir hatten viel vom gegenseitigen Bewerten aufgegeben und  mehr Verständnis und Offenheit füreinander. Seitdem habe ich viele Workshops mit unterschiedlichen Trainern erlebt. Dabei gab es immer wieder Momente, die fast wie Wunder waren, weil in ihnen ein so ganz anderer – wertfreier, sanfter, unterstützender – Umgang miteinander stattfand, als ich ihn bis dahin kannte. Zum Beispiel bei Halko Weiss in Hamburg: Eine junge Teilnehmerin, die offenbar Angst hatte, sich in der großen Gruppe zu äußern und zu zeigen, fasste sich nach Tagen des Stillseins plötzlich ein Herz und sagte unter großer Überwindung: „Ich hab solche Angst, mich hier einzubringen…“  Daraufhin nickte Halko Weiss bestätigend: „Da möchtest du dich jetzt am liebsten verstecken, nicht wahr? Vielleicht kann dir dein Nachbar mal seine Decke geben und dich ein bisschen abschirmen vor den Blicken… Magst du das?“ Die junge Teilnehmerin darauf: „Ja, das wäre schön!“… und so breitete ihr Sitznachbar schützend seine Decke vor ihr aus und sie konnte so sein, wie sie war, gleichzeitig geschützt und doch gesehen…

 

Wertschätzung des „So-Seins“

„Was ist Hakomi überhaupt?“, werde ich oft gefragt, „es hört sich so asiatisch an.“ Das Wort kommt aus der Sprache der Hopi-Indianer und bedeutet sinngemäß: „Wer bist du und wie stehst du zu allen diesen Welten?“
Ron Kurtz, ein US-Amerikaner, hat Hakomi Ende der 60er Jahre entwickelt. Er lebte damals in Esalen, Kalifornien, in einer Zeit des großen Aufbruchs und sprudelnder Kreativität. Zu dieser Zeit entstanden auch die humanistischen Therapien, zu denen Hakomi zählt. Hakomi ist eine tiefenpsychologisch fundierte Therapieform, die westliche Psychologie und östliche Weisheitslehren zusammenführt.

Der Hakomi-Therapeut nimmt seinen Klienten gegenüber eine „loving-presence“-Haltung ein. Das heißt, er begibt sich in eine nicht wertende, aber neugierige, liebevolle Präsenz – und allein das ist für den Klienten sofort spürbar. Eine meiner Hakomi-Trainerinnen erklärt diese Wertschätzung des „So-Seins“ des Klienten anhand einer Sturmkiefer, die in den stärksten Winden und Stürmen am Meer steht und entsprechend dieser Umgebung sehr schief landeinwärts gewachsen ist. Sie ist für die Lebensbedingungen, die sie hat, genau richtig gewachsen, sonst hätte sie nicht überlebt. Welchen Sinn macht es, dieser Kiefer zu sagen, dass eine gerade Kiefer eine schönere oder richtigere Form hätte? Daraus folgt: Keiner hat versagt, dass er so ist, wie er ist – im Gegenteil, nur so hat er überleben können. Wann werden wir von unserem Gegenüber auf diese bejahende Weise gesehen – ohne dass er uns verändern möchte oder seine Eigeninteressen mit ins Spiel kommen? Aber genau das unterstützt Heilung. Die Würdigung für die Einzigartigkeit eines Wesens im Universum, wie sie in einer Hakomi-Sitzung  geschieht, erreicht das Unbewusste des Klienten, und er kann sich deshalb leichter sicher fühlen und öffnen.

 

Der Körper drückt es aus

„Was heißt nun „Körperpsychotherapie“? Hakomi geht von einer Körper-Geist-Einheit aus. Alle Erfahrungen, die wir bisher im Leben gemacht haben, und die daraus resultierenden Grundanschauungen drücken sich auch im Körper aus. Wenn wir Gefühle haben wie Trauer, Aufregung, Angst, Wut und Freude, findet sich parallel dazu ein entsprechender Ausdruck  im Körper. Wie sieht das aus? Vielleicht kennen Sie diese Situation: Sie bekommen einen Anruf, eine Freundin lädt Sie zu einer Party ein….Nach dem Gespräch spüren sie ein komisches, enges Gefühl im Bauch. Sie haben zugesagt, aber irgendetwas fühlt sich seltsam an. Meist schieben wir solche Wahrnehmungen schnell weg, aber würden wir dieses Bauchgefühl näher erforschen, könnten wir sehr viel über uns selbst in Bezug auf diese Einladung erfahren. Zum Beispiel, wie wir uns wirklich mit den eingeladenen Gästen fühlen und wie es uns in größeren Gesellschaften geht. In der Therapie könnten wir dieses Gefühl als Einstieg nehmen, um uns der inneren Wahrheit des Klienten zu nähern. Was weiß der Bauch/Körper, was der Kopf nicht weiß bzw. nicht wissen will?

Wie wir uns bewegen, sprechen, uns äußern, ist auch nach außen Spiegel unseres verkörperten Selbst. So lassen sich Hakomi-Therapeuten nicht nur von den Geschichten, sondern auch vom Geschichtenerzähler als Ganzes anwehen. Dazu hilft eine der Grundtechniken von Hakomi: das „Tracken“ (Spuren lesen). So kann der Therapeut winzige Veränderungen in der Mimik, Stimmlage, Atmung und Gestik des Klienten wahrnehmen und diese in „Kontakt bringen“, also darauf aufmerksam machen. Zum Beispiel erzählt der Klient, was ihm letzte Woche passiert ist. Dabei sieht der Therapeut, wie kurz eine traurige Ratlosigkeit im Gesicht des Klienten zu sehen ist, und „kontaktet“: „Das macht dich irgendwie ratlos, oder?“ Daraufhin der Klient: „Ja, ich versteh das einfach nicht…“ und so kann man mit dem Klienten wieder in der gegenwärtigen Erfahrung landen und weiter erforschen, welcher Art diese traurige Ratlosigkeit ist und was dahinter steht. Dieser Weg wird von Achtsamkeit begleitet.

 

Von außen nach innen

Was heißt das? Wir sind normalerweise im  „Alltagsbewusstsein“, in dem wir oft schnell sein und ebenso schnell reagieren müssen. Dabei ist unser Fokus nach außen gerichtet. Einer der wichtigsten Grundpfeiler der Hakomi-Therapie ist der Zustand der „inneren Achtsamkeit“. Dieser ist ein Bewusstseinszustand, der das „Licht“ der Aufmerksamkeit von „außen“ nach „innen“ zu sich selbst verlagert. Wir können ihn nur einnehmen, wenn wir uns in einer Situation sicher genug fühlen. Das Besondere: Hier ist alles verlangsamt und es können Gedanken, Körperempfindungen und Gefühle auftauchen, die wir vorher gar nicht wahrgenommen haben. Die Haltung der „inneren Achtsamkeit“ stammt ursprünglich aus dem Buddhismus, und Ron Kurtz hat schon in den 70er Jahren ihre Bedeutung für die Therapie erkannt.

Wir können in diesem Bewusstseinszustand quasi einen „inneren Beobachter“ an unserer Seite haben, der freundlich und nicht wertend registriert, was jetzt gerade geschieht. Die Therapie findet im gegenwärtigen Moment, in der aktuellen Erfahrung statt (erfahrungsorientiert). Wir gehen zusammen mit unserem Therapeuten auf Forschungsreise und bekommen mit, was uns aus der Tiefe heraus bewegt und welche Grundanschauungen wir über uns und über die Welt gebildet haben. Das gibt uns in der Folge oft ein neues Verständnis, ja Mitgefühl, für uns selbst. An diesen Stellen kann auch das „innere Kind“ auftauchen und es kann klar werden, was dem Kind damals gefehlt hat. Hier können dem Klienten neue Erfahrungen ermöglicht werden, die das Kind gebraucht hätte („missing experience“). So können alte Wunden heilen. Infolgedessen hat der Mensch in Zukunft die Chance, auf diese neuen Erfahrungen zurückzugreifen, und bekommt neue Wahlmöglichkeiten und  Handlungsoptionen.


Abb: © Dagmar Richardt – Fotolia.com

www.astrid-peacock-hakomi.de
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