Die guten und die schlechten Zeiten – Regression in der Rezession?

Wir bewegen uns in Zeiten großer Umbrüche. Das Massenbewusstsein des Planeten wird geschüttelt und auf die Probe gestellt. In Zeiten einer Finanzkrise, einer globalen Erwärmung, einer starken Umweltbelastung sieht sich das Bewusstsein einer großen Herausforderung gegenüber. Krisen können bekanntlich große Chancen zu einer nachhaltigen Veränderung sein, gleichsam aber auch Auslöser einer Regression im Bewusstseinsschwerpunkt eines Kollektivs. Beide Möglichkeiten stehen uns offen.

Eine nachhaltige spirituelle Praxis verhilft uns sowohl in den sonnigen wie auch in den stürmischen Zeiten zu einer stabilen Präsenz in unserem Erleben. Eine Praxis, die uns durch die angenehmen wie auch die unangenehmen Erfahrungen begleitet und eine tiefere Angebundenheit schafft, aus der auch eine stabile, wache Kultur entsteht.

In Zeiten von Krisen tendieren wir dazu, uns auf vorangegangene Bewusstseinsebenen zurückzuziehen: wir regredieren. Von einer freien Marktwirtschaft kehren wir zurück zu einer Ebene, auf der wir mehr Regeln, Gesetze und Regulierungen brauchen, da wir es offensichtlich in der Freiheit nicht geschafft haben, die Gier nach mehr, vor allem mehr Geld, bewusst zu transzendieren. Somit wird die Krise im besten Fall mehr Regulierung bringen. Wenn wir jedoch weiter in die Regression verfallen, kann es womöglich zu Revolten, Auseinandersetzungen, stark auf Überleben ausgerichtetem Verhalten mit Gewalttaten usw. kommen.

Unsere Verantwortung als erwachende Spezies jedoch ist es, selbst während einer Krise im Außen ein Leben zu führen, dass diese Regression durch Wachheit, Präsenz und Mitgefühl, sprich durch eine starke spirituelle Praxis, verhindert. Dies kann über den Niedergang oder das Bestehen einer Zivilisation bestimmen. Denn nimmt die äußere Krise zu, wird häufig die existenzielle Bedrohung so groß, dass wir beginnen, aus dieser Angst heraus zu handeln, zu reagieren. Dies wird sich in unserem Zusammenleben auswirken. Somit nehmen wir die Krise nicht mehr als Herausforderung des Lebens nach einer kreativen Veränderung, sondern gehen in eine destruktive Form des Miteinanders.

 

Überleben statt Philosophie und Spiritualität

Auf jeder Stufe der Entwicklung sehen wir die Welt durch die Werte und Interpretationen dieser Stufe. Wir können sagen, wir leben in einer Welt, die durch unsere Evolutionsstufe geprägt ist. In Zeiten, in denen die Existenz gesichert ist, können wir uns leichter der Philosophie und der spirituellen Entfaltung hingeben, da wir dafür mehr Raum in unserem Leben haben. Sind wir jedoch von unserem Überleben getrieben, wird dafür nicht viel Zeit sein. Sinken viele Menschen in reaktive Verhaltensmuster, dann schaffen wir damit auch eine Kultur, die dies widerspiegelt. Die Schattenanteile unseres Selbst werden verstärkt auf der Lebensbühne erscheinen und es kann sogar passieren, dass Menschen, wie dies z. B. im Dritten Reich der Fall war, diese unbewussten, kollektiven Strömungen dazu benutzen, große Gruppen von Menschen über Angst und Sorge zu synchronisieren und somit eine Basis für ungesunde Massenbewegungen schaffen. Menschen in Angst sind immer leichter zu manipulieren.

 

Der Bewusstseinsschwerpunkt

Wellen Wind und LichtDas bewusste Erleben, in dem wir den größten Teil unseres Alltags erfahren, ist der Bewusstseins-schwerpunkt. Die Ebene, die wir im täglichen Leben konstant halten können. Sie bestimmt, wie wir die Welt sehen, sie interpretieren und Entscheidungen treffen, sprechen und handeln. Kommen viele Menschen zusammen, entsteht zwischen und unter ihnen ein gemeinsamer Raum: Wir sprechen von Kultur. Diese Kultur ist eine Reflexion all der Bewusstseinsentwicklungen und Interpretationsebenen, aus denen sie besteht. Sie wird die Werte annehmen, die alle Beteiligten gemäß ihres Schwerpunkts im Bewusstsein halten können und auf die sie sich somit einigen. Das ist der Massenschwerpunkt: die Ebenen der Evolution, die wir gemeinsam als intersubjektives Erleben konstant halten können. Unsere Kultur ist somit ein Produkt des Bewusstseins aller Beteiligten. Sie bestimmt die Werte, die wir als Menschheit in die Welt bringen, an die wir glauben und die wir auch verteidigen.

Gerade in Zeiten der Krise brauchen wir eine spirituelle Praxis, die uns hilft, diese Regression im Bewusstsein abzufedern und eine präsente Lebensweise sowie gleichzeitig auch eine Transzendenz des Überlebenstriebs zu fördern. Unsere dadurch verstärkte innere Angebundenheit und Intuition wird uns durch Krisenzeiten führen und uns erlauben, Entscheidungen nicht aus Angst, sondern aus der Integrität unseres Selbst heraus zu treffen. Gott wird nicht vergessen, wenn der Lärm der Welt lauter wird. Wir bleiben immer noch verbunden, treffen immer noch Entscheidungen aus unserem Kern heraus.

Ich will eine spirituelle Praxis beleuchten, die diese integrierte Form von Wachheit und Präsenz in uns stärkt und uns somit zu Kraftzentren im Netz des Lebens werden lässt. Denn in Krisenzeiten brauchen wir Menschen, die nicht in die Identifikation ihres Egos fallen, sondern auch in Zeiten des Stresses wach und im Kontakt bleiben. Befinden sich genügend Menschen in einem derartigen Bewusstseinszustand, so können diese eine enorme Stabilisierung in dem kollektiven Feld darstellen. Dies führt dazu, dass wachere Entscheidungen getroffen werden, dass wir einen mitfühlenden Respekt für unsere Mitmenschen aufrechterhalten können, dass wir immer noch, über unseren eigenen Lebensradius hinaus, das Ganze im Blick haben. Regression hat immer mit einer Verengung des bewussten Lebensradius zu tun. Wie reagieren Tiere, wenn sie existenziell bedroht werden? Mit Flucht, Angriff oder Erstarrung. Diese Reaktionen geschehen primär auch in uns Menschen. Leben wir in Wachheit und Präsenz, dann können wir diese Reaktionsweisen transzendieren und von einer übergeordneten Ebene aus handeln. Wir stabilisieren damit den kollektiven Schwerpunkt des Bewusstseins. Dies ist essentiell notwendig, wenn wir mit der Wirtschaftskrise kreativ umgehen wollen. Gleichsam werden wir unseren Überlebenstrieb mehr transzendieren.

Wie sieht eine derartige Praxis aus, die uns auf dem „Marktplatz des Lebens“ mit den Wogen des Lebens mitgehen, die Dynamiken des Gesamten erfassen lässt und eine Ausdehnung unseres eigenen authentischen Potenzials erlaubt; eine Praxis, die gleichsam präsent ist mit all den Regungen, die in uns entfacht werden?

 

Spirituelle Praxis: Präsent sein auch in Krisenmomenten

Die Grundvorrausetzung dafür ist, unser Leben zu einer spirituellen Praxis zu machen. Wenn wir eine Spiritualität leben wollen, die nicht mehr darauf ausgerichtet ist, ein angenehmes Leben zu führen, sondern die Herausforderung eines wachen Lebens annimmt, dann werden wir uns auch in den unangenehmen Lebenssituationen immer noch verbunden und präsent im Augenblick erleben und gleichzeitig eine Handlungsfreiheit haben, die nicht aus unserem konditionierten Verstand heraus entsteht. Gerade in Krisenmomenten ist die Gefahr groß, dass wir in alte konditionierte Verhaltensmuster zurückfallen, da der dann entstehende Stress uns wieder reagieren lässt.

Wir handeln nicht mehr aus dem bewussten Raum unserer Präsenz und Verbundenheit mit dem Leben heraus, sondern beginnen, alte, gewohnte Programme ablaufen zu lassen und motiviert von den Jahrtausenden von Menschheitsgeschichte zu handeln. Dies führt z. B. dazu, dass wir in existenzieller Not Dinge tun, die nicht aus unserer Intuition heraus kommen, sondern aus der Tatsache, dass die Vergangenheit gerade unseren Augenblick einfärbt und uns damit nicht erlaubt, diesen Moment so zu sehen wie er ist. Diese Verzerrung lässt uns vielleicht Entscheidungen treffen, die unserem Potenzial nicht entsprechen. Wir handeln nicht mehr aus der Weisheit in uns, aus der Gottesanbindung, aus dem überbewussten Impuls, sondern aus der Vergangenheit heraus. Dies wird oftmals als Limitierung und Verkleinerung des eigenen Lebensradius erfahren.

Wir wollen eine spirituelle Praxis leben, die jeden Augenblick in unser Leben Einzug erhält. Eine innere Ausrichtung auf das Erwachen, welches sich in jedem Schritt, in jeder Handlung und jedem Wort widerspiegelt. Hierfür müssen wir zunächst Gott – das Eine, die Essenz, das Tao, die Leere – zu unserer ersten Priorität machen. Alles andere in unserem Leben wird hieraus folgen. Dies geht meistens so einigermaßen gut, wenn der Ozean ruhig ist und die Sonne scheint. Doch wenn der Sturm tobt und das Leben in den äußeren Umständen schwierig erscheint, dann findet oft eine Regression in unserem konditionierten Verstand statt. Hier handeln wir, wie es uns Jahrtausende von Menschheitsgeschichte in die Wiege gelegt haben. Diese kosmische Gewohnheit zu transzendieren verlangt ein hohes Maß an Ausrichtung. Erst wenn wir Gott zu unserer Priorität machen, werden wir durch die Sucht dieser langen Linie von Evolution hindurchblicken und neue Möglichkeiten des Lebens am Horizont desselben erkennen können. Wir transzendieren damit eine Version der Weltsicht und erblicken in einer neuen Freiheit ein neues Morgen.

Reagieren hat somit eine unbewusste Handlung zur Folge, die nicht aus unserem authentischen Impuls entsteht, sondern aus einem geronnen Konstrukt in unserem Verstand, sprich in der geronnen Geschichte unseres Selbst motiviert ist.

Eine authentische Antwort auf das Leben entsteht, wenn genug Raum und Wachheit in der Situation vorhanden ist, dass wir unsere konditionierten Muster zwar sehen, jedoch nicht aus ihnen heraus handeln. Wir erleben damit eine Klärung unserer Wirklichkeit und das Gefühl, immer mehr in unserer wahren Essenz anzukommen. Wir richten uns am Schöpferischen Impuls des Lebens aus. Ich würde sagen, der Wille des Großen Ganzen wird immer mehr zu unserem Willen. Wir übernehmen ganz die Verantwortung für alle Regungen, die in uns stattfinden, und gleichzeitig handeln wir aus der inneren Inspiration heraus. Diese ist immer ein Ausdruck des Ganzen und trägt somit zu dem Erwachen bei.

 

Die krisensichere Praxis

Um ein waches Leben zu manifestieren, benötigen viele Menschen eine konstante Praxis:

 

Emotionale Reife

Oftmals sind es die emotionalen Wellen in unserem Körper-Geist-System (Bodymind), die uns unpräsent werden lassen. Wir identifizieren uns mit den zu diversen Situationen auftauchenden Gefühlen, verlassen damit oft den gemeinsamen Beziehungsraum mit anderen und kontrahieren in uns selbst. Diese so genannte Ego-Kontraktion ist die Grundlage für die Trennung, die wir zwischen uns erfahren. Bleiben wir jedoch präsent in dem Raum zwischen uns, gehen wir nicht mit unseren Emotionen schlafen, sondern erleben sie vollständig und auch gleichzeitig noch wach mit der Wirklichkeit um uns verbunden, dann werden wir unser Gefühlsleben integrieren und transzendieren. Dies ist eine wichtige Praxis auf dem Weg ins Jetzt. Denn je klarer wir werden, desto freier werden wir die Welt sehen, wie sie wirklich ist.

Die Praxis, die wir dazu machen können, werde ich anhand der Wirtschaftskrise und der daraus folgenden existenziellen Bedrohung zeigen. Wenn die Arbeitsplätze gefährdet oder sogar verloren sind, dann werden in unserem Gefühlserleben möglicherweise viele Ängste in Bezug auf unser Überleben hervorgerufen. Wir können nun beginnen, in diesen Ängsten unbewusst zu reagieren, in Panik zu verfallen und Handlungen zu verrichten, die uns noch weiter verstricken, oder wir lernen, mit all den Regungen in uns wach, präsent und vor allem mit unserer Umgebung verbunden zu bleiben.

Wenn diese Ängste hochkommen, bleiben wir mit unserem Körper bewusst verbunden, spüren die Angst und gleichzeitig unsere Umgebung und/oder den Menschen, mit dem wir gerade im Kontakt sind. Dies wird uns lehren in Kontakt zu bleiben, ganz gleich welche Gefühlswellen auch immer in uns vor sich gehen. Wir verlassen den gemeinsamen Beziehungsraum nicht, dieser ist heilig. Verstehen wir dies, so werden wir Zugang bekommen zu einer neuen Stufe der Evolution im menschlichen Erleben. Der Raum zwischen allem, das Feld, in dem wir stattfinden, ist heilig. Ehren wir diesen Raum, so werden wir eine neue Perspektive des Erlebens erkennen.

Dies ist eine Achtsamkeitspraxis, die uns langsam unsere Brillen, durch die wir die Welt wahrnehmen, transzendieren lässt. Es ist auch gleichzeitig die Grundlage einer reifen, erwachsenen Kultur.

 

Ganztägige Meditation

Wir ehren das weibliche Prinzip (Liebe und Verbundenheit) und das männliche Prinzip (Präsenz und Achtsamkeit) des Lebens, indem wir im vollen Bewusstsein des Augenblicks beispielsweise auf der Straße gehen und so die gesamte Umgebung gefühlt miterleben. Das Bewusstseinsfeld Straße trägt so viel Information in sich, die wir nur erkennen, wenn wir uns darauf einlassen. So viel mehr an Information ist vorhanden, doch der Filter unseres Selbst lässt einen Großteil davon hinter unseren überlebenswichtigen Fragen verschwinden. Doch die Information ist immer da. Wollen wir Zugang dazu bekommen, müssen wir das Selbst transzendenter werden lassen, damit mehr Freiheit für das Ganze entsteht.

Eingefühlt auf der Straße zu gehen, wird uns im Jetzt mehr verankern und gleichzeitig den Reichtum und die Schönheit des Augenblicks wahrnehmen lassen.

Wir erkennen damit den kollektiven Empfindungskörper der Menschen als Spezies. Genauso wie wir als Individuen leben, existieren wir auch in einem gemeinsamen Bewusstseinsfeld, an dem wir alle mitweben. Wir haben individuelle und kollektive Empfindungen. Ein heiteres Interesse am Augenblick (Präsenz) schafft einen Geisteszustand, in dem wir nicht gleich wieder in verschiedene Gedankenketten absinken, sondern wach im Augenblick verweilen. Wir wissen, dass wir immer, wenn wir wirklich interessiert sind, viel weniger nachdenken und aufmerksamer bei dem sind, was geschieht. Heiter deswegen, weil wir den Kontakt zum Jetzt verlieren, wenn wir zu verkrampft an die Sache herangehen.

 

Soziale Kompetenz

Immer häufiger tritt inzwischen die Bezeichnung „sozialer Entrepreneur“ in der Gesellschaft auf. Auch soziale Verantwortung in Betrieben ist ein Schlagwort, das wir öfter hören. Selbst in der Ich-orientierten Businesswelt gibt es zunehmend Bestrebungen, neue Wege einzuschlagen.

Ein Betrieb kann nur gesund und nachhaltig sein, wenn er sich dem Dienst an dem Ganzen verschreibt; wenn es eine Bewusstheit des ganzen Systems gibt, in dem dieses Unternehmen stattfindet. Wir weiten unsere Aufmerksamkeit auf die umliegenden Strukturen aus, die wir als Teil unseres Selbst erkennen. Stellen wir uns vor, dass viele Betriebe diese Form von expandierter Bewusstheit haben, wird der intersubjektive Raum immer mehr mit Achtsamkeit, Präsenz und Mitgefühl gefüllt. Dies ist die Grundlage einer neuen Evolutionsstufe.

Wir brauchen in der heutigen Zeit ein Umdenken, eine Erkenntnis einer neuen Wir-Erfahrung, die nicht mehr nur die Ansammlung vieler Ichs darstellt. Durch die Pflege einer wachen Kultur gehen wir in eine neue Emergenz von Gesellschaft. Das heißt, wir erreichen damit eine Entwicklungsstufe mit einer ganz neuen Qualität. Diese Kultur stützt sich nicht mehr auf die Ich-Ausbildung, wie wir sie kennen. Sie bezieht sie mit ein, es entsteht jedoch eine neue Perspektive. Eine neue Wir-Gesellschaft lässt uns ein höheres Maß an Intelligenz ausdrücken und somit werden wir gemeinsam neue Möglichkeiten des Zusammenlebens erkennen: eine neue Basis für unser Leben und Überleben als Spezies.

 

Nachhaltigkeit

Ein Schlagwort, das schon viele Jahre in der Wirtschaft und Umweltwissenschaft geläufig ist: Nachhaltigkeit. Doch wir wollen diesen Begriff auch unter dem Bewusstseinsaspekt beleuchten. Unsere Aufmerksamkeit muss sich über unseren individuellen Ich-Rahmen ausdehnen, um ein nachhaltiges Leben zu schaffen. Im Christentum wird es Nächstenliebe genannt. Erwachen wir zunehmend aus dem Ich-Gefühl, erkennen wir unsere Verantwortung nicht nur für uns Selbst als Ich, sondern auch für den erweiterten Rahmen, den wir auf der nächsten Stufe von Bewusstheit haben. Diese Verantwortlichkeit mit dem größeren Radius lässt uns gemeinsam Strukturen schaffen, die dies reflektieren.

Unsere Wirtschaft kann im Rahmen einer großen Krise in eine neue Stufe von Verantwortlichkeit gehen und eine wunderbare Grundlage einer neuen Gesellschaftsausformung sein. Doch das bedeutet, dass wir als Kollektiv einen Schritt in unserer Evolution machen müssen. Die ursprünglichen Werte der Marktwirtschaft, wie wir sie kennen, sind veraltet und funktionieren offensichtlich nicht mit den Blickpunkten, von denen aus wir sie erlebt haben. Zuviel Ich-Orientierung und Gier stehen dieser Freiheit im Wege.

Wir haben entweder die Chance, auf vorhergehende Bewusstseinsstufen zu regredieren, um diese in einem neuen Zyklus der Spirale zu integrieren. Dabei werden wir als Masse in schwierigere Zeiten schlittern, die uns wieder mit erheblichen existenziellen Themen konfrontieren, wie dies ja bereits in anderen Krisensituationen der Fall war. Gleichsam können wir durch Bewusstheit unintegrierte Anteile und den evolutionären Entwicklungsimpuls erkennen und uns freiwillig in die neue Emergenz des Lebens entwickeln.

 

Die innere Ausrichtung

Wir finden zwei wesentliche innere Ausrichtungen: Menschen leben entweder „bottom up“, sprich aus der Vergangenheit heraus motiviert, und schauen in die Zukunft. Hier werden uns hauptsächlich die äußeren Umstände des Lebens und die dadurch in uns entstehende Spannung dazu treiben, uns weiterzuentwickeln. Wenn der evolutionäre Impuls des Lebens gegen das geronnene Konstrukt unseres Selbst prallt und somit die Innovation in der Gewohnheit hängen bleibt, entsteht in unseren Körpern Spannung. Diese wird oft zum treibenden Motor unserer Entwicklung. Ab einem gewissen Grad von Erwachen kommen (leben) wir aus der Zukunft, „top down“, sprich unsere innere Motivation ist von Gott inspiriert und wird uns zur Ausformung neuer, zeitgemäßer Strukturen führen. Der kreative, evolutionäre Impuls wird direkt zu der treibenden Kraft unserer Entwicklung. Die innere Anbindung ist stärker als der Lärm der Welt. Wir wollen in den Zeiten äußerer Turbulenzen das innere Angebundensein pflegen und somit zu einem neuen Impuls auf der Erde werden. Dies ist die Herausforderung aller HeldInnen des Bewussteins.

 

Integration statt Regression

Somit können wir sagen, dass eine integrierte, krisensichere spirituelle Praxis darin besteht, sowohl den inneren als auch den äußeren Bereich zu klären: die Kontemplation und Integration der zu Krisenzeiten auftauchenden inneren Wellen mit Präsenz und Achtsamkeit zu füllen und gleichzeitig unsere soziale Intelligenz, unser Mitgefühl und unsere Nächstenliebe zu praktizieren, da wir in diesen Zeiten vermehrt auch auf Menschen treffen, die in ihren Ängsten und auch in der Regression verstrickt sind. Beides ist notwendig, um einen offenen Beziehungsraum zu halten. Dies ist die Grundlage einer reifen sozialen Intelligenz. Unsere emotionale Reife wird hier auf die Probe gestellt. Wir können einfach nicht mehr mit all den emotionalen Wellen in unserem Selbstgefühl verschwinden, ohne wach für den Augenblick zu bleiben. Diese Ich-Kontraktion ist verantwortlich für viele Situationen, die wir immer wieder zyklisch in der Geschichte der Menschheit gesehen haben.

Eine nachhaltige spirituelle Praxis kann ein stabilisierender Faktor in der Ausbildung einer neuen Bewusstseinsstruktur in der Welt sein. Diese kann uns ein neues Zuhause geben. Verstehen wir die Co-Kreation des Lebens, unser gemeinsames Teilhaben an einem Kontakt, an einer Beziehung, dann werden wir auch die Dynamiken, die wir als Gesellschaft bilden, gut verstehen können. Wir wollen erkennen, wo sich in all dem Chaos der evolutionäre Impuls ausdehnen möchte. Damit können wir die Chance im Sturm wahrnehmen und mit einer neuen Welle gehen.

 

Bilder

Bild 1: thomashuebl.com
Bild 2: „Wellen wind und Licht_2 © 2009 stormpic / aboutpixel.de
Bild 3: „Zen“ Bruno / aboutpixel.de

Über den Autor

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ist ein zeitgemäßer spiritueller Lehrer, Begründer der Academy of Inner Science und Initiator des Celebrate Life Festivals, eines jährlich stattfindenden Non-Profit-Events in Norddeutschland. In seiner Arbeit verbindet sich die Essenz der großen Weisheitstraditionen mit heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Er hat die besondere Gabe, Menschen präzise zu erkennen und das ihm offenbarte Wissen ganz praktisch ­anwendbar rüberzubringen. So führt er Menschen mit außergewöhnlichem Gespür in tiefere Dimensionen ihrer Präsenz und in die Eigenverantwortung. Thomas Hübl lebt in Tel Aviv und Berlin.

Mehr Infos

Vom 28. Juli bis 06. August 2017 findet das 14. Celebrate Life Festival zum Thema Trauma auf dem Seminarhof Oberlethe statt. Die vor 13 Jahren entstandene Non-Profit-Veranstaltung hat inzwischen eine beachtliche internationale Strahlkraft entwickelt, die Menschen aus der ganzen Welt begeistert und inspiriert. 2016 haben über 1300 Teilnehmer aus 26 Nationen die einzigartige Energie dieses Festivals miterlebt. Alle Infos zu Programm, Unterkunft, Verpflegung u.a. auf https://celebrate-life.info/2017

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