Tagebuch einer Teambildung

Im Experiment „Dream Camp“ gingen 24 Frauen und Männer  auf Visionssuche –  ein Future Tribe wird gebildet

 

Die Szenerie, der Ort – Gedanken von Christoph Santer:

Die Trommeln stehen, die Tipis werden aufgebaut, und unser Bildhauer gibt seinen drei Meter hohen Skulpturen den letzten Schliff. Ein Jahr lang arbeiten wir nun an diesem Projekt. Jetzt wird es konkret. Wir alle, die wir uns bisher für das Dream Camp eingesetzt haben, träumen es aus der Zukunft in die Gegenwart. „Zukunft ist die ungeborene Zeit“, sagen die Chumash-Indianer hier. Die Geburt des Camps steht also unmittelbar bevor. Heute kommen die Trainer. Drei Mal haben sie sich bereits in Deutschland getroffen, um das Programm abzustimmen. Sie wissen genau, was sie wollen. Und sie sind sich der Verantwortung bewußt, die sie als Dream-Guides haben.

Gestern Abend kam Frank Dominguez zu uns, ein junger Chumash-Indianer. Wir saßen mit ihm im Kreis. Im Kamin brannte das Feuer. Er ist gerade zu Fuß auf dem traditionellen indianischen „Sovereignty-Walk“ unterwegs, von San Diego nach Sacramento, mehr als 400 Meilen. „Alles beginnt mit einem Kreis“ sagte er, „und wenn ihr mit einem starken und reinen Herzen hier seid, dann werden mehr und mehr und mehr Menschen kommen, um Teil eures Kreises zu werden.“
Ich hatte zwar die Idee zu diesem Dream Camp. Trotzdem fühle ich, daß nicht ich die Idee habe, sondern daß sie mich gefunden hat. Alle, die daran mitarbeiten, sind die Akteure, durch die sich diese Idee ihren Weg in die Wirklichkeit bahnt.
Zufällig las ich gestern Abend einen Satz von Mourning Dove (1888-1936) vom Stamm der Salish: „Alles auf der Erde hat einen Sinn (purpose), und jede Krankheit hat eine Pflanze, um heilen zu können. Und jeder Mensch hat eine Aufgabe (mission).“
Wake up to your mission! Wake up to your dream!  
Auf ins Dream Camp! Über Grönland, in 10.000 m Höhe, auf dem Flug von Frankfurt nach Los Angeles, überkommt uns erstmals so etwas wie eine Vorahnung, was da in den nächsten sieben Tagen auf uns zukommen könnte. Wir sind auf Schönheit und Aussergewöhnliches eingestimmt.

24 kreative Menschen aus den unterschiedlichsten beruflichen Bereichen haben sich ein herausforderndes Ziel gesetzt: Zusammen wollen sie Zukunft „erträumen“, in einem „Dream Camp“ am Zaca Lake in Südkalifornien – neue Konzepte für das neue Jahrtausend entwickeln, die Welt von morgen ausmalen. Aus den tiefsten Seelenschichten der Zivilisationsmenschen sollen indianische Trainer und erfahrene Seminarleiter das Schöpferische herauskitzeln.
I mmer mehr Unternehmen nutzen die alten indianischen Traditionen, um Mitarbeiter zu gemeinschaftlichem Handeln anzuregen und unproduktive Rivalitäten aufzulösen. So halten indianische Rituale Einzug in das moderne Management, das neue Wege zur Gewinnmaximierung sucht, auch wenn sie auf den ersten Blick außergewöhnlich erscheinen.

Der Zaca Lake scheint der richtige Ort für die neue Gewinner-Strategie zu sein. Rund drei Stunden nördlich von Los Angeles – versteckt zwischen  grünen Bergen – liegt dieser heilige Ort der Chumash Indianer. Natur pur. Wo, wenn nicht hier,   könnten wir eingefahrene Gleise verlassen?
Doch noch sind wir mit unseren Alltagsproblemen beschäftigt, die uns nicht so leicht loslassen wollen. In den elf Stunden über dem Atlantik vermischen sich alte Zweifel mit neuen Hoffnungen.
Irgendwie scheinen alle zu ahnen, daß es jetzt daran geht, die Masken abzulegen und sich in seiner vollen Persönlichkeit zu zeigen.

„Nur wenn wir unsere Blockaden lösen, kommen wir an neues Wissen, an unsere Intuition heran“, sagt die Performance-Künstlerin aus Berlin. „Es sind“, schreibt sie in ihr Tagebuch, „diese materiellen Schwierigkeiten des Alltags , die uns  vereinnahmen und das Träumen verhindern“.
Doch schon zwei Stunden nach der Landung in Los Angeles lassen die ersten los und geben sich in der Abendsonne den Wellen des Pazifiks hin. Plötzlich ist die bleierne Müdigkeit wie weggeblasen… Wir spüren unsere Körper wieder, das Wasser, das Salz, den Sand; riechen den Ozean.

Begrüßungszeremonie an heiliger Stätte  

Es ist Mitternacht: Absolute Stille ist angesagt, als wir das alte Territorium des Chumash- Volkes betreten. Wir sollen in unsere eigene Kraft kommen, wird uns gesagt. Konzentrieren, bei sich   bleiben ist das Motto. Der Himmel ist übersät von Sternen, es riecht nach Salbei, nach dem Feuer, das zwischen vier Tipis lodert und uns erwartet.
Der Ältestenrat der Chumash hat Frank geschickt, den jungen Krieger, der jeden einzelnen von uns mit Salbeischwaden reinigt. Noch nie habe er mit Fremden ein solches Ritual gemacht, erzählt er. Wir stehen im Kreis ums Feuer, im sogenannten „Medizinrad“. Zwei Halbblutindianer, Wind Eagle und Rainbow Hawk, weisen uns ein. Nur nicht den heiligen Kreis betreten…
Die Botschaft ist eindeutig: Wir sollen die heilige Erde der Chumash ehren, kein Lebewesen töten, mit Mutter Natur im Gleichklang gehen und nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen  sprechen. Dann würden wir Zugang zu unserer inneren Stimme und damit zu unseren Visionen finden…Die Natur springt uns mit einer Gewalt an, auf die wir nicht vorbereitet sind. Wir bitten um Visionen, Hilfe für die Familie. Im Kopf dreht sich alles. Irgend-etwas im Innersten scheint aufzubrechen.

Um sieben Uhr früh stehen wir alle wieder um das Feuer. „Wir wollen die Sonne begrüßen“, sagt Frank, „sie mit dem Feuer im Kreis und dem Feuer in unseren Herzen verbinden.“
Doch bevor der Glutball über den grünen Hügeln im Osten aufgeht, läßt uns der Chumash eine geschlagene Stunde im Kreis stehen. Zeit für Gedanken und Gefühle. Wir alle hören, riechen und spüren die Natur so intensiv wie nie. Sie kribbelt auf der Haut, wir sind ein Teil von ihr.
„Eine Stunde stehen – mir blieb gar nichts anderes übrig, als auf die Vögel zu lauschen“, lacht ein Teilnehmer. Freude über die schlichten Dinge.
Beim Freundschaftstanz sehen sich alle tief in die Augen, umarmen sich. Fassaden fangen an zu bröckeln. Wir drehen uns neunmal im Uhrzeigersinn im Kreis, das soll gegen die Zeitverschiebung helfen. Auch Piloten wenden diese Technik an: Jede Umdrehung eine Stunde.

Erdtag: Spielen mit dem Globus

„Nutzt die Chance“, sagt Rose Ferrington, „und werdet wieder zu Kindern.“ Rose ist Trainerin und Erfinderin des „New Games Movement“. Zusammenarbeit und Gruppenbildung – das sollen die Dream-Camp-Mitglieder am Ufer des Zaca Lake in ihren Spielen lernen. So lassen sie eine   große Plastik-Weltkugel über ein von ihnen aufgespanntes Tuch rollen, helfen sich untereinander beim Balancieren auf dem Globus und entwickeln den Ehrgeiz, innerhalb kürzester Zeit möglichst viele Mitspieler zu umarmen.

Der erste Tag im Camp ist der „Erdtag“. Ankommen, den Ort in Besitz nehmen, ein Zusammengehörigkeitsgefühl aufbauen. „Es geht darum, daß sich die Menschen näher kommen“, sagt Rose. Das Motto ihrer Spiele: „Jeder gewinnt – auch die Erde“.
Am Erdtag bestimmt jeder, wo er stehen will. Im Westen, wo es um die Kraft des Körpers geht, die Verbindung zur Erde? Im Norden, wo der Intellekt zu Hause ist? Im Süden, wo die Gefühle, der Tanz, die Musik leben oder im Osten, wo das Feuer lodert, wo die Kraft der Liebe und wo der Geist wohnen? Im Medizinrad sucht jeder der 24 Camp-Teilnehmer sein Element, seinen Platz. Daraus ergeben sich vier Gruppen zu je sechs Mitgliedern. Auf der Suche nach dem Gruppengefühl…

Und alle suchen irgendwo draußen in der Wildnis einen Kraftstein. Er soll den Traum symbolisieren, den jeder realisieren will. „Signalisiert klar eure Absicht“, fordert Rainbow Hawk, der alte, weise Halbindianer uns auf, bevor wir konzentriert den Stein im Medizinrad über den Kopf heben und dann an dem von uns ausgewählten Ort niederlegen. Der Blick ist ins Feuer gerichtet, die Ohren nehmen Trommeln wahr. Einige tanzen, andere sind ganz still. Später erzählen Rainbow Hawk und seine Frau Wind Eagle am Feuer eine Geschichte. Von zerstrittenen Menschen, die einen Ausweg aus dem Chaos suchen und sich ihre Lebensgeschichten solange erzählen, bis langsam Magie den allgemeinen Frust ablöst. Sie nehmen plötzlich wahr, daß sie alle eins sind.

Wir blicken anschließend stundenlang ins Feuer, viele verbringen die Nacht am Medizinrad.  
Tag der Gefühle: Beziehung und Körperbemalung  

„Der Faktor Angst“, sagt der Camp- Leiter zu Beginn des zweiten Tages, „kostet die deutschen   Firmen 100 Milliarden Mark pro Jahr.“ Die Angst der Firmenmitarbeiter, Gefühle zu zeigen, Angst, den Job zu verlieren, Angst, nicht anerkannt und geliebt zu werden. Angst löst Neid und Mobbing aus. Wir sollten lernen, miteinander sorgsam umzugehen, sagt der Zukunftstrainer, um die emotionalen Probleme in den Betrieben zu beenden. Die Produktivität würde spürbar ansteigen.
Heute ist der Gefühlstag. Um etwas zu schaffen und Kreativität freizusetzen, heißt es, Emotion und Intellekt zusammenzuführen.
Heute gilt es, den anderen persönlich zu sehen und die Seelen einander näherzubringen. Erstmals ist Widerstand in der Gruppe spürbar, als Managementtrainer John Bellicchi die Teilnehmer auffordert, vor der Gruppe eine Lebenssituation zu schildern, in der sie sich „sicher, lebendig und zentriert“ erlebt haben. Manche scheuen diese Aufgabe, doch schließlich haben fast alle den Mut, sich zu zeigen.

„Je mehr ihr mit den anderen teilt“, sagt Bellicchi, „desto besser werdet ihr euch in der Gruppe fühlen“. Ein Manager aus der Gruppe be-schreibt seine Gefühle bei der schweren seelischen Öffnung: „Weißt Du, wie schwer es ist, in lebende Spiegel zu schauen? Wenn Dich 24 Augenpaare anschauen und Du in allen Augen einen Aspekt deiner Persönlichkeit erspähen kannst- ob Du willst oder nicht? – Spüre in Dich hinein, was Dich berührt, was dich bewegt. Nimm dieses Gefühl und erfahre es so lebendig wie möglich. Nutze all Deine Sinne und du wirst etwas erleben, das größer, tiefer und gewichtiger ist, als du jemals zu träumen gewagt hast“.  

Um die Gruppe noch weiter zusammenzu-schweißen, hat John Bellicchi noch ein heißes Rezept auf Lager: Körperbemalung. Wir sollen jetzt zu lebendigen Kunstwerken werden. Im Nu finden sich acht Teilnehmer, welche sich als „Leinwände“ zur Verfügung stellen. Vier Frauen, vier Männer. Jeder von ihnen wird von jeweils zwei Künstlern bemalt. Dann stehen alle Acht bemalt nebeneinander. Es sind neue, noch unbekannte Wesen. Zu Trommelmusik drehen sie sich um und schauen in einen Spiegel.
Ein Teilnehmer schreibt in sein Tagebuch:
„Das bin ich?- frage ich erstaunt. Befremdet und dann mit Freude nehme ich meine zweite Haut, mein zweites Ich wahr. Ich entdecke den verwandelten Menschen in mir; auch das bin ich: Möglichkeit, Veränderung, Wandel.“

Luft-Tag: Kreativität und Vertrauen  

„Das Geheimnis heißt“, sagt John Hormann, „in die Stille zu gehen.“ Nur wenn der Kopf leer sei und der unablässige Gedankenfluß gestoppt werde, könnten Visionen hochkommen. John war einst IBM-Spitzenmanager, heute ist er Bewußtseinsforscher. Nach einem Tag des seelischen Zusammenrückens sollen wir im Dream Camp  von dem Innovations-Experten das Handwerkszeug für das Klären unserer Verhaltensmuster und Programme erhalten.
„Körper, Gefühl und Gedanken in Übereinstimmung bringen“ heißt die Devise am „Luft-Tag“, dem Tag des Intellektes. Das erlaube der Intuition, mit uns in Verbindung zu treten. Also nicht mehr   werten, sich nicht als Opfer fühlen, andere Meinungen gelten lassen. Vertrauen haben. Wir üben schon mal: In die Mitte eines Menschenkreises stellen, sich schwindlig drehen und mit geschlossenen Augen in die Arme der anderen fallenlassen. Je mehr wir loslassen, desto schöner ist das Körpergefühl hinterher.
In einer Meditation bedanken wir uns bei unseren Körperzellen für ihre gute „Arbeit“. Alle seien wir Schöpfer, sagt Hormann. Je klarer und intensiver wir unsere Absichten an das Unterbewußtsein abschicken würden, desto schneller würden wir eine Antwort erhalten.

„Dann kommt über Signale von außen“, verspricht Hormann, „die Schubkraft für neue Projekte“. Die einzelnen Camp-Gruppen symbolisieren ihre Absichten in Form von kraftvollen Bildern. Motto: Fort vom linearen, hin zum ganzheitlichen, visionären Denken. Vor allem Firmen sind heute auf Visionen angewiesen.
„Wer heute keine Visionen hat, hat morgen kein Unternehmen mehr“, sagt John. Ein Teilnehmer, Unesco-Mitarbeiter, schreibt ins Tagebuch: „Meine Augen haben sich geöffnet: Tue, was du wirklich willst und wo du dich gut fühlst, denke produktiv. Suche nicht, lasse es geschehen, dann kommen die Projekte zu dir und dann TU ES!
O.k., wir werden es beherzigen“.

Visionssuche in der Wildnis  

Im Dream Camp herrscht Unruhe. Wie in einem Kessel brodeln die Emotionen und schmerzende seelische Probleme kommen an die Oberfläche. Am Zaca Lake ist ein Reinigungsprozeß in Gang gekommen, der das Dream-Camp zu sprengen scheint. Diese Reinigung ist Teil des Prozesses. Bevor wir unsere Träume und Visionen wahrnehmen, bevor wir einen Kanal zu unserer Intuition öffnen können, müssen alte Blockaden aus dem Weg geräumt werden. Erst nach einer nächtlichen Krisensitzung sind wir dann bereit, sind wir innerlich so entkrampft, daß die Suche nach den wirklichen Träumen in uns beginnen kann. Die Fragen: Wer sind wir? Wozu sind wir auf dieser Erde?
Jetzt sind wir bereit, Visionen zu empfangen. „Vision quest“ nennen die Indianer diesen Weg der Einweihung. Für uns ist es der „Dream quest“. Die Camp-Teilnehmer packen ihre Rucksäcke und werden von Rainbow Hawk liebevoll in die Wildnis verabschiedet. 24 Stunden sollen wir allein draußen in freier Wildbahn verbringen, an einem von uns ausgewählten Ort. Alleinsein mit sich und ohne feste Nahrung.
Alles wird zum Spiegel: die Natur, die Tiere, die Sterne, der Wind. Sich auseinandersetzen mit seinen Freuden, Ängsten, Zweifeln, Kämpfen.

Schwitzhütte: 16 Mann auf sechs Quadratmetern  

In einer „Schwitzhütte“ sollen die letzten noch   hemmenden Gefühle ausgeschwitzt werden. 16 Menschen auf sechs Quadratmetern in einem Minizelt, triefend von Schweiß, singend. Ein uraltes Reinigungsritual vieler Kulturen.
„Laßt raus, was euch noch blockiert“, fordert Rainbow Hawk die Camp-Teilnehmer in der dampfenden Halbkugel auf. In vier Durchgängen sorgt er für heißen Dampf in der Hütte, indem er Wasser auf glühende Steine gießt. “Ich bin“, sagt der Erfinderpreisträger, „als ein anderer Mensch herausgekommen, als ich reinging“. Die Wiener Ärztin sagt: „Die Schwitzhütte hat mich wieder ins Leben zurückgebracht“.
Mit reinem Herzen marschieren wir am späten Nachmittag los, um unseren Traumplatz zu finden.

Rückkehr:Verschmelzung mit dem Ich  

Unter großen Bäumen, in trockenen Flußbetten, in einer einsamen Hütte, auf trockenen Wiesen warten wir auf die Äußerungen unseres Innersten. Das ist mehr als ein Abenteuerspiel, mehr als bloße Lagerfeuerromantik. Es ist die Verschmelzung mit dem eigenen inneren Kern – abseits jeglicher gesellschaftlicher Konventionen und antrainierter Verhaltensmuster. Die eigene Welt entdecken, sich vollständig spüren, die innere Stimme hören. Nur die Geräusche der Natur sind da und die Gedanken. Bären, Hirsche, Koyoten, Schlangen, Dachse sind die Nachbarn rund um den Zaca Lake.
Bei der Rückkehr am nächsten Nachmittag leuchten die Augen.

Zurück im Kreis: Erzählen vom Neubeginn  

Viele der 24 Teilnehmer erzählen in der Zeremonie im Medizinrad von Visionen und Eingebungen. Die meisten erleben die „Dream quest“ als eine Art Wiedergeburt. „Jetzt sehe ich meinen Weg deutlich“, sagt der Dorfschullehrer. Vor dem „Rat der Ältesten“ steht er am Feuer. Eine indianische Decke umgeschlungen, den Sprechstab in der Hand. Jeder teilt mit den anderen die Essenz seiner Erlebnisse. Viele alte Hemmnisse sind unter den Eichen rundum zurückgeblieben.
„Beginnt jetzt“, ist die Botschaft eines Mannes, der in den Bergen urplötzlich eine klare Vision vor Augen hatte. Ein Pfeil bewegt sich über Vergangenheit, Gegenwart in die Zukunft, wo er bald zu landen droht. „Ich bekam den deutlichen Hinweis“, sagt Chet, „daß wir sofort beginnen sollen, unsere Pläne zu verwirklichen. Wir haben nicht mehr viel Zeit.“ Eine Managerin sagt mit Nachdruck: „Ich will jetzt vorwärtsgehen“. Und der Wertpapierhändler hat in der Wildnis das Loslassen gelernt: „Ich habe meine Waffen niedergelegt“. Mit der Natur in Übereinstimmung stehen und es fließen lassen – von dieser Einsicht berichten die meisten.

Projekte für die Zukunft gestalten  

Dream Space: „Ich habe einen Traum“ – unter diesem Motto steht der sechste Tag des Dream-Camps. Nach der inneren Reinigung sind die Teilnehmer voll neuer Ideen. In einem Selbstorganisations-Prozeß mit dem Namen „Dream Space“ stellen sie ihre Visionen vor. Dann treffen sich Interessierte in Gruppen, um gemeinsam die zukunfts-trächtigen Projekte auszuarbeiten. Nach drei Runden sind ein Dutzend neuer Ideen geboren.
„Jetzt gilt es, die Saat einzupflanzen“, sagt der Camp-Leiter. In einer indianischen Ratssitzung im Medizinrad besprechen anschließend alle Teilnehmer, wie die „Future-Saatkörner“ gepflegt werden müssen, um später auch Früchte zu tragen.  So weisen beispielsweise die „War Chiefs“ im Süden des Rades mit den acht Perspektiven auf mögliche Gefahren hin. Im Südosten fragen die „Peace Chiefs“ nach dem Ist-Zustand des Projektes und was zu seiner Realisierung benötigt wird. Nach dem Sinn und der Zielrichtung wird von der „Medicine Singer Society“ gefragt. Im Norden mahnen die „Hunter Workers“ effektive Strategien und die Umsetzung der Ideen in Aktion an. Die insgesamt acht Archetypen sollen den Fokus halten und die Energie im Kreis fließen lassen.
Die Palette der vorgestellten Ideen im Zukunftslabor Dream Camp reicht von der Gestaltung einer „Traumschule“ über ein Projekt mit deutschen und brasilianischen Jugendlichen bis zur Gestaltung eines „Offenen Hauses“, in dem die Außen- und Innenwände flexibel gestaltet werden können. Abhängig von der Jahreszeit und Witterung kann sich das Haus öffnen und schließen. „Wir wollen“, sagt der Designer, „die Natur in unser Leben mit einbeziehen.“

Der neue Kreis hat begonnen  

Für jede Idee legt der weise Rainbow Hawk einen Stein in den Sand. „Das sind jetzt eure Kinder, die ihr hegen und pflegen sollt“, ruft er in die Runde. Dann schließt sich der Kreis. Noch einmal stehen wir rund um das Feuer, das eine Woche lang ununterbrochen brannte, hören die Grillen, fühlen den warmen Wind, der immer stürmischer wird. Für viele ein Zeichen, daß es Zeit ist, das Gesäte jetzt aus dem Kreis hinaus in die Welt zu tragen. Ein jeder sagt, was ihn bewegt. Als am Westhimmel über den Bergen das Sternbild des „Großen Bären“ aufgeht, gibt Rainbow Hawk unserem Future Tribe einen Namen: Wir sind jetzt der Bear Dreamer Clan.  
„Dieser Kreis ist geschlossen!“, sagt Rainbow Hawk. „Aber der neue hat eben begonnen!“

Das Medizinrad

Die indianische Ratssitzung basiert auf einem Kreismodell. Es gibt keinen Austausch von Pro und Kontra. Es geht nicht um Positionen, es geht um Menschen. Es geht um Perspektiven und Weisheit.

Norden:
Klarheit und Aktion. Die Hunter/Worker Chiefs planen die effektive Umsetzung von gefällten Entscheidungen.

Nordosten:
Integrität und Vitalität: Wenn alle Perspektiven genannt sind, fragen sie danach, ob alles ausgesprochen wurde. Nur so kann die Energie im Kreis voll fliessen. Nichts darf zurückgehalten werden, dann entsteht die zur Handlung nötige 100prozentige Energie.

Osten:
Freiheit und Kreativität. Die Heyoekah Chiefs bringen Visionen ins Spiel, fragen, wie anstehende Entscheidungen sich auf das Spielerische der Gruppe auswirken. So fordern sie  dazu heraus, Dinge auf eine völlig neue Art und Weise zu sehen. Sie unterstützen die Freiheit des Geistes und die Kraft der Kreativität.
Südosten:
Gegenwärtige Bedingungen. Die Peace Chiefs bringen alle Aspekt des Ist-Zustandes ans Licht. Was wird in der gegenwärtigen Situation gebraucht?

Süden:
Kraft und Gefahr. Die War Chiefs sehen nach möglichen Gefahren neuer Entscheidungen. Was könnte die Gruppe trennen oder schwächen?

Südwest:
Sinn und Richtung. Die Medicine Singer Chiefs fragen, ob Entscheidungen in die Geschichte des Stammes passen, in das einst formulierte Ziel. Nicht vom Pfad abweichen heißt die Aufgabe und: alte Fehler nicht wiederholen.

Westen:
Balance und Harmonie: Die Woman Chiefs sehen die Ganzheitlichkeit der Gruppe. Was braucht Heilung, Nahrung, Lehre und Ausgeglichenheit?

Nordwesten:
Verbundenheit und Timing: Die Council Chiefs fragen nach der Verbundenheit aller Aspekte jeder Situation und danach, ob der richtige Zeitpunkt für Aktionen da ist.

Über den Autor

Avatar of Ingomar Schwelz

ist freier Autor und Journalist. Der gebürtige Österreicher ist seit 40 Jahren journalistisch tätig, davon war er über 20 Jahre Redakteur bei Zeitungen im deutschsprachigen Raum. Zuletzt war er langjähriger leitender Korrespondent der weltgrößten Nachrichtenagentur associated press [AP] in Berlin.

Unterstütze SEIN

Vielen Dank an alle, die den Journalismus des SEIN bisher unterstützt haben.
Die Unterstützung unserer Leser trägt dazu bei, dass wir unsere redaktionelle Unabhängigkeit behalten und unsere eigene Meinung weiter äußern können. Wir sind sicher, dass unsere redaktionelle Arbeit und unsere Themenvielfalt und Tiefe den gesellschaftlichen Wandel beflügeln. Wir brauchen Deine Unterstützung, um weiterhin guten, kreativen "Lösungs-Journalismus" zu liefern und unsere Offenheit zu wahren. Jeder Leserbeitrag, ob groß oder klein, ist wertvoll. Wenn Du unsere Arbeit wertschätzt, unterstütze SEIN noch heute - es dauert nur wenige Minuten. Vielen Dank.
SEIN unterstützen





Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*