Schon anderthalbjährige Babys handeln selbstlos und erkennen, wenn andere Hilfe brauchen.

Forscher der Universität Washington haben in einem Experiment nachgewiesen, dass schon kleine Babys selbstlos handeln und erkennen, wenn andere Hilfe brauchen. In dem Experiment sitzen eine Forscherin und ein anderthalbjähriges Baby an einem Tisch. Das Kind hat Hunger, denn eigentlich ist Essenszeit. Scheinbar aus Versehen lässt die Forscherin eine Banane fallen. Wortlos müht sie sich, die Frucht zu erreichen, die genau vor die Füße des hungrigen Kindes gefallen ist. Jedes dritte Kleinkind hob in dem Test ein heruntergefallenes Stück Obst auf und gab es zurück. Wenn sie nicht hungrig waren, half sogar mehr als die Hälfte der Kinder. Für die Forscher ist das ein Zeichen, dass selbst Anderthalbjährige selbstlos handeln können, auch wenn es zu ihrem eigenen Nachteil ist und sie den Begünstigten nicht kennen.

„Selbstlosigkeit ist eine entscheidende menschliche Eigenschaft und ein wichtiger Teil des moralischen Gefüges unserer Gesellschaft“, erklärt einer der Studienautoren. „Wir wollten wissen, wo dieses typisch menschliche Verhalten herkommt.“ Dafür untersuchten die Forscher das Betragen von etwa hundert Kindern im Alter von 18 Monaten. Ob ein Kind half oder nicht, hing entscheidend vom Verhalten des Erwachsenen ab. Versuchte er, an das heruntergefallene Obst heranzukommen, löste das bei vielen Kindern den spontanen Wunsch aus, zu helfen. Wenn der Erwachsene dagegen keine Anstalten machte, an das Essen heranzukommen, blieben die Kinder reglos sitzen. Wer will sich schon aufdrängen?

Evolutionär betrachtet zahlt sich selbstloses Verhalten aus. Viele Vogelarten helfen ihren Eltern beispielsweise dabei, weitere Küken aufzuziehen. Der Grund: Geschwister mit denselben Eltern sind untereinander ebenso eng verwandt wie Eltern mit ihren Kindern, im Schnitt teilen sie die Hälfte ihrer Gene. Wer Bruder und Schwester unterstützt, sorgt also dafür, dass sich das eigene Erbgut durchsetzt. Einige Tiere wie Arbeiterbienen verzichten sogar komplett auf die eigene Fortpflanzung, um die Geschwister aufzupäppeln.

Selbstlose Hilfsbereitschaft gibt es im Tierreich nicht nur unter Verwandten. Graupapageien helfen ihren Artgenossen sogar ohne Gegenleistung. In einem aktuellen Experiment konnte ein Graupapagei-Weibchen namens Bella Marken gegen Essen eintauschen: Mit einer Marke bekam nur sie etwas zu fressen, mit der anderen auch ihre Artgenossin Kimmi. Als Bella das Prinzip verstanden hatte, wählte sie fast immer die Marke, mit der auch Kimmi an Futter kam.

Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass soziales Verhalten beim Menschen angeboren ist. Allerdings hat die Selbstlosigkeit auch Grenzen. Man hilft sich eher, wenn man einander kennt. Menschen sind vor allem dann hilfsbereit, wenn sie glauben, der andere ist anständig. In einem Experiment bekamen Einkäufer eher den Vortritt, wenn sie eine Milchtüte kauften. Hielten sie ein Bier in den Händen, mussten sie sich meist hinten anstellen.

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