Die Wirksamkeit von Achtsamkeit bei der Heilung von Depressionen und Angststörungen konnte in einem Experiment nachgewiesen werden.

Achtsamkeit bedeutet, im Moment zu leben. Die Umwelt und der eigene Körper werden dabei aufmerksam mit allen Sinnen erspürt, Gedanken und Gefühle beobachtet, aber nicht bewertet. Übungen und Trainings, die diese Fähigkeit stärken, kommen inzwischen auch bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen zunehmend zum Einsatz – unter anderem bei Depressionen, aber auch bei Angststörungen konnten Forscher jetzt Hinweise auf ihre Wirksamkeit finden.

Doch wie genau funktioniert das Achtsamkeitstraining in Bezug auf Angststörungen? Dieser Frage ist nun ein Team um Johannes Björkstrand von der University of Southern Denmark in Odense genauer nachgegangen. In einem Experiment mit knapp 30 gesunden Versuchspersonen entdeckten die Wissenschaftler: Offenbar erleichtert es uns Achtsamkeitstraining, Angstreaktionen wieder zu verlernen.

Die Forscher teilten die Teilnehmer zu Beginn der Studie in zwei Gruppen. Die eine absolvierte angeleitet durch eine App ein vierwöchiges Achtsamkeitstraining. Die übrigen Probanten nahmen hingegen an keinerlei Übungen teil. Anschließend baten die Wissenschaftler beide Gruppen ins Labor, wo sie ihnen verschiedene Fotos auf einem Bildschirm zeigten, von denen manche mit einem unangenehmen Elektroschock gepaart waren. Währenddessen überwachten die Forscher die Hautleitfähigkeit der Teilnehmer und konnten beobachten, wie die Versuchspersonen schon beim bloßen Anblick der betreffenden Bilder ins Schwitzen gerieten: Sie hatten offenbar gelernt, die Aufnahmen, die von einem Stromstoß begleitet wurden, zu fürchten.

In einem zweiten Durchgang des Experiments versuchte das Team dann, die Verknüpfung zwischen den Bildern und den Elektroschocks in den Köpfen der Teilnehmer wieder zu löschen. Dazu zeigten sie ihnen erneut die betreffenden Fotos – dieses Mal jedoch ohne Stromstoß, um den Teilnehmern zu signalisieren, dass von den Bildern nun keine Gefahr mehr ausgeht. In der Psychologie wird diese Form des Umlernens auch als Extinktionslernen bezeichnet, bei dem ein erworbenes Verhalten durch ein neues ersetzt werden soll. Auf diesem Prinzip fußen unter anderem zahlreiche Therapieansätze, die auch bei der Behandlung von Angststörungen zum Einsatz kommen. Das Problem daran ist allerdings: In viele Fällen lässt sich Angst besser erlernen als verlernen. Extinktionslernen ist deshalb nicht immer dauerhaft und manchmal genügen schon kleine Auslöser, um die ursprüngliche Angst wieder hervorzuholen.

Um zu testen, wie nachhaltig die Teilnehmer die Verbindung zwischen Bildern und Elektroschocks verlernt hatten, bestellten die Forscher sie deshalb 24 Stunden später noch einmal ins Labor. Wieder zeigten sie ihnen die Aufnahmen – ohne Stromstoß – und maßen dabei ihre Hautleitfähigkeit. Dabei stellten sie fest, dass das Extinktionslernen bei Probanden mit Achtsamkeitserfahrung offenbar länger nachwirkte als bei der Kontrollgruppe. Die Teilnehmer mit Achtsamkeitstraining gerieten beim Betrachten der Aufnahmen weniger stark ins Schwitzen. Die Kontrollpersonen ohne Achtsamkeitstraining reagierten hingegen im Schnitt wieder deutlich ängstlicher auf die Fotos als direkt nach dem Abschluss des Extinktionstrainings. Beim Lernen und Verlernen der Angstreaktion hatten hingegen beide Gruppen eine vergleichbare Hautleitfähigkeit gezeigt.

Um zu überprüfen, ob eine Kombination aus Achtsamkeitstraining und Verhaltenstherapie vielleicht größere und länger anhaltende Behandlungseffekte erzielt, müsste das Experiment allerdings erst einmal mit echten Angstpatienten wiederholt werden, erklärten die Forscher.

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