Im Moment müssen wir Abstand wider unsere Natur halten. Werden wir uns in Zeiten der Post-Pandemie wieder nah sein und berühren?

Das Coronavirus lehrt uns Abstand zu halten und uns und andere damit zu schützen. Die 2,50 Meter Distanz ist uns in einem Jahr des Praktizierens so vertraut geworden, dass viele sich ein Leben mit Umarmungen und Händeschütteln in der Post-Pandemie gar nicht mehr vorstellen können.

Werden wir in Zeiten der Post-Pandemie wieder zu unseren alten Gewohnheiten zurückkehren oder gibt es danach eine neue Normalität? Mit dieser Frage hat sich Steven Taylor, Professor an der British Columbia Universität in Vancouver (Kanada) und Autor von Psychology of Pandemics: Preparing for the Next Global Outbreak of Infectious Disease beschäftigt. Der Forscher glaubt, dass es vielen Menschen schwerfalle, sich eine solche Rückkehr zur Normalität vorzustellen, was auf einem kognitiven Bias (Denkmuster) zurückzuführen sei. Anchoring Bias oder Anker-Effekt bedeutet, dass wir uns an den ersten Teil einer Information klammern, und anschließende Handlungen – etwa Einschätzungen, Argumente, Schlussfolgerungen – danach ausrichten.

Im Moment hätten wir Schwierigkeiten, uns eine Zukunft vorzustellen, in der wir Hände schütteln, uns umarmen und Konzerte besuchen, weil wir psychologisch in einer Gegenwart verankert sind, in der solche Dinge verboten und unsicher seien, erklärt der Psychologe. Ein Blick zurück auf frühere Epidemien und Pandemien – zum Beispiel den Zika-Virus-Notstand und die Influenza-Pandemien 1957, 1968 und 2009 – zeigt, dass es keine Hinweise auf langfristige Auswirkungen auf psychologische Funktionen gibt. Dies könnte natürlich daran liegen, dass sie im Vergleich zu COVID-19 relativ mild waren. Aber auch für die Pandemie von 1889, die Russische Grippe, gibt es kaum Hinweise auf langfristige Folgen.

Anders war es bei der Spanischen Grippe. Hygienepraktiken wie Händewaschen, das Abdecken von Husten, das Unterlassen des Spuckens und Maskentragen wurden in den Gemeinden nach 1918 wahrscheinlich üblicher, aber es sei bemerkenswert, dass es danach keine anderen gravierenden Veränderungen gab. Die Gewohnheit, Masken zu tragen, verschwand im Westen schnell, nachdem die Pandemie vorüber war. Nur in den asiatischen Ländern hat sich das Maskentragen auch ohne Pandemie gehalten.

In der Post-Pandemie werde es eine Art kurzlebige Roaring 20s geben, glaubt der Forscher. Diese Zeit werde sich durch besonders intensive Geselligkeit auszeichnen, aber auch das wird vorübergehen, wenn die Dinge wieder so werden, wie sie vor der Pandemie waren. Der Psychologe glaubt, dass Gemeinschaften sich von der Pandemie auf eine Weise erholen werden, die viele Menschen überraschen wird. Die Mehrheit der Menschen werde sich wieder die Hände schütteln, sich umarmen, in überfüllte Kneipen und Restaurants gehen und an überfüllten Stadionveranstaltungen wie Fußballspielen teilnehmen. Bei den ersten Anzeichen dafür, dass der Kontakt zum anderen nicht mehr gefährlich ist, werden wir wieder zu unserem alten Verhalten zurückkehren.

Verlernt haben werden wir das Umarmen aufgrund der Pandemie sicher nicht, aber die Forscher gehen davon aus, dass es anfangs etwas Zurückhaltung geben wird – eine Art Übergangsphase.

Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*