Über die Kunst der bewussten und heilsamen Berührung mit den Händen

von HP Dr. Phil. Rosina Sonnenschmidt

Die Hände

Unter energetischen Heilweisen versteht man solche, die ohne materielles Hilfsmittel oder Substanzen wirken. Die einfachste Form geschieht mit den Händen. Sie ist die älteste natürliche Heilweise, denn schon die Mutter berührt ihr Kind liebevoll mit den Händen, um es zu beruhigen oder Schmerzen zu lindern. Einige Menschen bewahren die Gabe, auf erreichbare Körperregionen sich selbst die Hände aufzulegen. Ist ein Mensch gesund, so verfügt er über freie Energie und kann deshalb auch anderen die Hände auflegen. Damit ist schon das Wesentliche zum Thema „Heilen“ ohne Pillen, Globuli, Stoffe, Nadeln, Spritzen oder Geräte gesagt: Zuerst heile dich selbst durch Berührung mit den Händen, dann wende dich anderen zu.

Wer tut das?

Diesen ersten ethischen Grundsatz des energetischen Heilens finden wir überfrachtet mit zahllosen Angeboten sowohl in der Therapie- wie in der Esoterikszene als Regel. Als Ausnahme hält sich auch mal ein Arzt, Heilpraktiker oder sonstiger Therapeut daran. Die Regel ist leider, dass die meisten Therapeuten sich überfordern, wenig Zeit für sich in Anspruch nehmen, im Routine-Praxisstress kaum zum bewussten Durchatmen kommen und fast genauso krank werden wie ihre Patienten. Ich beobachte das nicht vom „hohen Ross“ her, um unseren Berufsstand zu tadeln, sondern aus meiner eigenen beruflichen Erfahrung heraus. Es ist tatsächlich ständiges Üben erforderlich, sich selbst immer wieder aus dem Strudel der Schnelllebigkeit heraus zu ziehen und sich der Muße hinzugeben.

Ein weiterer ständiger Anlass, an sich selbst zu arbeiten, ist das Überangebot an energetischen Heilweisen. Sie verlangen ein Bewusstsein für Qualität. Diese ist nicht von der Ausbildung, vom Diplom abhängig, vielmehr von dem, was der Ausübende davon in seinem Alltag lebt. Es hat sich die irrige Vorstellung eingeschlichen, man könne durch Händeauflegen – welcher Art auch immer – jemanden heilen. Niemand kann irgendwen heilen. Heilung geschieht nur beim Betroffenen und der oder die muss dazu bereit sein. Die Hände sind nicht mehr als eine liebevoll verabreichte Arznei, also ein Heilungsimpuls. Da aber unsere Hände so unendlich viel tun können als Ausdrucksorgan des Bewusstseins, haben sie in unserem Leben einen besonderen Stellenwert.

Die Schattenseite wird sehr gut nachvollziehbar, wenn wir von dem Piloten, der über Hiroshima die erste Atombombe abwarf, hören: Er konnte sich sein Leben lang nicht verzeihen, mit der Hand den Auslöser, den Schalter bedient zu haben. Solange Untaten noch im Geiste stattfinden, sind wir mit Goethe noch eins, der sagte: „Es gibt keine Tat, die ich nicht im Geiste vollbracht hätte.“ Doch wenn die Hand ausführt, was im Kopf gedacht wird, manifestieren sich die Gedanken und kann negative Manipulation Wirklichkeit werden.

Im Geiste jemandem nicht gut wollen, macht krank. Aber die Hand erheben und zuschlagen, macht kriminell krank. Mit der Hand lösen wir etwas aus, entweder etwas Gutes oder etwas Schlechtes. Es ist aber ein Trugschluss zu glauben, indem die Hand niemanden berührt, bliebe das Böse, das Manipulative fern. So einfach ist es nicht! Was im Bewusstsein waltet, drückt sich als nächstes in der Stimme aus.

Berührung mit den Händen

Ich habe diesbezüglich eine interessante Studie über viele Jahre betrieben, da ich vor allem auditiv wahrnehme und erst in zweiter Linie visuell. Das offenbart sehr viel, weil Hören und Fühlen eng zusammengehören. Ich habe bei vielen Patienten in der Behandlung und Klienten in der Beratung den Zusammenhang zwischen Sprache, Körperbewegung und Stimmausdruck beobachtet. Der Dreh- und Angelpunkt vom Wechsel einer Krankheit in die Heilung ist die Beweglichkeit der Hände und der Handgelenke. Seit vielen Jahren machen die Kollegen in meinen Kursen die humorvolle Übung „Arthrose – ex“, indem zu einer rhythmisch prägnanten Popmusik die Handgelenke umeinander schnell gedreht werden, rückwärts und vorwärts.

Dann folgen auch die rhythmischen Bewegungen der anderen Gelenke. Von großer Bedeutung ist hierbei, dass die Kiefergelenke locker bleiben, denn die meisten Menschen beißen die Zähne aufeinander, verspannen also die Kiefergelenke, sobald sie die Hände bewusst bewegen. Sind aber die Kiefergelenke nicht locker, hat das wiederum eine Auswirkung auf den Gehirnstoffwechsel, auf die Denkfähigkeit und Assoziationsgabe. Eigentlich ist es ja einleuchtend, dass Denken und Handeln eine Einheit bilden können. Fragt sich nur, in welcher Absicht sich die Hand bewegt. Ehe ein kranker Mensch tatsächlich lernt, Nein zu sagen, muss er das mit den Händen zeigen können.

Die Abgrenzung

Vielen Patienten mangelt es an einer klaren Abgrenzung zwischen Ich und Du. Ein übertriebener Altruismus, gepaart mit einem Helfersyndrom und mangelndes Selbstvertrauen verwischen die Grenze und führen zu dem Eindruck, zu viel Verantwortung zu tragen, keinen eigenen Freiraum mehr zu haben und im Lebensumfeld zu ersticken. Diese Übung hat sich hundertfach bewährt:

Im Stehen die Arme nach vorne ausstrecken, beide seitlich nach rechts und links im Halbkreis bewegen und dabei laut sagen: »Bis hierhin und nicht weiter.« Der innere Raum entspricht dem mit den Armen beschriebenen Energiefeld, das wir auch Intimsphäre oder emotionale Aura nennen können. Der Patient stellt sich eine ihm nahestehende Person vor und übt 12 bis 20 Mal diese Worte laut zu sagen. Dabei entsteht erfahrungsgemäß eine völlige Veränderung des Gefühls für den inneren Raum und für das Gegenüber. Erst wenn mit einer Person die Übung leicht und selbstverständlich gelingt, wechselt man zur nächsten Person.

Das Nein zur unerwünschten Nähe, Tätigkeit, Anfrage wird erst wahr durch das Tun, denn was der Körper lernt zu tun, vergisst er nicht. Darum sind Rituale so wichtig. Mit der Hand geben wir eindeutige Signale. Das muss der Kranke erst wieder lernen, damit seine Worte gehört und beachtet werden. Körper und Geist bilden eben eine Einheit und was nur mit dem Kopf gesagt wird, fruchtet nicht. Besonders wirksam ist, wenn Herz und Hand in dem Sinne zusammen agieren, indem man von Herzen jemanden berührt, begrüßt, umarmt, streichelt, massiert, anfasst.

Die Hand reichen

Der nächste Punkt ist der Zusammenhang zwischen Hand und Heilkraft. Das Beste und überzeugendste Beispiel bei der Berührung mit den Händen bietet die Sterbebegleitung. Bis fast zuletzt ist nichts so tröstend, so Halt gebend wie das schlichte Halten der Hand eines Sterbenden. Es schließt sich für jeden Manschen ein Kreis, denn bereits nach der Geburt wird ein Kind von Händen im Empfang genommen, im Normalfall erfährt das Kind die Hände der Mutter als Schutz, Sicherheit und liebevolle Annahme.

Interessant ist diesbezüglich auch meine Erkenntnis, dass Patienten, die unerwünscht waren, die kalte Ausstrahlung der Mutter an den Händen gespürt haben und darüber klagten, dass ihre Mutter sie nie liebevoll in den Arm genommen hat. Was wundern wir uns dann, dass diese Menschen Lieblosigkeit mit Händen verknüpfen, Berührungsängste entwickeln, andere nicht berühren mögen und nicht berührt werden wollen, um ihre Emotionen in Schach zu halten?!

Sich die Hände reichen wird häufig nur als geistige Geste verstanden und genutzt. Doch die reale Berührung der Hände ergreift den ganzen Menschen und löst selbstverständlich auch Gefühle aus. Warum auch nicht?

Die Hand sollten wir als ein Wunderwerk der Natur betrachten, über das kein anderes Lebewesen verfügt als der Mensch. Sie ist ein Werkzeug. Wäre sie nicht vorhanden, gäbe es keine Gestaltung, keine tönende Kunst, keine bildende Kunst, keinen Ausdruckstanz und keine heilsame Berührung. Was wir Kultur nennen, ist im wahrsten Sinne Hand-Arbeit. Immer ist die Hand im Spiel, im realen wie übertragenen Sinne.

Werden Hände abgelehnt, ist jemand zutiefst krank, denn es wird Berührung bei sich selbst und an anderen abgelehnt. Damit entfällt nicht nur ein natürliches, menschliches Bedürfnis nach Kontakt, sondern es fehlt zudem der Ausgleich von Geben und Nehmen. Was wir Therapeuten tun, ist die Lebenskraft anregen und den Menschen an die heilsamen Aspekte der Berührung mit Händen zu erinnern. Die Lebenskraft wird darauf reagieren und entsprechende Selbstheilungsprozesse in Gang setzen.

Literatur: Johanson, Tom: Zuerst heile den Geist. Bauer Verlag 1970 Richter, Georg: Heilmagnetismus und Gedankenkräfte. Uhlenhorst-Verlag 1909 Sonnenschmidt, Rosina, Knauss, Harald: Moderne Medial- und Heilerschulung. Edition Elfenohr 2008 Thuillier, Jean: Die Entdeckung des Lebensfeuers, Franz Anton Mesmer. Paul Zsolnay 1990

 

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