Wir brauchen neue Formen des Umgangs mit unserem inneren und äußeren Leben, die den Zeiten des Wandels und der Dynamik einer herausfordernden Welt gerecht werden. Rituale sind stärkende Hilfen und Kraftquellen, um dem Alltag und dem Bewusstsein eine erhebende und zuversichtliche Ausrichtung zu schenken. Sie helfen uns, kreative Atempausen und Zwischenräume zu gestalten, in denen wir aufatmen, loslassen, Kräfte sammeln, heilen können und gestärkt zurück in den Alltag finden.

von Martina Simon

Mit meinem Beitrag möchte ich die Sicht weiten für die kreative Kraft, die bereits in uns lebt. Sie ist die neue, lebendige Basis, auf der wir unseren Alltag und unser Miteinander kreativ, intuitiv und positiv verwandeln und gestalten können. Das Einzigartige dieser Zeit ist die unglaubliche Kraft der Verbundenheit, mit der wir voneinander lernen, um uns menschlich und seelisch zu entwickeln. In diesen Jahren der Umwälzung und Auflösung vieler alter Formen und Rollen mag es scheinbar widersprüchlich klingen, Rituale zu leben. Denn Rituale sind heilige oder magische Handlungen, die in ihrem Symbolgehalt seit Urzeiten bedeutsam und wichtig waren. Wir kennen religiöse Rituale, aber auch erworbene Rituale in Familie und Gesellschaft, die sich oftmals über lange Zeiträume hin erhalten haben und weitergegeben wurden.

Rituale im neuen Wortsinn

Für mich persönlich ist ein Ritual im neuen Sinn des Wortes ein bewusst vollzogener Ablauf, eine Form, eine Handlung, die symbolisch kraftvoll und verbindend ist sowie eine starke innere Resonanz erzeugt. Wir sind dabei frei, in eigener Weise neue Rituale zu erschaffen oder alte Formen so zu verändern, dass sie lebendig, heilsam und aufbauend wirken. Da sich in allen Lebensbereichen äußere Strukturen auflösen, ist auch hier die innere Wahrnehmung und Intuition gefragt, damit wir kreative Formen erschaffen, die dem sich stets verändernden Lebensfluss einen Rhythmus schenken und dem Wohle aller dienen. Rituale schenken uns in der Dynamik und Unbeständigkeit der Welt auch einen Rhythmus, eine Atempause. Sie lassen uns für eine Weile still werden, zuhören, nach innen lauschen und geben der Freude und Leichtigkeit Raum. In diesen Augenblicken kann uns der Zauber des wahren Lebens, der Schönheit, der Spontaneität, der ausgelassenen Freude berühren. Rituale geben unserem Miteinander eine liebevolle Verbundenheit und innere Stärke. Verbundenheit mag die wichtigste Kraft sein, die uns nach dem Jahr tiefer Krise geschenkt wurde. In vielfältiger Weise haben wir alle im Persönlichen und Globalen erlebt, welche Stärke wir durch Gemeinschaft, durch Vernetzung und Wertschätzung erfahren. Das Jahr der Krise hat bereits überall in der Welt eine Welle wundervoller Rituale entstehen lassen, die einem neuen Miteinander und großer Empathie Ausdruck verleihen. Damit erschaffen wir innere und äußere Kraftorte und heilsame Momente zum Verbinden, Auftanken und Frieden finden in einer bewegenden Zeit. Rituale demonstrieren unsere neuen Werte für ein Miteinander, das nicht von Konkurrenz geprägt ist, sondern von bedingungsloser Achtung und einem Stärken der Vielfalt. Dabei bestimmen wir selbst, welches Ritual wir wählen. Wir geben dem Ritual Energie und Aufmerksamkeit, indem wir es mit Freude und mit ganzem Herzen praktizieren. Dabei ist nicht die äußere Form entscheidend, sondern die innere Beteiligung und der Fokus.

Orientierung und Halt

Rituale geben dem Bewusstsein Orientierung und inneren Halt, indem sie Gedanken und Gefühle auf die Herzkräfte ausrichten, auf Harmonie, Achtsamkeit und Güte. Wir können insbesondere am Morgen mit einem Mantra, einer Meditation oder einem Lied beginnen, das uns mit guten Gedanken, Klarheit und zuversichtlichem Herzen in den Alltag begleitet. Kultivieren wir ein Ritual über einen längeren Zeitraum, so spüren wir die großartige Wirkung und die aufbauende seelische Kraft, die es erzeugt. Gerade am Morgen sind wir weniger von der Macht des Verstandes gelenkt und können dem Denken und Fühlen leicht eine positive Richtung schenken. So erfahre ich seit vielen Jahren mein Ritual am Morgen – bei dem ich eine Kerze anzünde und dabei um Segen, um Licht und Frieden bitte für alle Menschen und für meine Aufgaben – als einen erhebenden Start in den Tag.

Kraftvolle Rituale für Gruppen

Insbesondere in Gemeinschaft, Familie, Partnerschaft und Gruppen schenken Rituale in der heutigen Zeit ein liebevolles Miteinander und stärken die gemeinsamen Werte und Visionen. Sehr viele Menschen in der Welt leiden an Einsamkeit, Verlust und Ängsten. Da können neue Rituale geschaffen werden, die Halt geben und Zuversicht. Besonders Musik kann ein großartiges Ritual sein, um einen Raum für Verbundenheit, Freude, Herzoffenheit und Leichtigkeit zu erschaffen. In meinen Erfahrungen mit alten Menschen habe ich es als zutiefst berührend erlebt, wie ein gemeinsam gesungenes Lied Gemeinschaft entstehen lässt. Ich nehme selbst gerne die Gitarre zur Hand, wenn ich zurückkehre aus der Geschäftigkeit der Welt. Die Musik und das Singen sind in meinem Alltag Rituale für Übergänge. Sie führen in die Herzmitte, schenken ausgelassene Freude und Zuversicht. Nach einem Musik-Ritual kann ich sehr leicht meine Konzentration auf neue Aufgaben lenken. Rituale für Kinder und Familien sind wie „Sternschnuppen am Himmel der Welt“. Sie wecken die Freude und Achtsamkeit im Teilen und öffnen Kinder und Eltern für die Magie und Schönheit des Augenblicks. Kinder sind sehr gegenwärtig, intuitiv und herzoffen. Sie lieben es, tägliche Auszeiten zu erleben und miteinander glücklich zu sein. Dies kann ein Ritual am Abend oder auch am Morgen sein, bevor alle in den Tag gehen, oder ein Ritual beim gemeinsamen Mittagessen. Es stärkt nicht nur die Kinder, sondern auch uns Erwachsene und weckt das innere Kind in seiner Sehnsucht nach Magie, Wundern und liebevoller Gemeinschaft.

Segnen und Naturerfahrung

Segnen ist ein Ritual der göttlichen Verbundenheit und des Schutzes. Den Morgen mit einem kleinen Segen zu beginnen, öffnet den Tag für die unsichtbare Führung im Alltag und bestärkt die Herzbindung zur Seele und zum inneren Wissen. Für mich persönlich ist das Segnen ein besonderer Moment, um innezuhalten und das Licht in die menschliche Welt einzuladen. Ein Spaziergang in der Natur kann ein kostbares Ritual sein, um achtsam und dankbar mit der Schöpfung zu leben. Es lädt die inneren Kräfte auf und öffnet die Sinne für die Fülle und die Schönheit. Die Natur lässt uns wieder still werden und die Herzstimme hören, die wir manchmal im Rauschen der unentwegten Gedanken nicht vernehmen können. Wie bauen wir im Alltag die bezaubernde und verbindende Kraft der Rituale auf? Nimm dir ein Blatt Papier und schreibe auf, welche Rituale du bereits nutzt – das Wichtigste ist, dass du sie mit deiner Aufmerksamkeit und Präsenz füllst und nicht mit deinen Gedanken ganz woanders bist.

Es ist die Achtsamkeit, die bei den vielen kleinen, oft unbewussten Tätigkeiten im Alltag die Kraft eines Rituals beeinflusst. Vielleicht ist es die erste Tasse Tee am Morgen, die in aller Ruhe genossen wird oder auch der entspannte Blick in die Zeitung, bevor die Geschäftigkeit des Tages beginnt. Es kann der Moment sein, indem du morgens früh alle Fenster öffnest, um die Morgensonne zu begrüßen und die klare reine Luft zu genießen. Auch eine lieb gewonnene Gewohnheit kann ein Ritual sein, solange es dich unterstützt und ohne Zeitdruck geschieht. Welche Rituale wollen verändert werden? Was kann dich unterstützen, um dich gut zu lenken und zurück in deine Mitte zu bringen? Die Intuition und deine Herzstimme werden dir helfen, spontane Ideen zu empfangen und in ein kreatives Ritual fließen zu lassen! Gestalte deine eigenen lebendigen Formen, in Freude und frei!

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