Die drei Heilungsgesetze der Homöopathie und ihre Wirkungsweise

von HP Dr. Phil. Rosina Sonnenschmidt

Homöopathie ist die genialste westliche Heilkunst, die von dem Arzt Samuel Hahnemann (1755-1843) begründet wurde. Wörtlich übersetzt heißt Homöopathie: „Das ähnliche Gefühl“ (pathos). Das alte griechische Wort „pathos“ meint aber viel mehr als unser deutsches Wort „Gefühl“, denn es sind die überwältigenden Gefühlsausdrücke wie Freude, Trauer, Heiterkeit, Humor, Aggression, Liebe, Hass usw. gemeint, die spontan aus Körper, Geist und Seele strömen. Die Homöopathie, die auf dem Ähnlichkeitsprinzip „Ähnliches werde mit Ähnlichem geheilt“ beruht, ist die Krönung wichtiger Erkenntnisse der Heilkunst:

– Eine giftige Substanz entwickelt immer größere Heilkraft, je mehr man sie verdünnt.
– Wenn ein Lebewesen krank wird, leiden Denken, Fühlen, Handeln und Körper
– Es ist kein Zufall, wo sich im Organismus eine Krankheit manifestiert, denn das Denken und Fühlen tritt mit bestimmten Organen in Resonanz.
– Jedes Lebewesen ist als Mikrokosmos ein Abbild der großen Natur und folgt ihren Gesetzen.
– Krankheit ist der Ausdruck geschwächter Lebenskraft durch dauerhafte Überschreitung von Naturgesetzen, Unfällen, Traumata oder Infektionen
– Homöopathische Arzneien sind in der Lage, die Lebenskraft und die Selbstheilungskräfte anzuregen. Sie sind also Hilfe zur Selbsthilfe.
– Homöopathische Arzneien behandeln immer das ganze Lebewesen, ob Mensch, Tier oder Pflanze.

In der Homöopathie sprechen wir von der Dynamik, mit der sowohl die Ursache einer Krankheit als auch die Breitenwirkung auf der körperlichen und emotional-mentalen Ebene erreicht werden kann. Es gibt drei Heilungsgesetze der Homöopathie. Die Homöopathie ruht auch auf drei Säulen:

Die Organotropie

Von dieser Basis aus lässt sich sowohl der Schweregrad einer Krankheit als auch der psychisch-mentale Konflikt ableiten, da Organzellen einen Teil des menschlichen Bewusstseins widerspiegeln. Organe sind keine Dinge, sondern der physische Ausdruck von Denken, Fühlen und Handeln. Die organbezogenen Mittel wirken wie ein Laserstrahl auf bestimmte Organsysteme. Das gilt auch für Komplexmittel. Hier stehen zwar die Körperfunktionen im Vordergrund, aber diese Arzneien wirken auch auf die Psyche. Sie sind vor allem hilfreich, wenn Symptome chronisch geworden sind: jedes Jahr eine Erkältung im November, immer wieder Haarausfall im Frühjahr oder immer Gelenkschmerzen beim Laufen usw. Der Auslöser kann falsche Ernährung, lange Einnahme von Medikamenten mit Nebenwirkungen sein.

Konstitution

Die Konstitutionsmittel zielen mehr auf die Persönlichkeit eines Lebwesens mit Körpersymptomen, Verhaltensweisen und Gemütsstimmungen und werden hauptsächlich bei psychosomatischen Beschwerden eingesetzt. Beispiel: Frustration und Lustlosigkeit (Psyche), die sich körperlich (Soma) durch Übergewicht, Verstopfung und Müdigkeit ausdrückt.
Zur Gesamterfassung eines Patienten gehört auch, sie mit allen Sinnen zu erfassen: Mit wem habe ich es zu tun? Was sind die Stärken und Schwächen? Wie spricht sie/er? Welche Botschaft klingt durch die Worte? Wie sieht der Patient aus, wie ist sie/er gekleidet? Wie steigt sie/er eine Treppe hinauf? Wie setzt sich jemand hin? Wie fühlt sich die Haut an? Welche Knochen- und Hauterscheinungen sind sichtbar? Usw.
Die konstitutionelle Homöopathie bietet ein großes Lernfeld für Psychogramme und die nötigen Arzneimittel, falls jemand noch nicht sich selbst lebt, sondern als Kopie von Glaubenssätzen.

Die Miasmatik

Sie ist der eigentliche Geniestreich der Homöopathie, denn sie zielt auf die Ursache einer Krankheit. Samuel Hahnemann nannte es „Die Krankheit unter der Krankheit“, das heißt, unter die Symptomatik zu schauen, was hereditär angelegt ist und WIE dieses Erbe gelebt wird. Ein Miasma (gr.: giftige Ausdünstung) ist der kollektive und individuelle Ausdruck eines Zeitgeistes. So wie in der westlichen Kulturgeschichte Epochen entstanden, hat jede Epoche ihre kulturellen Hochblüten und ihre krankhaften Schlagschatten in Gestalt von Seuchen. Seuchenzüge erfassen immer ein Kollektiv.

Wenn sie abflaut, hinterlässt sie Körper-Geist-Spuren, die vererbt werden, also körperliche Zeichen, Verhaltensweisen im Denken und Handeln. Auf dieser Basis entwickeln sich dann bestimmte, vielerlei Krankheiten, die aber alle die gleiche miasmatische Wurzel haben. Nicht die Seuche ist das Miasma, sondern der Geist, der sie „rief“. Der Zeitgeist ruft also die passende Seuche und prägt dadurch das sozial-kulturelle Gefüge einer Epoche. Wer sich mit Miasmatik befasst, beachtet unweigerlich systemische Zusammenhänge in kleinen wie im großen Format.

Für die miasmatische Behandlung sind Individuum und Familiensystem das kleine Format der Betrachtung, die Gesellschaftsschicht, Nationalität und Epoche das größere Format. Doch hängen beide Formate zusammen und lassen die Tragweite einer miasmatischen Belastung erkennen.

Außer den drei Wirkungsbereichen  gibt es auch drei Heilungsgesetze der Homöopathie, homöopathische Arzneien einzusetzen:

1. Das Ähnlichkeitsprinzip

Das 1. der drei Heilungsgesetze der Homöopathie – Die geniale Entdeckung Samuel Hahnemanns war das so genannte „Simile-Prinzip“: Ähnliches mit Ähnlichem heilen. Das ist aber nicht materiell zu verstehen. Die potenzierte Arznei ist ein Energiewesen, das sich bei der Prüfung des Ausgangsstoffes schrittweise offenbart. Dabei entstehen „Symptomvorbilder“, indem das Geistwesen des Ursprungsstoffes erwacht. „Symptoma“ bedeutet „Zufall“. Der Zufall gehört dem Chaos an, in dem es keine Regeln gibt. Die Lichtseite ist die Ordnung, sind die Natur- und Lebensgesetze, die ebenfalls im Menschen und in jedem natürlichen Heilmittel verankert sind. Durch eine Arzneiprüfung am gesunden Menschen werden lauter qualitative und formale Regeln offenbar. Ein lebendiges Wesen erweckt das Arzneiwesen und tritt mit ihm in Resonanz. Anhand der realen Symptome des Patienten erkennt der Homöopath die Ähnlichkeit zu den Symptomvorbildern in der Arzneiprüfung.

2. Das Gegensatzprinzip

Das 2. der drei Heilungsgesetze der Homöopathie – Der Mensch, ob krank oder gesund, ist ein einzigartiges Universum. Darin sind sowohl Gesetzmäßigkeiten enthalten, die für die Spezies Mensch allgemein gelten, aber auch jede Menge Variationsmöglichkeiten wie etwas gelebt oder verwirklicht wird und wie jemand krank wird.

Das Gegensatzprinzip ist die Oktavierung des Simile-Prinzips, weil ich hier beim Patienten etwas wahrnehmen kann, was er oder sie nicht lebt, aber als Potenzial vorhanden ist. Ich kann auch lernen wahrzunehmen, was den Menschen daran hindert, das verborgene Potenzial zu verwirklichen. Dazu ist eine Schulung der erweiterten Wahrnehmung nötig, aber höchst sinnvoll! Um ein Beispiel zu nennen:

Da kommt ein junges Mädchen an Krücken in die Praxis. Diagnose: Muskelschwund. Ich frage, was denn das Auffälligste oder Schlimmste für es sei. Das Mädchen sagt: „Am schlimmsten ist für mich, dass ich nicht am Marathonlauf teilnehmen kann“. Ich frage, was denn ihr Ziel der Heilung sei und höre: „dass ich am Marathonlauf teilnehmen kann“. Der Intellekt mischt sich sofort ein und flüstert was von „unmöglich mit den Beinen“ oder „Fixierung auf etwas Unmögliches“.

Gehe ich mit dem Mangel in Resonanz oder schaue ich auf die positiven Potenziale oder Selbstheilungskräfte? Danach entscheidet sich, ob ich eine Arznei nach dem Ähnlichkeits- oder Gegensatzprinzip verordne. Was lebt dieses Mädchen bisher und was lebt es nicht? Was ist weit aus seinem Bewusstsein gerückt, was liegt ihm nahe? Ich habe die Wahl, auf was ich schaue und was ich als die größte Heilkraft erwäge. Ich habe auch die Wahl, einen erhöhten Standpunkt einzunehmen, um mehr zu sehen als die reale Symptomatik. Was ist das größte Manko des Mädchens? Ist es der Muskelschwund? Oder ist es etwas in seinem Bewusstsein, in seinem Umgang mit sich selbst?

Im Falle der Patientin nahm ich wahr, dass sie keinerlei Gefühl für Rhythmus hatte, weder im Atmen und in der Körperbewegung, noch im Denken. Rhythmisches Denken äußert sich in der Flexibilität und Toleranz und in den Wahlmöglichkeiten, eine Lebenssituation zu meistern, eine Krise oder einen Konflikt zu lösen. Homöopathisch gesehen kann ich ihr das Simile geben wie beispielsweise das „Starre-Mittel“ Causticum oder fixiere mich auf das Schwinden von Substanz und verordne eine harte Säure wie Muriaticum acidum oder die Nosode Syphilinum. Ich kann aber genauso gut das Gegensatzmittel erwägen aufgrund meiner inneren Frage: „Was ist das verborgene Potenzial, was fehlt dem Mädchen am meisten, weil es dieses Potenzial nicht lebt und was ist es, dass es in diese Starre oder Sackgasse geführt hat?“

Ich wählte damals die Gegensatzmittel Calcium phosphoricum, weil das Heitere, Spielerische, Humorvolle eines jungen Menschen fehlte und Lycopodium für das rhythmische Element im Leben. Das behob natürlich noch nicht den Muskelschwund, also den Substanzverlust. Doch indem das Mädchen lernte, rhythmisch zu atmen und sich rhythmisch auch mit den Gehhilfen zu bewegen, fielen die weiteren Heilmittel wie grüne Rohsäfte und orthomolekulare Aufbaumittel auf denkbar fruchtbaren Boden. Dank der homöopathischen Mittel fand sie ihren Weg in ihren Lebensrhythmus. Wir übten auch rhythmisches Gehen, erst mit einer Krücke, dann ohne Krücke. Mit dem Gegensatzprinzip schaue ich auf das verborgene Potenzial. Allerdings kann ich damit nichts hervorholen, was nicht schon da ist!

3. Das Ausgleichsprinzip

Das 3. der drei Heilungsgesetze der Homöopathie ist wirksam, wenn ein kranker Mensch in Extreme verfällt.

Das Ausgleichsprinzip zielt auf die Mitte, damit sich die Extreme ausbalancieren können. Es handelt sich oft um Patienten mit einer enormen Spannkraft. Sie gehört zum großen Potenzial eines Menschen, der mit Extremen umgehen kann und ist tabu für die Therapie. Therapiert wird nur das was zu viel und überspannt ist. Dadurch gerät der Mensch aus seiner Mitte. Man hat in der so genannten „Musik-Medizin“ den Fehler begangen, Künstler immer mehr zu entspannen. Mit dem Resultat, dass er oder sie nicht mehr auf der Bühne bestehen konnte. Als Homöopath bzw. Therapeut braucht man einen untrüglichen Blick für die natürliche Spannkraft eines Menschen. Nur das Zuviel bedarf der Behandlung und verlangt die Aktivierung der beweglichen Mitte.

Dazu können wir homöopathische Arzneien wählen, die ein Energiesystem in die Mitte bringen. Hierbei können wir kreativ sein und beispielsweise die Signatur einer Pflanze berücksichtigen. Was wächst schnurgerade? Bambus zum Beispiel. Der Bambus ist extrem elastisch und bewegt sich in alle Richtungen mühelos. Deshalb könnte ich Bambusa arundinacea verordnen. Oder ich wähle etwas, das sich gleichförmig hin und her bewegt. Da kommt Lycopodium ins Spiel, denn der Bärlapp pendelt um eine unsichtbare Mitte dauernd zwischen Hell und Dunkel, Licht und Schatten.

Oder wir erwägen eine Schlange, die sich ebenfalls elegant und gleichmäßig um eine gedachte Mittellinie bewegt. Es handelt sich wieder um ein rhythmisches Element, ein Schwingen, das die Kräfte in der Mitte sammelt. Indem wir alle drei Heilungsgesetze der Homöopathie bedenken und einsetzen, mehren sich die Heilungserfolge. Indem die drei Heilungsrichtungen – miasmatisch, konstitutionell, organotrop – ebenfalls bedacht werden, entfaltet die Homöopathie als Heilkunst ihre volle Größe. Keine Frage, dass wir auf diese Weise auch noch mehr das Individuelle eines Patienten erfassen.

Literatur der Autorin Dr. Phil. Rosina Sonnenschmidt:

Miasmen und Kultur. Verlag Homöopathie&Symbol
12 Bände „Organ-Konflikt-Heilung. Narayana Verlag
5 Bände „Miasmatische Heilkunst. Narayana Verlag
InRoSo Institut: Fachfortbildungen für Ärzte und Heilpraktiker
Infos: www.inroso.com

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