Vier britische Wissenschaftler haben ausgerechnet, dass 90 Prozent der Kohle im Boden bleiben muss, wenn wir unsere Klimaziele noch erreichen wollen.

Wenn die Menschheit die Pariser Klimaziele noch erreichen will, muss sie so schnell wie möglich weg von fossilen Energieträgern wie Öl, Gas und Kohle. Bei der Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas entsteht das klimaschädliche Treibhausgas Kohlendioxid (CO2). Also sollten längst nicht alle Vorräte dieser Energieträger genutzt werden. Aber wie viel von dem, was noch im Boden steckt, können wir noch verfeuern?

Das haben vier britische Wissenschaftler nun ausgerechnet und dabei berücksichtigt, welche Mengen dieser Vorräte für das Erreichen des Klimaziels bis 2050 im Boden bleiben sollten: Es sind 58 Prozent des Erdöls, 59 Prozent des Erdgases und sogar 90 Prozent der Kohle. Bei der Rechnung für ihre Studie beziehen sich die Wissenschaftler vom University College London auf die 2018 bekannten Vorräte, deren Förderung als technisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll gilt.

Aus einer früheren Studie ging hervor, dass für das Ziel, den Temperaturanstieg unter 1,5 Grad Celsius zu halten, nur noch 580 Milliarden Tonnen CO2 bis zum Jahr 2100 ausgestoßen werden dürfen. Davon ausgehend nutzten die Forscher ein globales Energiesystemmodell, um durchzurechnen, wie viel der fossilen Brennstoffe nicht gefördert werden sollten.

Eine treibende Kraft sind dabei die Kosten für die Förderung. Deshalb sollten nach den Modellberechnungen 84 Prozent der kanadischen Ölsande im Boden bleiben, die arktischen Öl- und Gasvorkommen sollen sogar vollkommen unangetastet bleiben. Für Klima- und Umweltschützer ist das eine wichtige Nachricht, denn die Arktis gilt als sensible Region, in der Veränderungen der Umwelt globale Folgen für das Klima haben – vor allem die Schmelze des Eises in der Region ist dramatisch.

Für die Ölförderung im arabischen Raum errechneten die Wissenschaftler in etwa den globalen Durchschnittswert von knapp 60 Prozent. Insgesamt muss dem Szenario zufolge die Öl- und Gasförderung bis 2050 jedes Jahr um etwa drei Prozent zurückgehen.

In einer Sensitivitätsanalyse untersuchte das Team des University College London, wie sich einige Faktoren auf die Prozentzahlen auswirken könnten. Dazu gehören die Rate des Einsatzes von Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS), die Verfügbarkeit von Bioenergie und das Wachstum des zukünftigen Energiebedarfs in der Luftfahrt und im Chemiesektor, beispielsweise für die Herstellung von Kunststoffen. Die Forscher stellten fest, dass die Auswirkungen recht gering sind.

Wenn viel Biomasse verfeuert und das entstehende CO2 sicher gespeichert würde, könnte die Quote der Vorräte, die im Boden bleiben sollten, gerade einmal um zwei bis drei Prozentpunkte sinken.

Außerdem gehen die Wissenschaftler davon aus, dass bis 2050 jährlich etwa 4,4 Milliarden Tonnen und anschließend bis 2100 jährlich etwa 5,9 Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden, etwa durch Techniken, wie sie seit neuestem in Island in Betrieb genommen wurden. Dort speichert eine Orka genannte Anlage bis zu 4000 Tonnen CO2 jährlich und wandelt es unterirdisch in Gestein um.

Zur Studie: https://www.nature.com/articles/s41586-021-03821-8

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