Auf Basis der aktuellen Klimapolitik ist von einer durchschnittlichen globalen Erwärmung von rund 2,7 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau auszugehen.

Selbst bei der optimistischsten Modellierung steigt die Erderwärmung bis 2100 auf über zwei Grad. Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, ob Staaten ihre Klimaziele bis 2030 vollständig erfüllen oder nicht. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Climate Change erschienen ist. Für diese Studie wurde ein neues Verfahren angewandt, um die Entwicklung der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2100 zu modellieren.

Für den Anstieg des Treibhausgasausstoßes wurden sieben Szenarien ermittelt – optimistisch stimmt keines: Die Berechnungen ergeben, abhängig von unterschiedlichen Annahmen, die in das jeweilige Modell eingehen, eine Prognose für eine durchschnittliche Erderwärmung von 2,2 bis 2,9 Grad bis 2100 im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Für die neue Studie ist der wahrscheinlichste Verlauf der Emissionen bis 2100 basierend auf der heute umgesetzten Klimapolitik errechnet worden: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sieben Modelle verglichen, mit denen sich die Entwicklung von Energiewirtschaft und Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten ermitteln lässt.

Jedes dieser Modelle arbeitete mit unterschiedlichen Annahmen – etwa dazu, wie schnell der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangeht, welchen Anteil Wasserstoff im Energiemix erreichen kann, oder auch in welchem Ausmaß es möglich sein wird, CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen und im Boden speichern. Aber auch das Wachstum der Bevölkerung einzelner Regionen spielte eine Rolle. Diese Annahmen kombinierten die Mitglieder des Forschungsteams mit einer Reihe von Szenarien, wie sich klimapolitische Maßnahmen bis zum Jahr 2030 und darüber hinaus weltweit entwickeln könnten.

Einige der ermittelten Szenarien beruhten ausschließlich auf Daten zu aktueller regionaler Klimapolitik. Andere Szenarien nahmen zusätzlich an, dass alle Staaten ihre nationalen Klimaziele bis 2030 einhalten werden. Langfristige Netto-Null-Versprechen – wie von China, das bis 2060 klimaneutral werden will, oder Indien, das die Marke 2070 erreicht haben will – berücksichtigten die Autoren und Autorinnen nicht.

Was die Studie auch zeigt: Die Wahl des Modells hat einen großen Einfluss darauf, welcher Temperaturanstieg am Ende der Modellierung steht. Die Forschenden betonten, dass es kaum möglich sei, das Maß der Erderwärmung auf eine einzelne Zahl zu komprimieren – zu groß sei die Unsicherheit, die mit den jeweiligen Modellen einhergehe. Aber: Selbst bei der optimistischsten Modellierung steige die Erderwärmung bis 2100 auf über zwei Grad.

Die Daten, die in der Studie ausgewertet werden, stammen aus dem September 2021. Die jüngsten Zusagen der Uno-Klimakonferenz in Glasgow sind dabei nicht berücksichtigt. Berichte und Berechnungen, die während und nach der Klimakonferenz veröffentlicht wurden, decken sich im Großen und Ganzen aber mit den Ergebnissen der neuen Studie. Auf Basis der aktuellen Klimapolitik ist demnach von einer durchschnittlichen globalen Erwärmung von rund 2,7 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau auszugehen. Nur wenn alle Staaten ihre Versprechen zur Klimaneutralität einhalten – was einem Bericht des Climate Action Tracker zufolge als höchst unwahrscheinlich gelten muss – ist mit einer Erwärmung bis 2100 auf rund 1,8 Grad zu rechnen.

Infos zur Studie unter www.nature.com/articles/s41558-021-01206-3

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