In Deutschland wurden im Jahr 2022 so wenig Schadstoffe in Gewässern registriert wie seit 1997 nicht mehr.

von Oliver Bartsch

Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland so wenig Unfälle mit wassergefährdenden Stoffen wie nie zuvor. Insgesamt registrierte das Statistische Bundesamt 1.878 Vorfälle, bei denen Schadstoffe unkontrolliert in die Umwelt gelangten. Das waren fünf Prozent weniger als 2021 und der niedrigste Stand seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1997, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte.

Bei den Unfällen traten insgesamt 7,1 Millionen Liter Schadstoffe aus. 5,1 Millionen Liter davon konnten zurückgewonnen werden, rund zwei Millionen Liter blieben allerdings in der Umwelt – mit zumeist dauerhaft schädlichen Auswirkungen, berichten die Statistiker. „Je nach Ausmaß der Unfälle schwankt die Menge ausgetretener Schadstoffe von Jahr zu Jahr teils deutlich“, erklärten die Fachleute. „Im Jahr 2022 war die ausgetretene Schadstoffmenge vergleichsweise niedrig. Allerdings verblieben im Jahr 2022 sehr viel mehr Schadstoffe in der Umwelt als im Vorjahr.“

Wassergefährdende Stoffe werden in vier Gefährdungsklassen eingeteilt. Als allgemein wassergefährdend gelten zum Beispiel Jauche oder Gülle, schwach wassergefährdend sind etwa Ethanol oder Wasserstoffperoxid, deutlich wassergefährdend sind zum Beispiel Heizöl oder Diesel, stark wassergefährdend sind Stoffe wie Quecksilber oder Benzin.

Unter den 2022 dauerhaft in der Umwelt verbliebenen Schadstoffen entfiel der größte Anteil auf die erste Gruppe. Weniger als zehn Prozent der Unfälle betrafen deutlich wassergefährdende Stoffe. Unfälle mit stark wassergefährdenden Stoffen machten nur 0,4 Prozent der in der Natur verbliebenen Stoffmenge aus. „Allerdings haben diese Stoffe die größte Schadwirkung“, betonen die Statistiker.

Bei mehr als 80 Prozent der Oberflächengewässer in Deutschland besteht laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion Bedarf zur Renaturierung. Kommunale Fließgewässer wie Flüsse und Bäche seien vielfältig belastet, vor allem durch Schadstoffeinträge und durch Verbau, Sicherung der Ufer oder technische Hochwasserschutzmaßnahmen, schreibt die Bundesregierung.

In mehr als 80 Prozent der Oberflächengewässer, zu denen auch Seen oder Küstengewässer gezählt werden, „träten zwei bis sechs unterschiedliche Belastungen gleichzeitig auf“. 86 Prozent der Gewässer in Deutschland zeigten derzeit „hydromorphologische Defizite“, heißt es in der Antwort. Zu solchen Defiziten gehören etwa einförmige Wasserläufe durch Begradigung, unterbrochene Durchgängigkeit aufgrund von Querbauwerken wie Staustufen oder Talsperren, sowie fehlende Vielfalt der Lebensräume für Tiere und Pflanzen und Verbau des Ufers. „Schritt für Schritt“ sollten für alle Oberflächengewässer Maßnahmen zur Wiederherstellung und Renaturierung umgesetzt werden, kündigt die Bundesregierung in ihrer Antwort an.

Die Kosten aller bis 2027 im Zuge der europäischen Wasserrahmenrichtlinie bereits umgesetzten und künftig geplanten Maßnahmen belaufen sich ihr zufolge geschätzt auf 61,5 Milliarden Euro. Nahezu die Hälfte der Investitionen werde für Maßnahmen der Abwasserentsorgung getätigt, 38 Prozent für Maßnahmen zur Herstellung der Durchgängigkeit, zur Verbesserung des Wasserhaushalts und der Gewässerstruktur, heißt es in der Antwort weiter. Mit 13 Prozent der Mittel sollen zudem Stoffeinträge „aus diffusen Quellen“ reduziert werden.

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