von G. Henriette Stärk

Die Geburt meines Sohnes liegt nun fast 30 Jahre zurück. Es hat mich sehr mitgenommen zu lesen, dass in Kliniken durch einen Mangel an Zeit und damit Personal und Geld, die Umstände während einer Geburt für eine Frau immer noch so weit weg von den wirklichen Bedürfnissen einer gebärenden Frau liegen. Selbst nachdem „Erfahrungswissenschaftler“ diese Bedürfnisse bis ins Detail gelebt und dokumentiert haben, bleiben wir als Menschheit immer noch in der Angst stehen und schauen zu, wie Frauen dieser Erde sich weiter in Krankenhäusern verlieren. Ich möchte meine Liebe und Kraft geben, Frauen in ihren Ängsten und Unsicherheiten so zu stärken, dass sie über sich hinaus wachsen können!

Ein menschliches Zusammenstehen an der Schwelle einer Geburt ist so entscheidend und doch braucht die Frau, genau an dieser Schwelle sich ganz zurückziehen zu dürfen. Im geborgenen und sicheren Raum der Familie, des „Dorfes“ ganz mit sich und sich selbst sein zu können, scheint der Schlüssel zur Öffnung. Die Familie, die weisen Frauen, die Notfallspezialisten sollen in Anteilnahme im Hintergrund jederzeit zur Verfügung stehen und durch ihre Präsenz, der sich entfaltenden GeburtsKraft dienen. In den Niederlanden ist dies der Normalzustand.

Die sich der gebärenden Frau offenbarende weibliche Urkraft, ist in ihrer Natur auch für die Frauen selbst meist noch unbekannt, denn unsere Kultur tut nicht viel dafür, ihr zu huldigen und Frauen an sie zu erinnern. Im Gegenteil: sie wird verdrängt und immer noch verurteilt und findet nicht ihre gebührende Anerkennung. In einer Welt, die nach Ergebnissen verlangt, schnell und effektiv sich einstellende Ziele verfolgt und die mithilfe von Apparaturen und künstlichen Mitteln die Natur „kontrollieren“ will, können wir es uns nicht leisten, uns der Urkraft einer Frau unterzuordnen.

Letztlich werden wir meist genau hier, an diesem verletzlich-zarten Moment der Geburt schmerzlich daran erinnert, dass dieses kollektiv-rationale Selbst nur einen verschwindend kleinen Teil des Lebens ausmacht. Das Leben kann uns mit einem Atemzug unsere Pläne radikal durchkreuzen und dann stehen wir da. Erstmal vielleicht in einem leeren Raum, der wenn wir es erlauben, sich von innen er-füllt – uns erfüllt mit neuen Werten, mit neuen Inhalten und neuer Kraft.

Bedürfnisse der Frau erlauben und stillen – ein Schlüssel zum Herz

So ist die Frage danach, was wirklich nährt, für eine gebärende Frau ganz essenziell. Wenn eine Frau diese Frage für sich in der Zeit des Schwangerseins nicht tiefer stellt, besteht die Gefahr, dass sie mit dem herkömmlichen Umgang und Angeboten ihres Umfeldes mitläuft. Vielleicht wird sie sich der (kollektiven) Angst, die sie dahinter führen möchte, gar nicht wirklich bewusst. Wie sehr braucht eine Frau doch erfahrene weise Frauen, die einen alternativen Weg vorausgegangen sind und dadurch einen Raum aufmachen, der fühlbar aufzeigt, dass die weibliche Natur immens stark ist, dass in dieser Natur eine Kraft liegt, die wild, weise und tief in die Materie des Körpers eindringt und ihn mit sich nimmt. Der Natur und dem durch sie wirkenden Bewusstsein wieder ganz zu vertrauen, ist so entscheidend auf dem Weg des Mutterseins.

Das Vertrauen in diese geheimnisvolle Gebärkraft macht Frauen empfänglich dafür zu erleben, wie sie sich mit dem Herzen vereint und ein nährender Friede in ihr erwacht, der sie tief erfüllt. Dies ist Ekstase und Lebenselixier pur. Wenn wir ihre Existenz nicht berühren, weil wir den scheinbar sicheren Weg gehen, hat es das Leben schwerer, uns Frauen mitzunehmen in die Gefilde der sich zusätzlich gebärenden Mutter- und Liebeskraft.

Frauen, die sich nicht erlauben, sich in dieser Kraft zu sonnen und sie zu genießen, kann unsere Kultur leichter, sogar schon im Wochenbett in den denkenden Verstand zurückholen. Häufig erlebe ich, wie Frauen sich in dieser Zeit schon Gedanken machen, wann und wie sie wieder arbeiten gehen und wo sie in dieser Zeit ihr Kind unterbringen. Das bedingt weiter, dass Mütter sich auf diese wundersamen Augenblicke der Intimität mit dem Säugling gar nicht ganz hingebend einlassen können. Den Akt des Stillens als intimste Verbundenheit zu feiern und tief im Körper gefühlt zu verankern, braucht Zeit und Muße. Dies öffnet Frauen für eine sexuelle Tiefe, die nichts mehr mit herkömmlicher Sexualität zu tun hat. Das Wunder des Lebens und der Liebe offenbart sich. Das Baby bringt diesen himmlischen Zauber, der alle einlädt, sich mit verzaubern zu lassen.

Der Flusslauf des Lebens im Innern entführt uns zu neuen kulturellen Formen

Wenn wir dem Leben erlauben uns so tief zu erneuern – mit jedem einzelnen Kind, dann werden wir aus diesem Erleben heraus fühlen, was wir und unsere Kinder brauchen, um gemeinsam zu reifen. Frauen sind dabei eingeladen, ihre eigenen Bedürfnisse genauso ehren zu lernen, wie die des Kindes und diejenigen des Vaters. Die Kultur wird sich dann den Reifungsbedürfnissen von uns Menschen entsprechend wandeln und nicht umgekehrt. Aus einer gefühlten Verbundenheit mit der wilden Lebenskraft im Innen ordnen sich die Dinge neu und es erwachsen neue Formen auch im Außen. 

Die Ausbildung als Doula hat mich dafür tiefer geöffnet, dass es letztlich essenziell darum geht, die Frau, die Mutter des Ungeborenen, für ihre eigenen Bedürfnisse zu öffnen. Für das Bedürfnis nach Liebe, nach Berührung, nach Angenommensein, nach Anerkennung und Wertschätzung. Das Bedürfnis mit diesen Bedürfnissen in einer Menschenfamilie ganz angenommen und aufgenommen zu sein, will in uns Frauen jetzt freigelegt und geheilt werden. Als Menschen sind wir aufgerufen, der Frau den freien Raum zu gönnen, sie zu stärken, ihren ureigenen Weg zu bahnen, durch all die kulturellen Prägungen, Konditionierungen, Wunden, Kränkungen und Traumata hindurch.

Die Bedeutung einer Doula als Dienerin und Begleiterin der Frau

So wichtig, dass es immer mehr Doulas gibt, die zur Seite stehen, die da sind, diese innovativen freien Schritte zu begleiten, die der Angst eine Stütze sind, so dass die Frau mutig Neues wagen kann und dabei sich nicht allein gelassen fühlt. Eine Doula hört zu, sie sendet Liebe und Verständnis aus ihrem Herzen, was immer auftauchen mag an Hindernissen und Herausforderungen im Prozess des sich Öffnens für den neuen Lebensabschnitt des Muttersein. Sie bringt Informationen, die den Prozess unterstützen, ohne ihn zu manipulieren oder zu dirigieren. Sie öffnet einen Raum, indem die schwangere Mutter ihren ureigenen Weg finden kann. Dieser Weg darf kurvig, in Kreisen und Spiralen gehen. Wirkliche Lebensprozesse kann man nicht dirigieren, sie entfalten sich, wie bei der Entwicklung unserer Kinder, von innen heraus. Die Schleier und Fesseln, die wir zum Überleben um bestimmte Bedürfnisse und Kräfte in uns gewickelt haben, dürfen sich auf eigene Weise, in einem individuellen Tempo befreien.

So gerne will ich Mütter unterstützten diesem inneren Lösungs- und Befreiungsprozess zu lauschen und zu dienen, wo und wofür immer es mich braucht. Ich will mit meiner Präsenz und Erfahrung fein signalisieren, dass ich da bin, dass ich zuverlässig vom Herzen höre und mit Entscheidungen mit fließe.

Inspiriert durch die amerikanische „Farm“ (Literatur von Ina May Gaskin) will ich einen Ort kreieren, der Frauen, Vätern und Familien während der Schwangerschaft, der Vorbereitung auf die Geburt, der Geburt  selbst und in der Wochenbettzeit einen „Urlaub“ ermöglicht. Ein Urlaub, der Menschen erlaubt zu ihrer Urnatur zurück zu finden und dabei ihr Leben neu zu erfahren und zu gestalten. Dafür suche ich einen Ort auf dem Land, falls du als LeserIn einen Tipp hast, freue ich mich sehr.