15 Jahre Mariananda-Stille-Meditation am Brandenburger Tor

Von den Mariananda-Blue-Planet-Helpers

 

Der Satz „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“ prägte die 80er Jahre, er war auf Postkarten und Plakaten zu sehen. Die Berliner spirituelle Lehrerin Mariananda verstand ihn nicht als Parole, als linkspolitische Utopie, nein, sie nahm ihn wörtlich, in aller Radikalität, so wie sie immer hundert Prozent das meint und lebt, was sie sagt. Sie berichtet immer wieder, wie dieser Satz sie mitten ins Herz getroffen hat und sie in dem Moment, in dem sie ihn las, wusste: Das ist die Überschrift für mein Leben – kein Krieg, egal, was passiert. Ich mache nicht mit.

Dass es sich bei Krieg um jeden Krieg handelt – die großen politischen Kriege und die vermeintlich kleinen, in denen wir andere Menschen oder uns selbst bekämpfen, abwerten, verurteilen –, war für sie schon immer selbstverständlich, der unmittelbare Zusammenhang zwischen Innen und Außen, dem Privaten und Politischen schlichtweg logisch.

Als die USA nach 9/11 beginnen, einen Krieg gegen den Irak vorzubereiten, erklärt am 4. September 2002 der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder: „Unter meiner Führung wird sich Deutschland an einer Intervention im Irak nicht beteiligen.“ Aus Dankbarkeit und in Unterstützung dieser mutigen politischen Entscheidung initiiert Mariananda die öffentliche Meditation für den Frieden. Und zwar nicht irgendwo, sondern direkt vor dem Brandenburger Tor.

Sie bekommt die polizeiliche Genehmigung und so sitzt sie dort mit einer Gruppe von Schülern und Freunden im September 2002 das erste Mal für eine Stunde in Stille. Es ist der Gründungstag der Mariananda-Friedens-Meditation, die jetzt, im September 2016, ihr fünfzehnjähriges Jubiläum feiert. Die Polizei begrüßt Mariananda mit Handschlag und ist seitdem genauso treu jede Woche auf dem Pariser Platz wie die Meditierenden. Interessierten Touristen geben die Polizisten bereitwillig Auskunft: „Die meditieren hier für den Frieden. Jeden Sonntag.“

Mariananda-Stille-Meditation – Auch im Winter?

Wie – jeden Sonntag? Auch im Winter? Ja. Jeden Sonntag von 12 bis 13 Uhr. Bei 40 Grad im Sommer und bei minus 12 Grad im Winter. Bei Regen, bei Eis, bei brütender Hitze, bei Schnee, bei Wind und Wetter. Am Anfang saßen die Menschen auf mitgebrachten Kissen oder ihrer Jacke. Sie trugen die Friedensbotschaft auf einem Papier an die Rücken geheftet.

Inzwischen gibt es festes Equipment, bestehend aus 40 blauen Kissen, Decken und Regenschirmen. Es gibt Schilder und Aufsteller, auf denen steht, warum wir hier sitzen. Es gibt ein festes Ritual, bevor wir beginnen. Wir sammeln allen Müll, Zigarettenkippen, Glasscherben usw. auf, legen die Kissen im Kreis aus, und zwar immer doppelt so viele, wie wir selber sind. Dann schmücken wir die Mitte um die Kerze herum mit Blumen. Zum Schluss zünden wir die Kerze an. Einer lässt die Zimbel erklingen zum Beginn. Und zum Ende.

„Wir“ das sind die Blue Planet Helpers, Schüler und Schülerinnen von Mariananda, die seit vielen Jahren in Berlin lehrt. Mariananda ist unsere geliebte Lehrerin und lebendiges Vorbild für gelebte Spiritualität im Alltag. Das Zitat von Mariananda „Frieden beginnt immer innen. Realisiere das. Dann kannst du keinen Krieg mehr führen. Weder im Innen noch im Außen.“ steht auf den Schildern, die wir zwischen die Sitzkissen legen. Wir haben die Botschaft in verschiedene Sprachen übersetzt und wir hören, wie Menschen sie sich auf Englisch, Spanisch, Polnisch, Hebräisch, Russisch, Arabisch und anderen Sprachen gegenseitig vorlesen, wie sie zustimmen, sich austauschen und manchmal wild diskutieren.

Menschen, die mit uns saßen, berichten davon, wie überrascht sie waren, als sie die Kraft des Stille- Kreises spürten. Dass sie förmlich in die Stille hineingezogen wurden. Immer wieder bestätigen uns Besucher, dass sie tatsächlich im Winter, selbst bei Minusgraden, nicht gefroren haben, ein Phänomen, das uns selbst immer wieder fasziniert. Danach, wenn wir aufstehen, die Kissen einsammeln und einpacken, dann spüren wir plötzlich die Kälte. Beim Sitzen nicht.

Bewusstseinswende

Die Gründung der Friedensmeditation markiert eine Wende im öffentlichen Bewusstsein.

In einem Interview erklärt Mariananda die politische Bedeutung der Meditation, die in einer Zeit begann, als sich eine Bewusstseinswende in der politischen Öffentlichkeit vollzog. Das „Nein“ von Gerhard Schröder zum Irak-Krieg markierte ein öffentliches Bekenntnis zum Frieden, das sich auch in der Bevölkerung widerspiegelte. Ausgerechnet Deutschland, das Land der Nazitäter, wird international gesehen als das Land, das sich gegen die USA stellt, für den Frieden einsetzt und den Irak-Krieg nicht unterstützt.

Es ist eine Zeit, in der der Politiker Otto Schily öffentlich bekennt, dass er mit seiner Tochter abends betet. Das, so sagt Mariananda, die in den 60er, 70er und 80er Jahren sehr aktiv am öffentlichen politischen Leben teilnahm, wurde vorher nicht gemacht, man redete in der Öffentlichkeit nicht über Spiritualität. Schon gar nicht als Politiker. Die Friedens-Meditation vereint diese so lange und gern getrennt gehaltenen Bereiche: das Politische, das Private und das Spirituelle.

Für Mariananda hat es diese Trennung nie gegeben, für sie geht es bei der spirituellen Schulung ihrer Schüler und Schülerinnen nicht darum, dass es ihnen „besser“ geht. Wenn das passiert, mag es eine willkommene Nebenerscheinung sein.

Es geht vielmehr darum, Menschen darin zu unterstützen, aufzuwachen, zu erkennen, wer sie wirklich sind, und sich dann in der Erfahrung der Leere, Stille, Liebe, dem Göttlichen, wie auch immer man es nennen mag, zu verankern. Das ist die Voraussetzung, um ein wirklich friedliebender, freier und in jedem Moment seine Denkweisen und Persönlichkeitsstrukturen hinterfragender Mensch zu werden, in dessen Handlungen sich dieses Bewusstsein widerspiegelt. Ein lebenslanger Prozess. Oder man könnte auch sagen: eine lebenslange Meditation des inneren und äußeren Friedens.

Mariananda-Stille-Meditation – Die Anziehung des Kreises

Tausende von Menschen aus aller Welt haben uns fotografiert, den Kreis der Meditierenden vor dem Brandenburger Tor. Viele setzen sich dazu, und manche berichten hinterher, dass es das Highlight ihres Berlinbesuchs gewesen sei. Besonders Menschen, die Krieg erlebt haben, aus Frankreich, England, Russland, den USA, Menschen von überall auf der Welt sprechen uns an, manche haben Tränen in den Augen, überwältigt von der Symbolkraft des Ortes und der Botschaft des Meditationskreises. Der Kreis ist mittlerweile weltweit bekannt geworden. Mariananda bekommt immer wieder Briefe, in denen Menschen sich bedanken.

Es fällt auf, dass sich Kinder vom Kreis angezogen fühlen. Wir hören sie ihre Eltern fragen: „Was machen die da?“, wenn sich die Kinder zu uns auf die Kissen setzen. Manche schauen still und wach. Manche sitzen da wie kleine Buddhas in perfekter Meditationshaltung. Einmal meditierten zwei halbwüchsige Jungs mit uns, sie hatten kaputte schmutzige Kleidung an und ihren Gesichtern sah man ein raues Leben an. Vielleicht lebten sie auf der Straße. Ich sah, wie sie sich in den Kreis setzten. Und als ich eine ganze Weile später schaute, saßen sie immer noch da. Mit geschlossenen Augen. Versunken.

Meditation für alle Täter und Opfer

15. November 2015. Die Terroranschläge in Paris sind zwei Tage her. Vor der Französischen Botschaft am Pariser Platz haben Menschen Blumen hingelegt, Kerzen brennen. Der Platz ist abgesperrt, dort, wo sich sonst die Touristen treiben lassen, herrscht eine gespenstische Stille. Wir sitzen wie jeden Sonntag im Kreis und meditieren. Wir alle spüren die Nähe der Gewalt, die Trauer, die Hilflosigkeit und Angst. In der Mitte unseres Kreises die Kerze in einem Glas mit der Aufschrift: Für alle Opfer und Täter. For all victims and victimizers. Die Relevanz dieses Satzes ist nie so unmittelbar gewesen: die spürbare Notwendigkeit für ein neues Bewusstsein jenseits von „das sind die Bösen und wir die Guten“. An diesem Tag stehen die Polizisten mit einem vergitterten Mannschaftswagen am Rande des Platzes, voll besetzt. Als wir zum Platz kommen, sagt uns einer von ihnen mit ernstem Gesicht: Wir sind wegen euch hier.

Stille Meditation – was heißt das?

In der Friedens-Meditation meditieren wir angesichts all der Kriege auf der Welt im Vertrauen auf Frieden. Im Vertrauen, dass uns die Sehnsucht nach einem erfüllten und friedlichen Leben mit jedem menschlichen Herzen verbindet. Aber was heißt das konkret? Wie geht das?

So wie es auf der ganzen Welt Krieg und Gewalt gibt, gibt es ihn auch in jedem einzelnen unserer Köpfe. Hier beginnt die Meditation. Gedanken kreisen, sie kreisen um die großen Themen und die kleinen. Sie kreisen um die Demo, die neben uns stattfindet gegen Menschenrechtsverletzungen, wo Menschen verzweifelt ins Mikro schreien, sie kreisen um die Menschen, die lachend eine Aktion gegen den Brexit veranstalten und einen Kusskreis um uns herum bilden. Sie kreisen um den Streit mit meiner Kollegin, um den Drehorgelspieler, um die Kälte, um die Wärme, um Kommentare der Umstehenden, mal fühlen wir uns gut, mal nicht.

Zu allem „Ja“ sagen, hat uns Mariananda gelehrt. Was nicht heißt, dass ich alles gut finden soll. Absolut nicht. Es geht darum zu sehen, zu realisieren, in welchen Momenten meines Erlebens ich mich verschließe, um mich dann bewusst und aktiv wieder zu öffnen. Es geht darum, die Gedanken und Gefühle, die dieses Erleben begleiten, bewusst wahrzunehmen. Mal ist es stiller im Kopf, mal weniger. Auch das gilt es anzunehmen, wie es ist.

Für den Frieden meditieren heißt zu erkennen – egal was außen oder innen passiert –, dass ich nicht meine Gedanken und Gefühle bin, sondern das, was diese Gedanken und Gefühle sieht, beobachtet. Erst dann, wenn ich nicht mehr abhängig bin von meinen Vorstellungen und Gedanken darüber, wie die Dinge sein sollten, von meinen Bewertungen darüber, was gut ist oder schlecht, kann ich „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“ wirklich in die Tat umsetzen. Das heißt: nicht zu kämpfen, wenn mir etwas nicht gefällt. Nicht zu kämpfen, wenn jemand mich angreift. Nicht zu kämpfen, wenn ich wütend bin. Wenn ich hilflos bin oder Angst habe.

Es geht darum, alle Impulse wahrzunehmen, in denen ich kämpfen, argumentieren, mich verteidigen will, auf welcher Ebene auch immer. Sei es bezogen auf die große Weltpolitik, sei es in meiner Partnerschaft. Egal, ob durch Worte, Handlungen oder Gedanken. Statt dessen alle Kampfesimpulse wahrzunehmen und eine Entscheidung zu treffen. Nämlich die, diesen Impulsen nicht zu folgen. Oder wenn ich ihnen gerade folge, es wieder zu lassen. In jedem Moment. Darum geht es in der Stille der Friedensmeditation. Und in einem bewussten Leben.

 


Am 18. September ist die Feier des 15. Gründungstages der Mariananda-Friedens-Stille-Meditation von 11.30 bis ca. 14 Uhr. Im Rahmen des Festprogramms wird die einstündige öffentliche Meditation wie immer von 12 bis 13 Uhr stattfinden, anschließend werden die „Mariananda Singers & Friends“ ein Ständchen singen. Wer mitfeiern und meditieren will: Jeder ist herzlich willkommen.

Veranstaltungen mit Mariananda

Satsang:
Sa, 17. Sept., 22. Okt., 19. Nov. u. 17. Dez. 2016
in Berlin, Akazienhof, Akazienstr. 27, Beitrag 15 €
Einlass 15.30 Uhr

Stille-Retreats:
3.-6. Nov. 2016 (nur noch wenige Plätze frei!)
sowie 16.-19. März, 9.-16. Juli und 5.-8. Oktober 2017,
jeweils im Schlüsshof bei Berlin

Es gibt Videos bei youtube über Mariananda Schmejkal ebenso wie fortlaufende Informationen bei facebook.
Mehr Infos und Anm. über Heike Krups- Tischer
unter Tel.: 030-77206839 oder supervision.h.krups-tischer@t-online.de
www.enneagramtraining.de

 

Eine Antwort

  1. Helmut Blümel

    Mariananda-Stille-Meditation: Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin – dann kommt der Krieg zu dir. Wenn Zitate, dann bitte nicht aus dem Zusammenhang gelöst, sonst wirkt die Anwendung unglaubwürdig. Vielen Dank

    Antworten

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