Ja, es gibt sie noch immer, jene Menschen, die Coach mit Couch verwechseln. Und Coaching mit Psychotherapie. Das ist schade. Denn Coaching ist eine kraftvolle Hilfe und Begleitung – für verantwortungsbewusste, gesunde Frauen und Männer. Um den Blick fürs Wesentliche zu schärfen und Ziele leichter und schneller zu erreichen als alleine.

Von Robert Heeß

 

Nennen wir sie Stefanie. Sie hat nach zehn Jahren Ehe ihren Mann verlassen, obwohl sie lieber mit ihm zusammen geblieben wäre. Anfang 30 ist sie, zu vieles ist mit der Zeit schräg geworden in ihrer Ehe: Sie können kaum noch in Ruhe miteinander reden, haben kaum noch gemeinsamen Sex, er arbeitet immer mehr, trinkt viel Alkohol, zu viel. Irgendwann sieht sie keinen anderen Ausweg, als zu gehen.

Oder Klaus, Anfang 40, verheiratet, Vater von zwei Kindern, freiberuflicher ITSpezialist, Hauseigentümer. Seit anderthalb Jahren kümmert er sich um ein Software-Projekt bei einem DAX-Konzern. Er ist zwar nicht fest angestellt, der Kultur des Unternehmens kann er sich – natürlich – nicht entziehen. Immer häufiger fühlt er sich von nicht ausgesprochenen Erwartungen unter Druck gesetzt, ungeklärte Konflikte, Machtmissbrauch und intrigantes Verhalten setzen ihm zu. Verschiedene Zusammenhänge, ähnliche Symptome. Stefanies Durcheinander hat einen privaten Anlass, Klaus kämpft mit beruflichen Herausforderungen. Beide fühlen sich ratlos, hilflos, verwirrt, beide sind emotional enorm belastet und angespannt, kämpfen mit Selbstvorwürfen, beider Leben ist mehr oder weniger aus den Fugen geraten.

Was tun?

Der allererste und wichtigste Schritt: Mutig sein! Mutig genug sein, es nicht alleine schaffen zu müssen! Sich nicht zu schämen, weil man gerade Beistand und Unterstützung braucht! In unserer individualistisch geprägten Gesellschaft ist das für viele Menschen noch immer ein großer Schritt. Eine immense Herausforderung.

Sich Hilfe zu holen ist weder Scheitern noch Aufgeben, im Gegenteil, es zeugt von Größe, innerer Reife und Entschlossenheit. Von Verantwortlichkeit für sich selbst und für sein persönliches Umfeld, die Familie, Freunde, Kollegen, Geschäftspartner, Nachbarn.

Also was tun? Antwort: Sich beraten oder coachen lassen. Das sind zwei verschiedene Ansätze, auch wenn die beiden Begriffe häufig synonym verwendet werden. Beratung im engeren Sinn bedeutet Know-how-Transfer. Das heißt, Stefanie und Klaus holen sich Wissen und Ideen, was sie jetzt tun und lassen sollten.

Obwohl auch Coaching immer wieder Phasen und Anteile von Beratung und Training hat, macht ein guter Coach vor allem eines: keine Lösungen liefern. Keine Rezepte. Kein So-geht’s-Handbuch. Was einen guten Coach ausmacht, ist die Fähigkeit, Fragen zu stellen. Und zwar möglichst kluge und gute! Fragen, die den Klienten – den Coachee – Zusammenhänge erkennen und eigene (!) Lösungen finden lassen. Fragen, die dem Coachee helfen, Eindrücke, Empfindungen, Ereignisse, Pläne und Vorhaben zu sortieren, aus anderen Blickwinkeln zu schauen, neue Denk- und Handlungsoptionen zu entwickeln und gegebenenfalls auszuprobieren. Und dann die neuen Erfahrungen zu reflektieren: Was passt? Was ist gut und stimmig, was funktioniert? Was will der Coachee weiter bearbeiten? Wie und bis wann?

Coaching muss nicht lange dauern

Sich coachen zu lassen muss deswegen nicht zwangsläufig viele Sitzungen bedeuten, es muss nicht unbedingt mehrere Wochen oder Monate dauern. Das kann es, ja. Ebenso kann es möglich sein, dass das Coaching-Ziel bereits nach einer oder zwei Sitzungen erreicht ist. Deshalb bitte ich Coaching-Interessenten immer, sich zunächst auf eine, zwei oder drei Sessions einzustellen. Denn dann wissen wir mehr: Entweder haben Klienten ihre Lösung(en) gefunden – oder es sind weitere Themen deutlich geworden, die es zu bearbeiten gilt. Daraus ergeben sich dann Meilensteine für einen intensiveren Coaching-Prozess.

Wie bei Stefanie. Als sie bei mir anruft, ist sie in ihrem Elternhaus gelandet, in ihrem früheren Kinderzimmer. Sie schämt sich vor sich selbst, fühlt sich verloren und hat kaum noch Selbstachtung. Vor allem hat sie keine Idee, wie sie ihr Leben wieder in den Griff kriegen könnte. Als sie schon im Probe-Coaching bemerkt, wie gut es ihr tut, sich jemand Außenstehendem anzuvertrauen, jemandem, der sie weder zu trösten versucht noch gut gemeinte Ratschläge oder Ermahnungen verteilt, da wird ein Hoffnungsschimmer in ihr wach. Ein zarter Keimling. Sie wagt es, vorsichtig nach vorne zu schauen. Eine eigene Wohnung wolle sie und eine Arbeitsstelle. „Schnell, und…“, sie zögert, „eigentlich wollte ich schon immer im Ausland arbeiten.“

Damit hat Stefanie formuliert, was für sie das Coachingziel und wichtige Meilensteine sind: Arbeit finden, Wohnung finden, egal in welcher Reihenfolge, nur schnell soll es gehen. Und am allerbesten im Ausland. „Ich muss aus diesem Kinderzimmer hier raus!“, sagt sie heiser. Wir reden über die bevorstehende Feinarbeit – ein gemeinsames Hinschauen, eine gemeinsame Suche, die ich als Ehre empfinde. Weil mir Stefanie ihr Vertrauen schenkt, weil sie mich zu ihrem Coach macht: zu einem temporären Weg bereiter und -begleiter.

Stefanies erste große Hürde ist, mit ihren Gefühlen und Emotionen zurechtzukommen und Selbstvorwürfe in Klarheit zu wandeln. Damit sie sich erlauben kann, ihren ganz persönlichen Weg zu finden und zu gehen, ohne ihren Ehemann. Ihre zweite Hürde: Wie Geld verdienen? Sie tut sich schwer zu benennen, was sie einem Arbeitgeber anbieten kann und will (!), also solche Kenntnisse und Fähigkeiten, die über das hinausgehen, was ihre Ausbildung und ihre bisherigen Tätigkeiten belegen. Schritt für Schritt füllt sie im Coaching ihre „Stefanie-Schatzkiste“ und entwickelt daraus eine für sie komplett neue Bewerbungsmappe: mit den Schatzkisten-Fähigkeiten schon im Anschreiben. Plus Lebenslauf und Zeugnisse.

Wie den passenden Coach finden?

Wer sich über Coaching informieren will oder einen passenden Coach sucht, wird auf den Portalen von Coaching- Verbänden fündig (z.B. ICF Deutschland, DBVC, BDVT). Seit 2015 gibt es mit „www.the-coach.net“ einen Blog, auf dem Coaches sehr persönlich über vielfältige Lebens- und Berufsthemen schreiben. Das hat für Coach-Sucher zwei Vorteile: Schon während der Recherche finden sich häufig wertvolle Anregungen für die eigenen Fragen. Zusätzlich vermitteln die Blogposts auch ein erstes Bauchgefühl für den Coach als Menschen. Dieses Bauchgefühl erachte ich für enorm bedeutsam bei der Coach-Suche, schließlich ist die Zusammenarbeit mit einem Coach ein sehr persönlicher Entwicklungsprozess, der auf Vertrauen, Verlässlichkeit und Diskretion basiert.

Und dann: Unbedingt ein Probe- Coaching nutzen, um einen unmittelbaren, persönlichen Eindruck vom möglichen Coach zu gewinnen. Bei seriösen Anbietern ist das in aller Regel unverbindlich und kostenfrei möglich. Alle Beteiligten können so für sich klären, ob da was zusammenpasst oder nicht. Neben den Internetportalen lohnt sich natürlich auch, sich im Freundes- und Bekanntenkreis nach Coaching-Erfahrungen umzuhören.

Wer in einem größeren Unternehmen tätig ist und ein gewünschtes Coaching nicht unbedingt geheim halten will, der kann sich Tipps von der Personalabteilung holen. Zum einen sind interne Coaching-Programme längst keine Seltenheit mehr, zum anderen finanziert das Unternehmen möglicherweise auch ein externes Coaching. Schließlich ist es eine Win-Win-Situation für Mitarbeiter und Unternehmen. Denn wer sich coachen lässt, hat ja was vor! In der Essenz betrachtet: den Blick fürs Wesent liche zu schärfen und leichter und schneller in einem bestimmten Thema voranzukommen.

So wie das Klaus gelang. Ihm gingen regelrecht Kronleuchter auf, als er sich die Zeit nahm zu formulieren, was ihm wirklich wichtig ist. Was für ihn zählt im Leben. Hingebungsvoll widmete er sich der Werte-Kodex-Übung – „endlich!“, wie er erleichtert feststellte. Für jeden Lebensbereich machte er eine Liste seiner ethischen Werte. Die jeweils wichtigsten übertrug er in eine Skala, wie ausgeprägt er diese Werte gerade lebt. Schwarz auf weiß hatte Klaus jetzt vor sich, was er vernachlässigt hatte, was ihm in den belasteten Bereichen Beruf/ Karriere und Finanzen/Materielles so zusetzte. Und: Welche Gespräche jetzt zu führen waren. Dringend. Als er geklärt hatte, worauf er unter keinen Umständen verzichten darf, will er sich guten Gewissens im Spiegel in die Augen schauen, entwickelten sich sein Mut zu Veränderung und die dafür notwendige Entschlossenheit rasant.

Die wichtigsten Grundprinzipien von Coaching sind Selbstbestimmung, Freiwilligkeit, Unabhängigkeit und Ergebnisoffenheit. Wie häufig Coach und Coachee miteinander sprechen, hängt vom Thema und dessen Dringlichkeit ab. Und vom Temperament und der Erwartungshaltung des Klienten. Für viele Coachs ist daher weder die Dauer einer Session festgelegt noch der Rhythmus, in dem die Sitzungen stattfinden. Individuelle Vereinbarungen sind hier gefragt. Oft sind zu Beginn eines Coachingprozesses die Gespräche länger und häufiger, um eine möglichst rasche, positive Veränderung auszulösen; eine Veränderung, die der Klient anstrebt und leben will! Das motiviert und setzt häufig überraschende Kraft und Zuversicht frei. Es kann jedoch – und darf aus rechtlichen Gründen – nicht um Coaching gehen, wenn psychische Krankheitsbilder vorliegen, beispielsweise eine Depression. Dann braucht es Begleitung durch Psychologen oder Psychotherapeuten. Was ja ein ganz normaler Gang ist, genauso normal wie bei Zahnschmerzen einen Zahnarzt aufzusuchen.

Stefanies Wendepunkt

Übrigens: Persönlich habe ich meinen Coachee Stefanie bis heute nicht getroffen, es war ein 100-Prozent-Telefon-Coaching. So waren wir geographisch und zeitlich flexibel, es gab weder Fahrtzeiten noch -kosten. Andere Klienten brauchen das persönliche Treffen unbedingt, oder einen Mix aus Treffen, Telefon, Skype oder online. Stefanie dagegen fühlte sich sicherer in der visuellen Anonymität. Sie wollte den Teil der Aufmerksamkeit, der im face- to-face-Coaching in Wahrnehmen und Verarbeiten visueller Eindrücke fließt, für ihre inneren Vorgänge nutzen; sie sei offener und mutiger, sich sensible Themen anzuschauen, erklärte sie, wenn sie sich nicht so beobachtet fühle.

Stefanies „Schatzkiste“ war ihr persönlicher Wendepunkt, es war ihr Wegweiser raus aus dem Sumpf! Plötzlich konnte sie (wieder) sehen und fühlen, was sie alles kann und gerne tut und gerne zur Verfügung stellt. Ihre Selbstachtung stieg, sie glaubte wieder an ihre Selbstwirksamkeit – und fand auf Anhieb eine Arbeitsstelle. Noch dazu eine, für die sie zwar nicht die geforderte Ausbildung hatte, aber Kenntnisse. Plus ihre Schatzkisten-Fähigkeiten, die für die Firma so attraktiv und überzeugend waren, dass das fehlende Zertifikat keine Rolle mehr spielte. Und eineinhalb Jahre später ergab sich für Stefanie die Möglichkeit, nach Spanien zu wechseln: Barcelona – Viva la vida!

 


Workshops Dresden: Die Kunst der Kooperation
am 3.9.2016

Bad Belzig, ZEGG: GELD-Männerworkshop
am 18.-21.5.2017

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