Einige Gedanken zu Potsdam aus geomantischer Sicht von Claas Fischer

Heimat ist für mich ein Ort, an dem ich Verbundenheit und Zugehörigkeit empfinde, ein Ort, an dem ich als spirituelles Wesen eine Einheit erlebe, die mir eine Ahnung von meinem Ur-sprung, der Ureinheit, gibt: der Mutterleib auf der körperlichen, das göttliche All-Eine auf der geistig-seelischen Ebene. Hieraus wird schon deutlich, dass es für mich verschiedene Arten von Heimat gibt.
Geboren und aufgewachsen bin ich im westfälischen Sauerland, das ich mit Schiefergebirgen, Wildbächen, ausgedehnten Wäldern, Jugendfreunden und meiner zusammenhaltenden Groß-familie verbinde. Es ist meine irdische Heimat, die meinen Wurzeln, meiner Basis, Kraft schenkt und mich im Leben zentriert.
Meine kosmische Heimat hingegen habe ich in der Hochwüste Neumexikos gefunden. Ge-prägt von Sonne, Weite und rauen, roten Felsen vermittelt das Land mir das Gefühl, dem Himmel ganz nahe zu sein. Hier befreit sich der Geist, und der Schleier zu astralen und galak-tischen Welten lüftet sich.
Meine Wohnheimat schließlich (sozusagen die Mitte aus beiden erstgenannten) ist seit nun-mehr über fünf Jahren das brandenburgische Potsdam. Mein Verhältnis zu dieser Stadt war von Anfang an in steter Entwicklung begriffen. Zunächst beherrschte mich ein wahrlich jauchzendes Prickeln, eingebettet zu sein in diese wunderschöne Kulturlandschaft an der Havel mit ihren prächtigen Park- und Schlossanlagen. Doch mit der Zeit wich die Begeiste-rung einem kritischen Blick. Immer mehr traten die gezielten Zerstörungen und ignoranten Bausünden der sozialistischen und jüngsten Vergangenheit in mein Bewusstsein. Das ging so weit, dass ich es kaum mehr aushielt und der Stadt eigentlich den Rücken zukehren wollte. Doch eine tiefe Auseinandersetzung begann: Der Ort spiegelte mir meine eigene Diskrepanz von Ideal und Wirklichkeit. –
Ich fing an, mich mit der Geschichte des Ortes vertraut zu machen.

Die Gründungssage Potsdams beschreibt sehr bewegend die Begegnung des Menschen mit der Seele der Landschaft, die in ihren Qualitäten das Liebliche, Anmutige, Musische und Schöngeistige trägt, also vor allem vom Prinzip des Elementes Wasser geprägt ist.
Diese in der Kunst- und Gefühlswelt beheimateten Eigenschaften tauchen als Motiv in der Stadtgeschichte immer wieder auf:
• Da ist der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm, der im 17. Jahrhundert die „Insel Potsdam“ erwirbt, sie erschließt und mit seinem Verwandten Johann Moritz von Nassau-Siegen beabsichtigt, aus ihr ein „Paradies“ zu machen. Gleichsam beweist er religiöse Toleranz, indem er das „Edikt von Potsdam“ erlässt, das eine Ansiedlung flüchtiger Hugenotten ermöglicht.
• Da ist Friedrich II., der „Philosoph auf dem Thron“, Weisheitsgelehrter, Lyriker, Kompo-nist und Anhänger der Aufklärung, der sich im 18. Jahrhundert für Humanität, Glaubens-freiheit und Gleichwertigkeit der Menschen ausspricht.
• Da ist Friedrich Wilhelm IV., der „Romantiker auf dem Thron“, der im 19. Jahrhundert die Ideen des Großen Kurfürsten fortsetzt und die künstlerische Gestaltung Potsdams zum Höhepunkt führt und gar nicht so recht in die Zeit der Revolution hineinzupassen scheint.
• Und da ist die die Bundesgartenschau in 2001, die mit einem ganzstädtischen Konzept gar an jenem Urprinzip wieder anzuknüpfen schien.
Potsdam hat 300 Jahre lang als hoheitlicher Sitz der preußischen Herrscher gedient. Darin drückt sich noch ein anderes Element aus, das den Ortscharakter maßgeblich mitbestimmt: das Feuer, das mit dem Element Wasser ein starkes Spannungsverhältnis eingeht. Es zeigt sich auch in der Tatsache, dass die Stadt seit der Zeit Friedrich Wilhelm I., des Soldaten-königs, Sitz der Garnison war. (Die preußische Infanterie galt als die beste der Welt!)
Friedrich II. verkörpert diese zwei Kräfte, die miteinander ringen, sehr deutlich; denn ganz im Widerspruch zu seiner menschenfreundlichen Ethik zettelt er drei blutige Schlesische Kriege an, die er mit aggressiver Tollkühnheit austrägt.
Ein Blick auf meine persönliche Elementeverteilung zeigt, dass Heimat als ein Ort bezeichnet werden kann, an dem das Wesen des Menschen und das Wesen des Ortes in Resonanz treten: Ich bin unter einer wässrigen Sonne und einem wässrigen Mond und mit einem feurigen Aszendenten geboren. –
Die bewusste Auseinandersetzung mit dem Ort ermöglichte mir also, ihn neu kennen zu lernen, mich selbst in ihm zu sehen, ihn so anzunehmen, wie er ist, und in ihm schließlich Wurzeln zu schlagen.
Plätze, die mich beispielsweise von Anfang an angezogen haben, sind der Ruinenberg und der Pfingstberg, die eine nordwestliche Flanke über der Stadt bilden, und die Freundschaftsinsel und die Havelpromenade als südostliche Flanke. Während die Berge (beide immerhin mehr als 70 m hoch!) sich für mich als das Himmelsfeuer einfangende Orte darstellen, bildet die Havelinsel – als Pendant dazu – das Zentrum der wässrigen Wesenskraft.
Auch schlägt mein Herz für das Herz der Stadt, den Alten Markt, und seinen Vorhof, den Lustgarten. Sie lagen in den vergangenen Jahrzehnten ausblutend und vergessen da, doch erfreulicherweise treibt die Stadtpolitik derzeit die Wiederbelebung und Neuentwicklung in vollem Gange an.
Am meisten aber genieße ich hier das Lustwandeln, wozu Potsdam geradezu geschaffen ist! Die Parks, vor allem der Park Sanssouci und der Neue Garten, halten für mich zu jeder Jahreszeit in ihrer Vielfältigkeit ein immenses Potential an Lebensfreude bereit. – So als wären die Naturwesen dort darauf getrimmt, den Millionen von Menschen, die aus aller Welt kommend jährlich durch die Anlagen streifen, einen Beutel voll Glück mit auf den Weg zu geben! Gewiss, dort findet man keine unberührte Natur vor, ganz im Gegenteil, es ist zu 100% gemachte Natur, der die Menschen dort begegnen. Doch gerade darum fühle ich mich hier goldrichtig; denn das ist Geomantie: einen Lebensraum zu schaffen, der Mensch und Natur zusammenbringt.