Gibt es ein Vertrauen, das nicht zerstört werden kann? Und wenn ja, wo und wie finden wir es?

von Regina Heckert

Nie aus dem Vertrauen rausfallen – ist das nicht übermenschlich und hat mit der menschlichen Realität wenig zu tun? Denn es findet sich vermutlich niemand unter uns, dessen Vertrauen noch nie enttäuscht worden ist – und das Gefühl der Enttäuschung ist ja schon das Rausfallen aus dem Vertrauen. Und dennoch vertrauen wir immer wieder aufs Neue: unserem Lebenspartner, Freunden, Vorgesetzten, der Politik und vielem mehr. Manchmal vertrauen wir sogar blind allem und jedem. Genauso gibt es allerdings Menschen, die blind allem und jedem misstrauen. Ob wir zur einen oder anderen Richtung neigen, hat mit den Erfahrungen unserer frühen Kindheit und denen unserer weiteren Lebensgeschichte zu tun.

Wo das Urvertrauen in der Kindheit schon einen Knacks bekommen hat, wird es später schwierig, dieses geschädigte Lebensfundament nicht in alle möglichen Begebenheiten hineinzuprojizieren. Gerade unsere heutige Welt bietet wie eine weit aufgespannte Leinwand unzählige Möglichkeiten, Misstrauen, Ängste und Erwartungen darauf zu projizieren – als brodelnden Seelenmix, der unentwegt an unserer Sehnsucht nach Frieden und Wohlbefinden nagt. Und was ist dabei die Wahrheit? Heute wird dieses gesagt, morgen etwas anderes. Corona, Krieg und Klimawandel führen zu Tausenden von Meinungen. Sie zermartern das Hirn und wiegeln uns gegeneinander auf. Dabei wünschen sich so viele von uns Orientierung inmitten von unüberschaubaren und rasanten Veränderungen und Bedrohungen in der Außenwelt. Gibt es eine solche klare Orientierung vielleicht doch?

Wenn wir uns einer Sache tatsächlich sicher sind, brauchen wir kein Vertrauen. Also könnte ein geschenktes Vertrauen (wir sind uns sicher, dass jemand unser Vertrauen verdient) generell so etwas wie Vorschusslorbeeren sein. Man erwartet, dass sich ein Mensch so und so verhält. Tut er das dann wirklich, so steigt das Vertrauen in ihn sogar noch. Im anderen Fall erlebt es aber leider einen Bruch. Werden wir hintergangen, belogen, getäuscht, ist unser Vertrauen manchmal für immer zerstört. Etwas oder jemandem zu vertrauen, scheint also nicht wirklich verlässlich zu sein. Oder…?

Dünnes Eis: blind menschlichen Beziehungen vertrauen

Als Tantralehrerin sind Liebe, Sexualität und Partnerschaft schon seit Jahrzehnten meine zentralen Lebensthemen. Gerade die menschliche Beziehung scheint vom gegenseitigen Vertrauen zu leben und nur damit gut zu gelingen. „Ich kann nicht treu sein, nur ehrlich!“ sagte ich meinem ersten Mann kurz vor unserer Heirat. „Sollte also etwas mit einem anderen Mann sein, so werde ich dir das nicht verschweigen.“ Völlig außer sich wollte er am liebsten die Hochzeit abblasen. Doch ich beteuerte immer wieder, dass ich unsere Ehe nicht mit einer Lüge beginnen wolle. Tatsächlich lebte ich dann jahrelang zu meinem eigenen Erstaunen sexuell treu mit ihm zusammen. Die ersten zwei Jahre wohnten wir eine gute Autostunde voneinander entfernt. Manchmal fühlte ich Unbehagen: „Irgend etwas steht zwischen uns! Kannst du mir nicht sagen, was?“ fragte ich dann meinen Partner. Der stritt jedes Mal ab, dass da etwas wäre. Ich fing an zu träumen, mit welcher Frau er sich gerade sexuell vergnügte. Dann versuchte ich jedes Mal vergebens, ihn telefonisch zu erreichen. Erzählte ich ihm von der Alptraum- Nacht, zerstreute er meinen Argwohn. Ich bin ihm bis heute dankbar, dass er mir bei unserer Trennung versicherte, dass meine Träume – in welcher Nacht er mit welcher Frau Sex gehabt hatte – allesamt gestimmt hatten. Denn trotz aller Enttäuschung hatte ich dadurch etwas Wesentliches erfahren: dass ich mir selbst vertrauen konnte und dass es vielleicht nicht klug ist, mein Vertrauen blind in etwas Äußeres (einen Menschen, eine Situation, ein Ding) zu setzen.

Vertrauen in sich selbst finden

Weitere Beziehungsversuche folgten. Alle endeten früher oder später in einem Scherbenhaufen. Viele Jahre lang hatte ich versucht, die Welt um mich herum zu ändern und besonders meinen jeweiligen Partner. Nun wusste ich tatsächlich nicht mehr weiter. Ich erinnerte mich an die Aussage eines Paartherapeuten: „Es reicht, wenn sich in einer Beziehung einer von beiden ändert!“ Damals hatte ich ihm schnippisch geantwortet: „Klar, mein Mann!“ Obwohl mir schon irgendwie klar war, dass sein durchdringender Blick es anders gemeint hatte. Wenn alles um mich herum also wenig vertrauenswürdig erschien, konnte es dann meine Rettung sein, mich mir selbst und meiner Innenwelt zuzuwenden? Oder, im Nachhinein betrachtet: Musste es sogar im Außen recht deftig werden, bevor ich überhaupt bereit war, mir die großen Fragen des Lebens zu stellen? Sind vielleicht die aktuell schrillen Menschheitsthemen nichts anderes als ein kollektiver Weckruf? Bei mir jedenfalls begann mitten in der Verzweiflung und Ratlosigkeit die Reise nach innen. Ich hatte schon viele verschiedene Meditationsarten kennengelernt, als ich Anfang dreißig in einem spirituellen Zentrum einhundert aus dem Englischen übersetzte Lektionen von „Ein Kurs in Wundern“ fand. Nur weil mich meine Mitbewohnerin drängte und mir versicherte, dass ich nur zweimal am Tag eine Minute mit ihr üben müsste, ließ ich mich überreden. Bis heute studiere ich seitdem das umfangreiche Werk und pflege täglich die Verbindung zu meiner inneren Führung.

Bekanntlich führen viele Wege nach Rom. „Ein Kurs in Wundern“ ist nur einer davon. Die schwer verständliche Sprache und die christliche Terminologie schrecken viele Menschen ab. Ich nagte mich durch und nage nach 35 Jahren da und dort immer noch. In einer nächsten Partnerschaft waren meine Meditationszeiten und meine Arbeit mit meiner „Kurs-Bibel“ meine höchste Priorität. „Zuerst kommt der Kurs, dann kommst du!“ sagte ich mehrfach zu meinem Partner, wenn er mich mal wieder von meiner inneren Spur weglocken wollte. Sogar im Bett waren meine Meditationszeiten allgegenwärtig oder auch im Restaurant beim Essen.

Der Weg nach innen

Natürlich blieb es beim Üben der Lektionen von „Ein Kurs in Wundern“ nicht bei den ursprünglich angekündigten zwei Minuten am Tag. Es gab Übungen, da sollte ich jede Stunde fünf Minuten in die Stille gehen und mit Hilfe des Tagessatzes nach innen reisen. Ich bin der leibhaftige Beweis dafür, dass das überall möglich ist. So saß ich zum Stundenschlag mit geschlossenen Augen auf dem Sofa im Möbelhaus oder im Restaurant. „Geht es Ihrer Frau nicht gut?“ fragte der Kellner. „Nein, sie meditiert nur!“ erwiderte mein Mann. „Ach so“, zog sich der Kellner zurück. Damals arbeitete ich noch als Grundschullehrerin und begann einfach jede Schulstunde mit fünf Minuten Meditation. Die Kinder konnten mitmachen oder leise ihre begonnenen Arbeiten fortführen. Und natürlich zogen die Stilleübungen auch ins Liebesbett ein.

Vor jeder Begegnung fanden sie ihren Platz und auch jederzeit dazwischen, wenn ich spürte, dass etwas nicht mehr stimmte und passte. „Können wir einen kleinen Stopp machen? Ich bin gerade nicht mehr dabei und möchte nachspüren.“ Der Tagessatz half mir, den umherstreunenden Geist zu zügeln, und ich wusste auf einmal, wie ich still werden konnte. Ich lauschte in den Körper hinein und in die Ruhe, wenn sie sich auftat. Zudem bat ich besonders in schwierigen Situationen jeweils um innere Führung zum Wohle aller Beteiligten.

Vertrauen in die innere Führung

Mein neues Leben begann damit, dass ich aufhörte, es dem Mann, den Kindern, dem Chef, den Nachbarn recht zu machen. Stattdessen übte ich wieder und wieder, meinem Inneren Gehör zu verschaffen, indem ich für wenige Minuten aus dem Hamsterrad der Geschäftigkeit ausstieg. Ich hielt meine jeweilige Tätigkeit an und auch meine Gedanken, indem ich zum Beispiel einen heilsamen Satz wiederholte oder mich auf meinen leicht verstärkten Atem konzentrierte. Auf diese Weise lernte ich, nicht mehr automatisch, also programmiert, auf meine Umwelt zu reagieren. Diesem Hören, Lauschen bzw. Fühlen gab ich Vorrang vor allem anderen in meinem Leben. Impulse, die dann aus einer tieferen inneren Schicht aufsteigen – und besonders aus einer friedlichen Stille –, haben eine ganz andere Qualität. Sie sind völlig frei von Ärger und Angriff. Sie vermögen es, Konflikte aufzulösen, und sie sind immer zum Wohle aller Beteiligten.

Ich fühlte mich zunehmend auf dem richtigen Weg, denn ein Vertrauen, das nicht zerstört werden kann, ist meiner Meinung nach nicht in Meinungen, Ängsten, Vorstellungen, Erwartungen, äußeren Ereignissen oder in den endlosen Gedankenschleifen im Kopf zu finden. Diese ändern sich ständig und können uns weder Orientierung noch Stabilität geben. Wir verfangen uns nur allzu leicht in den Geschichten, die wir uns selbst und anderen erzählen. Je mehr ich mich daher meiner inneren Stimme zuwandte, desto mehr veränderte sich das äußere Leben zum Positiven. Ist das nicht erstaunlich? Wie viel Kraft hatte ich jahrzehntelang in Welt- und Männerverbesserungsversuchen vergeudet!

Inzwischen lebe ich seit 27 Jahren in einer sehr glücklichen Beziehung. Wenn mich heutzutage die Irrungen und Wirrungen dieser Welt ins Wanken bringen, weiß ich, wohin ich mich zurückziehen muss, um meine verirrten Geistesschwaden loslassen zu können und wieder aus der inneren Quelle zu schöpfen. Klar müssen wir immer wieder reagieren – eine Antwort auf das finden, was uns im Außen begegnet. Aber es macht den entscheidenden Unterschied, ob wir uns in die Geschichten hineinziehen lassen und dann heftig und automatisch nach bekannten Mustern reagieren (und oft dabei noch Öl ins Feuer gießen) oder ob wir uns unserem Inneren zuwenden, warten, bis es still wird, und dann aus diesem inneren Frieden heraus die angemessene Antwort erspüren.

Gerechtfertigtes Vertrauen suchen

Vielleicht fragst du dich, ob dieser Artikel eine Art Schleichwerbung für „Ein Kurs in Wundern“ sein soll? Keinesfalls, denn es gibt viel einfachere Wege, sich mit seiner inneren Quelle zu verbinden. Aber er soll auf alle Fälle Mut machen, Vertrauen dort zu suchen, wo es gerechtfertigt ist. Also nicht an der Außenwelt zu verzweifeln, sondern alle Geschehnisse als Weckruf und Wegweiser für einen Weg nach innen zu nutzen. Wenn du dennoch ein bisschen am „Kurs in Wundern“ herumnagen willst, hier eine kleine Kostprobe:

„Das Geheimnis der Erlösung ist nur dies: Dass du dir dieses selber antust. Der Form des Angriffs völlig ungeachtet, ist dies dennoch wahr. Wer immer auch die Rolle von Feind und von Angreifer übernimmt, dies ist trotzdem die Wahrheit. Was immer auch die Ursache von irgendeinem Schmerz und Leiden, das du verspürst, zu sein scheint, dies ist dennoch wahr. Denn du würdest gar nicht auf Figuren reagieren in einem Traum, von dem du wüsstest, dass du ihn träumst. Lass sie so hasserfüllt und so bösartig sein, wie sie nur wollen, sie könnten keine Wirkung auf dich haben, es sei denn, du versäumtest zu begreifen, dass es dein Traum ist.“ (aus: „Ein Kurs in Wundern“, Textbuch S. 590/10). Infos zum Kurs: www.greuthof.de

Über den Autor

Avatar of Regina Heckert

Regina Heckert leitet seit 35 Jahren die BeFree- Tantraschule als Expertin für weibliche Sexualität und spirituelle Lehrerin. Sie ist Buchautorin von „Frauen im Kommen, der weibliche Weg zu sexuellem Glück“, Verlag Kamphausen Media 2023.

Kontakt
Tel.: 06344-954 160
Mehr Infos

Zum Buch „Frauen im Kommen, der weibliche Weg zu sexuellem Glück“: Es könnte so leicht sein mit dem sexuellen Glück der Frau. Wäre da nicht diese eine Sache, die es immer wieder verhindert und für Missverständnisse und Unzufriedenheit sorgt: Die Frau orientiert sich am Mann. Seine Art der Sexualität, seine Geschwindigkeit geben den Ton an. Die Frau überhört die Signale ihres weiblichen Körpers und kommt dann zwangsläufig zu kurz. Regina Heckert zeigt auf, wie Frau den eigenen Signalen wieder vertrauen lernt und dieser eine, aber grundlegende Irrtum berichtigt werden kann.

Unterstütze SEIN

Vielen Dank an alle, die den Journalismus des SEIN bisher unterstützt haben.
Die Unterstützung unserer Leser trägt dazu bei, dass wir unsere redaktionelle Unabhängigkeit behalten und unsere eigene Meinung weiter äußern können. Wir sind sicher, dass unsere redaktionelle Arbeit und unsere Themenvielfalt und Tiefe den gesellschaftlichen Wandel beflügeln. Wir brauchen Deine Unterstützung, um weiterhin guten, kreativen "Lösungs-Journalismus" zu liefern und unsere Offenheit zu wahren. Jeder Leserbeitrag, ob groß oder klein, ist wertvoll. Wenn Du unsere Arbeit wertschätzt, unterstütze SEIN noch heute - es dauert nur wenige Minuten. Vielen Dank.
SEIN unterstützen





Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

*