Viele spirituelle Lehrer und Systeme sagen: Unsere tiefste Angst ist die Angst vor dem Tod, die Angst vor der Auflösung des Ichs. Das stimmt meiner Meinung nach nicht ganz. Unsere tiefste Angst ist die Angst vor Schmerz, vor unangenehmen Gefühlen. Die Angst vor dem Tod ist ein reines Verstandeskonstrukt, das sich über die Jahrtausende in unseren Systemen festgesetzt hat, denn wir wissen ja erst einmal nichts über den Tod. Nichts als das, was die jeweilige Gesellschaft, in der wir leben, uns mitgibt. Wir haben Erzählungen und Bilder von in verschiedenster Weise leidenden Sterbenden in uns und verbinden das mit dem Tod.

Aber letztlich sehen wir Schmerzen, Schmerzen des Widerstandes. Darum müssen wir erst einmal zwischen Tod und Sterben differenzieren. Wir haben nämlich letztlich Angst vor dem Vorgang des Sterbens – denn den bekommen wir beispielsweise als sehr leidvoll in Filmen präsentiert –, aber den Tod selbst kennen wir nicht. Und was uns die Religion unserer Kultur vermittelt, ist auch keine Information über den Tod, sondern eine von ihr als Autorität vorgegebene Spekulation über das, was nach dem Tod kommt: Für den, der nach den Regeln der Kirche lebt, die Hölle, für den, der nach deren Regeln stets „gottesfürchtig“ (was für ein Sch…ausdruck) war, der Himmel.

Und da die wenigsten von uns darauf vertrauen, diesen Regeln immer entsprochen zu haben, haben wir Angst vor einem unangenehmen, schmerzvollen, schlimmen „Danach“. Das ist in unseren Zellen drin und muss durch eine entgegengesetzte Erfahrung neutralisiert werden. Ich bin von diesen Zusammenhängen überzeugt, weil ich mich vor 15 Jahren mal hingelegt habe und gebeten habe, dass mir gezeigt wird, was der Tod ist. Was passierte, war, dass auf einmal alles in mir losließ, immer mehr Liebe durch mich hindurchflutete und ich die Heiligkeit von allem erkannte.

Rausgefallen bin ich bezeichnenderweise aus dem Zustand, weil ich auf einmal Kopfschmerzen bekam und mich dagegen wehrte. Seitdem ist aber die Angst vor dem Tod verschwunden. Noch existente Glaubenssätze wie „Leben ist gefährlich“, „das Leben will mir Böses“, „ich muss das Leben kontrollieren“ beziehen sich ganz klar auf Schmerz, vor dem ich mich fürchte. Wohl erst vollkommenes Vertrauen und ein tiefes Ja zum Leben mit allen seinen Aspekten wird diese Glaubenssätze auflösen – und damit auch die Angst vor Schmerz.

Von Jörg Engelsing

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Innenweltreisender, Redakteur der SEIN.

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