Gewöhnlich wird Mannsein mit Attributen wie Durchsetzungsfähigkeit oder Zielgerichtetheit assoziiert. Doch da steckt auch viel Härte, Anstrengung und Spannung drin, so dass wir Männer oft nicht mehr für andere, vielleicht stimmigere Impulse des Lebens offen sind. Diese Aspekte des Männlichen sind natürlich nützlich, um Dinge wirklich ins Konkrete zu bringen und umzusetzen. Für mich fehlt ihnen allerdings – als alleinige Wirkebene – die Tiefe. Wirkliches Mannsein setzt daher für mich die Anbindung an eine spirituelle Ebene voraus. Mit anderen Worten: im Zustand der Hingabe und Liebe zu sein.

Wenn ich nicht lieben kann, bleibe ich immer nur die Karikatur eines Mannes, die Vorstellung eines Egos davon, was es heißt, ein Mann zu sein. Ein Mann, der nicht liebt, wird immer nur bewussten und unbewussten persönlichen und kollektiven Idealen folgen, die ihm soufflieren, wie denn ein Mann sein sollte – und das kann von Ort zu Ort, von Zeit zu Zeit sehr unterschiedlich und damit nicht wirkliche Männlichkeit sein. Wie kann ich mich beispielsweise als Mann zu meiner wirklichen Größe aufrichten, wenn sich in meinem System noch innere Befehle und Konditionierungen aus meiner Kindheit befinden, die mich dahingehend steuern, Liebe und Akzeptanz bei anderen finden zu wollen – und zu müssen – und mir verschiedenste Wege vorschreiben, damit ich als „echter“ Mann gelte? Das geht nicht.

Das, was ich als Mann bin, kann ich nie im Außen, nie im Feedback einer Frau oder der Gesellschaft finden, sondern nur in mir selbst. Und wenn es nichts mit Liebe zu tun hat, was ich da als Mannsein lebe, dann ist es eine mehr oder weniger gelungene Projektion des Egos. Männliche Kraft ohne Liebe führt immer in die Überheblichkeit, in die verquere Wahrnehmung, etwas Besseres als andere zu sein. Wenn ich das verstanden habe, ist an der Zeit, den wirklichen Mann in mir zu finden, den Mann, der in jedem ein König ist. Denn wenn du liebst, bist du ein König, egal, was du in deinem Leben tust. Kein König, der bewundert werden will, sondern einfach einer, der die ihm vom Leben gegebene Position einnimmt und schaut, wie er seine ur – eigene Mission fürs Ganze erfüllen kann. Dann erhalten Aspekte wie Durchsetzungsfähigkeit und Zielgerichtetheit ihren stimmigen Platz – nicht als Büttel des Egos, sondern als Diener der Liebe.

Jörg Engelsing

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Innenweltreisender, Redakteur der SEIN.

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