Kleine Richtungsänderungen: Was Transformation unterstützt und was sie verhindert. Ein Interview mit dem Berliner Heilpraktiker Donald Guß.

Was verstehst du unter Transformation und wie würdest du sie gegenüber dem Wort Veränderung abgrenzen?

Transformation bedeutet eine wirkliche Verwandlung, die Umwandlung eines misslichen Lebenszustandes in einen komplett neuen, glücklichen und zutiefst erfüllenden Lebensausdruck. Nach der Transformation erkennt man die Situation, so wie sie war, nicht mehr wieder. Veränderung bedeutet hingegen, dass man die Situation noch wiedererkennen kann – sie hat jedoch vom Ausgangspunkt eine neue Richtung genommen und ist anders als zuvor. Die meisten von uns wünschen sich in einem bestimmten Bereich ihres Lebens zu Recht eine Transformation. Eine komplette Veränderung. Wir glauben jedoch, damit dies geschieht, müsste erst ganz viel passieren. Erst wenn ich so und so viel Geld habe, erst wenn ich anders bin, erst wenn mein Partner anders ist usw. Doch ist das so? Was geschieht denn, wenn du in deinem Auto oder auf deinem Fahrrad sitzt und nur ein kleines bisschen nach links oder rechts lenkst? Die Richtung ändert sich schon nach wenigen Metern deutlich. Übertragen heißt das: Eine vielleicht nur kleine, aber konstante Änderung in unserem Verhalten oder Denken kann die von uns ersehnte Transformation in die Wege leiten. Manchmal genügt es, wenn wir unsere innere Haltung nur um einen „Millimeter“ verändern – nur ein „kleiner“ Gedanke – und die Situation wird eine komplett andere. Stell dir vor, du fährst bei Sturm auf einem Fahrrad hier in Berlin auf dem Tempelhofer Feld. Der Wind kommt stark von der Seite und bläst dich fast um. Jetzt lenkst du dein Fahrrad nur ein paar Millimeter nach links oder rechts und plötzlich kommst du viel leichter voran, da du besser zum Sturm stehst. Diese Mini-Bewegung kann in unserem Leben eine „verrückte“ Idee sein, eine Neuorientierung oder sonst etwas – und plötzlich beginnt sich die ganze Situation zu verwandeln. Ich habe aber auch Transformationen erlebt, die scheinbar anstrengungslos und komplett aus sich selbst heraus entstanden. Zum Beispiel durch die prozessorientierte Homöopathie.

Was meinst du damit?

Wenn wir bei dem Bild des Fahrradfahrens bleiben, dann stell dir vor, du könntest nicht Fahrrad fahren, aber plötzlich geschieht ein Wunder und es geht. Ich hatte in den letzten 15 Jahren immer wieder Patientinnen und Patienten, die mit inneren oder äußeren, scheinbar unüberwindbaren Konflikten oder Themen in die Praxis kamen. Zum Beispiel mit der Angst vorm Fliegen oder davor, vor Menschen auf die Bühne zu gehen. Oder es plagen sie ein alter Schmerz, Minderwertigkeitsgefühle, eine Depression. Häufig erzählen sie mir, dass sie schon unglaublich viel versucht haben, ohne sonderlichen Erfolg. Wenn ich dann den Fall richtig bewerte und das geeignete homöopathische Mittel verschreibe, dann macht es plötzlich klick und die Angst, die Depression, die Minderwertigkeitsgefühle sind einfach nicht mehr da. Ich habe mittlerweile hunderte solche Fälle sehen dürfen. Nicht immer ist das richtige homöopathische Mittel sofort zu finden. Aus diesem Grund braucht der Patient auch manchmal ein bisschen Geduld. Aber wenn das richtige Mittel dann gefunden ist, kann eine Transformation hin zum Guten von einem Moment auf den anderen geschehen.

Kannst du mir ein Beispiel aus deiner Praxis geben?

Gerne. Einmal kam eine Frau zu mir. Sie litt seit 20 Jahren an schlimmster Migräne, zirka zwei bis drei Mal im Monat. Immer jeweils zwei bis vier Tage lang, an denen sie nur im Dunkeln liegend halbwegs „überleben“ konnte. Sie hatte schon viel versucht – von Psychotherapie über normale Schmerzmittel bis hin zur Homöopathie. Ich gab ihr nach der Erstanamnese sofort ein homöopathisches Mittel, das den Namen Apis (lat. „Biene“) trägt, da ich, während sie sprach, das Gefühl hatte, ich wäre in einem Bienenstock. Da war die ganze Zeit so ein „Sssss“ im Raum. Mein Lehrer, bei dem ich damals noch Supervision hatte, riet mir zu anderen bewährten Mitteln für Migräne. Ich entschied mich jedoch, meiner intuitiven Wahrnehmung zu vertrauen, und verschrieb das entsprechende homöopathische Mittel, eben Apis. Nach vier Wochen sah ich sie wieder. Komplett NEU. Sie sagte, dass ihre Migräne zu 80 Prozent weg sei. Das hatte sie noch nie erlebt. In den folgenden vier Monaten bekam sie das Mittel in unterschiedlichen Potenzierungen, bis der Schmerz ganz wegging. Darüber hinaus zeigten sich auf der seelisch-emotionalen Ebene tiefe Heilungsmomente. Ich traf sie nach rund zehn Jahren noch einmal wieder. Sie hatte seit damals nie wieder einen Migräneanfall. Es gibt noch viele andere solcher wundervollen Geschichten, wie beispielsweise die eines Jungen, der sein einseitig verlorenes Hörvermögen wiedererlangte, oder die einer Frau, die ihren sexuellen Missbrauch komplett überwand.

Welche inneren und äußeren Schritte sind für eine erfolgreiche Transformation notwendig? Und was verhindert eine solche?

Festhalten und Stehenbleiben verhindern eine Transformation. Jedoch kann dieses Klammern am Status quo, wenn es lange genug aufrechterhalten wird, wiederum so unerträglich werden, dass es maßgeblich verantwortlich ist für das Einleiten eines Transformationsprozesses. Sicherlich kennt jeder die Geschichte der kleinen Raupe Nimmersatt. Sie isst und isst und isst. Aber irgendwann übertreibt sie es und der damit verbundene körperliche Schmerz wird so groß, dass sie aufhören muss. Nur durch diesen Schmerz, den sie „bewusst“ wahrnimmt, ändert sie ihr bisheriges Verhalten („Nein, so kann es nicht weitergehen“) und beginnt, ein frisches, grünes Blatt (etwas Gutes) zu verinnerlichen. Daraufhin transformiert sie sich vollständig und wird zu einem wunderschönen Schmetterling. Jeder hat eine unterschiedliche Grenze, wann der Schmerz (körperlich, seelisch, emotional) nicht mehr zu ertragen ist und man eine entscheidende Richtungsänderung einleitet. Das Gute ist: Das, was du tun kannst, wenn es nicht mehr auszuhalten ist, kannst du auch genau jetzt tun. Du ersparst dir dadurch einiges an Leid. Wie wir mit unseren Problemen umgehen und sie lösen, hat viel mit uns selbst und unseren Konditionierungen zu tun. Ich bin zum Beispiel ein Typ, der häufig viel ausgehalten hat, bevor ich etwas geändert habe. Warum? Mal aus Angst, etwas Falsches zu tun, mal aus einer falschen Überzeugung, dass etwas auszuhalten grundsätzlich Liebe bedeutet, weil ich ja dann „Ja“ dazu sage. Ich musste erleben und lernen, dass das nicht immer stimmt.

Hast du schon eine Transformation erleben dürfen?

Ja. Einige. Von einer möchte ich erzählen, da sie wie ein Schlüssel für viele Lebensbereiche bei mir gewirkt hat. Sie hat mit einem Menschen zu tun, dem ich wirklich vertraue. Ich bin mit nur einem Elternteil aufgewachsen. Doch die zweite „Hälfte“ hat mir mit zunehmendem Kindes- und Jugendalter mehr und mehr gefehlt. Ich war damals ein sehr introvertiertes Kind. Beobachtend, still, dahinter viel Traurigkeit. Ich machte zu dem Thema eine Therapie und ein paar Familienaufstellungen. Ohne Erfolg. Dann lernte ich meine spätere Aufstellungslehrerin kennen und wusste: Hier ist etwas komplett anders. Sie war direkt, ehrlich und ging den Weg der bedingungslosen Liebe. Dank ihr transformierte sich mein Innen- und Außenleben komplett! Sie lebte vor, wie man sich seinen Untiefen und Ängsten stellt. Und wenn man das tut, nicht wegläuft und noch dazu gehalten wird – dann geschieht wie von selbst Transformation. Und diese wirkt sich oft gleich auf mehrere Lebensbereiche aus. Ich kann mich noch erinnern, wie ich nach einem Aufstellungswochenende zu Hause unter der Dusche stand, im Minutentakt das Telefon klingelte und Menschen Termine für eine Therapie bei mir buchten. Aus dem vorausgegangenen Aufstellungswochenende brachte ich den Wunsch der finanziellen Fülle mit. Es ging interessanterweise in keiner Sekunde um Geld, sondern um die innere eigene Fülle! Das war vor rund 15 Jahren. Mittlerweile bin ich vom Sozialhilfeempfänger zu einem erfolgreichen Heilpraktiker in Berlin herangewachsen. Ich kann mich auch noch gut erinnern, wie ich dieses besagte Wochenende der Jahresgruppe absagen wollte, weil ich hundekrank war. Ich rief die Leiterin an – mit Fieber bis zum Anschlag. Was sagte sie? Wenn es dir so schlecht geht, dann ist es besonders wichtig, dass du kommst. Dadurch, dass ich meinen „gutem Grund“, nicht zu kommen, überwand und auf meine Lehrerin hörte, sind in der Folge viele Wunder in meinem Leben geschehen. Danke. Danke. Danke.

 

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