Stille ist eine knappe Ressource. Dabei beweisen Studien, dass Stille das Wachstum neuer Gehirnzellen und das Ruhezustandsnetzwerk im Gehirn anregt.

Die Wissenschaft entdeckt die Stille, den Müßiggang, das Nichtstun und das Tagträumen. Nachdem der Tagtraum lange Zeit auch für Wissenschaftler eine eher banale Randerscheinung war, haben nun Psychologen, Neurowissenschaftler, Therapeuten und Künstler vieles über die Stille und das Tagträumen herausgefunden. Tagträume sind nicht das Produkt von realitätsfremden Romantikern, Fantasten oder Verlierern. Die Hirnforscher wissen heute, wie ungeheuer wichtig diese Ausflüge in die Innenwelt für die Persönlichkeitsentwicklung und die geistige Gesundheit sind. Tagträume stellen beispielsweise eine wirksame Form des Gefühlsmanagements dar. Die Stille kann uns innerlich beruhigen, trösten oder erfreuen, wenn die Außenwelt uns ärgert, kränkt oder langweilt.

Ernst Pöppel, Professor für medizinische Psychologie an der Universität München, hält Stille für eine Erholungsreise für das Gehirn: „Stille ist essenziell, um sich konzentrieren zu können. Sie nimmt den Druck von uns, der durch den Lärm von außen entsteht. Diese Erholungsphasen sind wichtig für unser Wohlbefinden, darüber hinaus aber auch für unsere Fähigkeit zu denken. Wenn ganz Deutschland jeden Tag für eine Stunde nicht kommunizieren würde, dann hätten wir hier den größten Innovations- und Kreativitätsschub, den man sich vorstellen kann.“

Viele Menschen haben Angst vor der Stille und empfinden sie sogar als Bedrohung. Nach Professor Pöppel liegt das daran, dass Stille mit Einsamkeit und Geräusche mit einem Gefühl der Zugehörigkeit assoziiert werden: „Die Angewohnheit, zu Hause ständig das Radio oder den Fernseher laufen zu lassen oder egal, wo man gerade ist, die Musik lautzudrehen, kommt einer Flucht vor dem Selbst gleich. Man muss gar nicht genau hinhören, was im Fernseher gesagt wird: Allein die Gesprächsfetzen vermitteln einem Sicherheit, das Gefühl der Zugehörigkeit.“

Dabei braucht die Innenwelt Rückzugsmöglichkeiten der Stille, und das nicht nur während des Schlafs, sondern auch tagsüber. So fand eine Studie heraus, dass etwa zwei stille Stunden pro Tag das Wachstum neuer Gehirnzellen im Hippocampus anregen. Der Hippocampus ist für Emotionen, Gedächtnis und Lernen zuständig. Auch die Verknüpfung zum restlichen Gehirn fehlt dabei nicht, so können die frisch entwickelten Zellen auch andere Systemfunktionen übernehmen. Pausenlose akustische Reize ermüden das Gehirn, die Konzentrationsfähigkeit sinkt, die mentale Ermüdung setzt ein. Da wir unsere Ohren nicht so einfach wie die Augen verschließen können, besteht zur bewussten Regeneration nur die Möglichkeit, einen wirklich stillen Ort aufzusuchen. Ein paar Minuten Stille und ein paar Atemzüge an der frischen Luft reichen schon, um sich wieder zu konzentrieren.

Sind die äußeren Reize für eine Weile lahmgelegt, tritt ein sogenanntes Ruhezustandsnetzwerk im Gehirn in Kraft, das uns Zugang bietet zu unseren Emotionen und innersten Erfahrungen. So finden wir ganz wörtlich wieder zu uns selbst, kreative Prozesse werden angestoßen und Informationen sortiert. Wer regelmäßig Waldspaziergänge macht, Friedhöfe besucht oder meditiert, sorgt für Entspannung, körperliches Wohlbefinden und emotionale Ausgeglichenheit.

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