Coronavirus, Artensterben und Klimawandel hängen zusammen. Wer zukünftige Pandemien verhindern will, muss den Regenwald erhalten.

Die Virologin Sandra Junglen sucht in unberührten tropischen Wäldern und deren unmittelbarer Nachbarschaft nach unbekannten Viren. Sie will verstehen, wie die Erreger sich ausbreiten, möglichst bevor sie überhaupt mit Menschen in Kontakt kommen – und so dazu beitragen, neue Pandemien zu verhindern. Sie ist überzeugt davon, dass man zukünftige Pandemien nur verhindern kann, wenn man den Regenwald und die Artenvielfalt erhält.

Sandra Junglen leitet eine Arbeitsgruppe zu Ökologie und Evolution von Arboviren an der Charité-Universitätsmedizin in Berlin. Sie untersucht die Ausbreitung zuvor unbekannter Viren über unterschiedliche Ökosysteme hinweg. Sie hat in ihrer Forschungsarbeit herausgefunden, dass einzelne Viren nur in relativ geringer Anzahl existieren, solange das Ökosystem intakt ist. Das bedeutet, dass sich Viren, die sich leicht ausbreiten und am Ende womöglich gar auf Menschen überspringen könnten, nur in einem ökologisch zerstörten Regenwald finden. Erst durch Landnutzungsänderungen in großem Maßstab, etwa durch Abholzung oder andere dramatische Eingriffe in die Natur, wird aus ihm ein häufig vorkommendes Virus.

Artensterben und Klimawandel sind in intakten Ökosystemen die Ausnahme

In einem intakten Ökosystem halten sich Viren und andere Krankheitserreger über ihre Wirte gegenseitig in Schach und können nicht so leicht auf den Menschen überspringen. Viren, so erklärt die Virologin, existieren immer nur in Abhängigkeit von einem Wirt, beispielsweise einer bestimmten Mückenart, in der sie sich vermehren. In einem intakten Ökosystem stehen die dort vorkommenden Arten untereinander und die Individuen einer Art miteinander in komplexen Beziehungen und regulieren sich gegenseitig, zum Beispiel über Nahrungsketten, die untereinander verbunden sind, sodass komplexe Nahrungsnetze und Beziehungen entstehen. Je komplexer das Ökosystem, also je mehr verschiedene Arten vorkommen, desto stabiler sei das ökologische Gleichgewicht.

Doch wie springen Erreger vom Tier auf den Menschen über? Gut erforscht sei beispielsweise die Lyme-Borreliose, eine Infektionskrankheit, die durch Zecken übertragen wird. In Nordamerika infizieren die Bakterien eine bestimmte Nagetierart, die sich besonders gut in fragmentierten Wäldern mit niedriger Biodiversität vermehren kann, da dort zum Beispiel Räuber, wie Füchse, Wiesel oder Raubvögel, stark vermindert oder nicht mehr vorkommen. Die Zecken finden damit eine hohe Dichte an Wirten vor, können den Erreger leichter zwischen ihnen übertragen und sind hier häufiger infiziert. Trifft dann eine Zecke auf einen Menschen, ist das Risiko einer Infektion mit Lyme-Borreliose erhöht.

Die Forscher wollen in ihren Studien herausfinden, wie breit das Virenspektrum in einem intakten Ökosystem insgesamt ist und welche Folgen sich daraus ergeben. Zwei Fragen sind für die Virologen besonders wichtig: Wie beeinflussen biologische Faktoren die Ausbreitung von Erregern, also beispielsweise Artenvielfalt, Zusammensetzung von Artengemeinschaften, Temperatur, Klima und Luftfeuchtigkeit? Und: Wie verändern sich die Erreger genetisch, wenn sie sich von intakten Ökosystemen ausgehend weiter ausbreiten? Dazu gibt es bislang ganz wenige Daten.

Ziel der wissenschaftlichen Arbeit ist es, zukünftige Pandemien zu verhindern, obwohl die Wahrscheinlichkeit von Pandemien zunehmen wird. Die Virologen gehen davon aus, dass Viren in der Regel artspezifisch sind. Sie springen nicht einfach so von einer Art auf die andere oder den Menschen über. Die Forschung konzentriert sich im Moment darauf, im Nachhinein zu rekonstruieren, wie solche Übertragungen in der Vergangenheit passieren konnten.

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