Wer die aktuellen Geschehnisse auf der Welt verstehen will, sollte einen Blick aufs Öl werfen – dann wird möglicherweise manches sehr viel klarer.

Peak-Oil

Es ist eine lange Diskussion: Wie lange reicht das Erdöl noch? Während manche meinen, wir hätten das Fördermaximum (Peak-Oil) schon überschritten, meinen andere, dass die Fördermengen noch bis mindestens 2030 steigen könnten und wir gerademal 5% des vorhandenen Erdöls angezapft haben. Endgültig kann diese Frage momentan nicht geklärt werden.

Und es scheint tatsächlich seltsam: Wenn das Öl wirklich knapp wird, sollte die gesamte Welt eigentlich schon längst in Panik verfallen sein – denn ohne das schwarze Gold bricht unsere Verbrennungs-Wirtschaft zusammen wie ein Kartenhaus. Von Panik ist oberflächlich aber nichts zu erkennen, alles geht weiter wie gewohnt. Woran liegt es? Verdrängen die Politiker es, so wie wir gerne den Gedanken an den Tod verdrängen? Kapieren sie es einfach nicht? Oder gibt es Peak-Oil etwa gar nicht?

Es könnte einfacher sein: Sie wissen es sehr genau, sie dürfen es nur nicht sagen. Es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass „der Minister alles über Peak-Oil weiß. Er kann nur nicht darüber sprechen, weil sonst die Wall Street crashen würde.wie David Fridley, ein früherer Kollege des US-Energieministers Steven Chu es auf den Punkt brachte.

Und wohlmöglich würden die Menschen sonst verstehen, was gerade in der Welt los ist. Und dass die westlichen Nationen in Wirklichkeit mit erschreckender Entschlossenheit handeln. Aber der Reihe nach.

Supermacht Öl

Das Machtgefüge der Welt ändert sich derzeit radikal und das passt einigen überhaupt nicht. Denn auf der neuen Landkarte der Macht spielen die USA und Europa vielleicht keine große Rolle mehr.

In seinem zuletzt erschienen Buch „Rising Powers, Shrinking Planet“ schreibt der Energie- und Sicherheitsexperte Michael T. Klare Folgendes:

„In der neuen internationalen Energie-Rangfolge des Planeten, können die Länder aufgeteilt werden in Energie-Überschuss- und Energie-Defizits-Länder. Unter der alten Ordnung wurde der Rang einer Nation in der globalen Hierarchie durch Kriterien wie dem Vorrat an nuklearen Sprengköpfen gemessen, den Kriegsschiffen auf dem Meer und der Zahl der Männer unter Waffen; Supermächte hatten vor allem Supermacht zu zerstören. In der neuen Ordnung wird der Rang einer Nation zunehmend von der Größe seiner Öl-und Gasreserven bestimmt werden, oder von ihrer Fähigkeit, andere Quellen des Reichtums zu mobilisieren, um die Mittel der Energie-reichen Ländern zu kaufen (oder sie sich anderweitig anzueignen).“

Wenn das stimmt, hat es weitreichende Konsequenzen. Jene Länder, die über die Energiereserven verfügen (z.B. die arabischen Länder, Südamerika und Russland), können sich sicher sein, immer mehr Macht, Reichtum und Einfluss zu gewinnen, während die Energie-Defizits-Länder (z.B. die USA, Europa, China und Japan) immer mehr von diesen Ländern abhängig sein werden.

Es geht insbesondere für die USA also darum, in den Überschuss-Gebieten Einfluss zu gewinnen, nationale Konzerne an den Reichtum und die Infrastruktur zu bringen (z.B. Pipelines) und zu verhindern, dass die aufstrebenden Länder sich zu sehr organisieren und zu viele der Reserven verstaatlichen. Wenn man seine Vormachtstellung und den exorbitanten Lebensstandard erhalten möchte, muss man auch im neuen Spiel an der Spitze stehen. Und wenn man selbst keine Ressourcen hat, muss man sich eben welche besorgen. (Die USA haben zwar selbst Ölreserven, müssen aber trotzdem importieren – zudem geht es darum, wo in Zukunft das Geld verdient wird.)

Ob es Peak-Oil wirklich gibt, ist dabei fast irrelevant – fest steht, dass sich die Reserven immer mehr in Staatshänden befinden und diese Staaten damit ein nicht zu unterschätzendes Druckmittel haben. Nur noch 15 % der Erdölreserven befinden sich derzeit in den Händen von Energiekonzernen.

 

Erdöl Reserven

Einflusskriege

Bild: Unpacking explosives von Sgt. Jacob H. Smith, Lizenz: gemeinfrei

Legt man nun diesen Filter über das, was seit mehr als zehn Jahren in der Welt geschieht, sieht es plötzlich sehr viel übersichtlicher aus.

Der Krieg der USA im Irak, in Afghanistan, im Yemen, die angeblichen Atomwaffen im Iran – dies ist kein Krieg gegen den Terror, es ist ein Destabilisierungs-Krieg, ein Krieg um Einfluss. Eine geeinte islamische Welt wäre eine Katastrophe für die USA, es wäre eine Supermacht, der die USA langfristig nichts entgegenzusetzen hätten. Zu dumm, dass man nur Saudi-Arabien auf seine Seite ziehen konnte. Man braucht diese Region, vor allem den Iran, nicht nur wegen der Reserven, sondern auch weil zukünftige Versorgungsleitungen zwangläufig durch diese Gebiete hindurchlaufen werden. Man kann es sich nicht leisten, diese Infrastruktur von anderen kontrollieren zu lassen. Und sehr viel mehr andere Möglichkeiten an ihre Energie zu kommen haben die USA auch nicht mehr:

Gegen die Öl-Supermacht Russland kann die USA nichts tun und sie werden es tunlichst vermeiden, sich noch einmal mit diesem Land anzulegen. Überhaupt interessant zu bemerken: Russland ist schon durch seine Größe eines der autarksten Länder der Welt, alle Grundbedürfnisse können vor Ort bedient werden und High-Tech kann man gegen Öl jederzeit tauschen. Russland wird deshalb in nicht allzu ferner Zukunft ziemlich sicher wieder aus dem Schatten heraustreten und eine wichtige Stellung im Weltgefüge einnehmen.

Dann Südamerika. Ebenfalls ein Horror für die USA. Plötzlich werfen demokratisch gewählte Regierungen US-Firmen aus dem Land, verstaatlichen die Öl-Reserven und geben sich neue Verfassungen, die eine Reprivatisierung für immer verhindern. Es bildet sich dort eine Supermacht, die jetzt noch nicht als solche zu erkennen ist, aber immer mehr mit dem Selbstbewusstsein einer solchen spricht. Auch hier intervenieren die USA natürlich, unter dem Vorwand des Kampfes gegen Drogenkartelle und in Zusammenarbeit mit installierten Regimes wird die Region immer wieder destabilisiert, Staatsputsche unterstützt, global Stimmung gemacht. Aber einen Krieg wie in der islamischen Welt können die USA hier nicht vom Zaun brechen (oder doch?), auch wenn sie schon mal Militärbasen in dieser Region errichten und einzelne Länder offen bedrohen. Dieser Krieg wird leiser geführt und es wird sich zeigen, ob der Willen dieser Länder durch Guerilla-Kriege und Militärputsche wirklich noch zu brechen ist.

Es ist also kein Wunder, dass man der Öffentlichkeit kaum etwas über Peak-Oil erzählt – wie sollte man erklären, dass man grundlos andere Länder überfällt (der Irak hatte keine Massenvernichtungswaffen und auch nichts mit 9/11 zu tun …), um sich machtpolitisch in Position zu bringen auf dem, was Obamas Lehrer Zbigniew Brzezinski das „Große Schachbrett“ genannt hat?

Global Warming & Finanzkrise

Mancher strickt aus diesem Szenario gleich eine allumfassende Verschwörungstheorie. Demnach sind auch der Klimawandel und die Finanzkrise nichts als Spielzüge auf dem großen Schachbrett – oder werden zumindest als solche missbraucht.

Es wird zwar heißer, aber könnte es sein, dass es den Mächtigen bei ihren Klima-Kampagnen weit mehr um Peak-Oil als um den Umweltschutz und um Eisbären geht (die ihnen eigentlich auch noch nie sonderlich am Herzen lagen)? Der Klimawandel wäre zumindest ein willkommener Anlass, entsprechende Veränderungen durchzusetzen, ohne Peak-Oil auch nur erwähnen zu müssen. CO2-Reduktion heißt weniger Verbrennung, heißt weniger Abhängigkeit von Brennstoff. Die USA und China werden Umweltpolitik machen, denn eine andere Zukunft als eine grüne gibt es für sie vielleicht gar nicht.

Ein Gedankenspiel: Wenn die Machteliten in den USA wüssten, dass ihr Spiel ausgespielt ist, das alte Modell des Kapitalismus nicht fortgesetzt werden kann, wäre es dann logisch, nochmal alles aus dem System rauszusaugen, was geht, bevor eine grobe Richtungsänderung vollzogen wird? Könnte man auf diese Weise aussichtslose Unterfangen abstoßen, bevor andere überhaupt realisiert haben, dass sie aussichtslos sind und gleichzeitig die eigene Vormachtstellung in die neue Zeit hinüberretten? Und machen die absurden Bail-Out-Programme, das aberwitzige Gelddrucken so vielleicht Sinn?

Dies sind etwas gewagte Thesen und für meinen Geschmack etwas zu „verschwörerisch“, aber logisch eben auch nicht völlig von der Hand zu weisen.

Neue Weltordnung

Aber wahrscheinlich ist: Wir befinden uns gerade in einem politischen Umbruch, einer Neusortierung der Welt, der Entscheidung darüber, wer in Zukunft zu den Supermächten gehört. Bis dahin ist noch viel Zeit, wir reden hier wahrscheinlich von 2030-2050, aber die Weichen werden eben schon jetzt gestellt.

Ob Peak-Oil nun letztes Jahr war oder nicht, spielt kaum eine Rolle. Das Öl wird wahrscheinlich noch eine ganze Weile halten, neue Fördermethoden wie Ölsand, Ölschiefer und Tiefseebohrungen werden gerade erst wirklich erschlossen und laufend neue Felder entdeckt. Aber die leicht zugänglichen Ölreserven haben wir mittlerweile leergesaugt, ab jetzt wird Öl ein teurer Spaß – und damit ein ernstzunehmender Faktor. Erdöl spielt eine zentrale wirtschaftliche Rolle und jene Nationen, die es teuer einkaufen müssen, haben im internationalen Wettbewerb schlechte Karten. Zudem sind sie auf Wohl und Wehe den Förder-Nationen ausgeliefert.

Alles Gesagte gilt übrigens ebenso für Erdgas, das meist zusammen mit Erdöl auftritt, aber längst keine so große Rolle spielt. Es ist wohl eher kein Zufall, wenn mit Gerhard Schröder und Joschka Fischer gleich zwei ehemalige Spitzenpolitiker in das Geschäft mit Gas-Pipelines eingestiegen sind – sie waren an der Macht und wissen, worum es in Zukunft geht. Und auch, dass einer der reichsten Männer der Welt sein gesamtes Vermögen dafür hergibt, sich das amerikanische Eisenbahnnetz zu kaufen, könnte ein Denkanstoß sein.

6 Responses

  1. Marion

    Sehr guter Beitrag; ich habe ihn auf meinem Blog
    https://marbec14.wordpress.com/wp-admin/post.php?post=219&action=edit&message=6&postpost=v2

    gepostet.
    Vielen Dank

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  2. juko

    Das Problem, das ich sehe ist, dass wir uns das gefallen lassen. Das wir nicht handeln, wahrscheinlich weil wir uns isoliert fühlen. Wir müssten weltweit auf die Strasse gehen und unser Missfallen demonstrieren,genau wie es auch zu Zeiten des Vietnam-Krieges war. Ja, demonstrieren. Denn eines habe ich im Gefühl, wenn wir nur virtuell tätig werden, wird auch nichts passieren. Es ist etwas anderes, wenn man gemeinsam zu tausenden weltweit auf die Strasse geht und sagt nein, jetzt reichts, und zunächst erst einmal den ersten Schritt des Boykotts, des Widerstands, leistet, das Spiel der anderen nicht mehr weiter mitzutragen, dann wird uns Gehör geschenkt. Dann sieht man hinter dem Virtuellen sind es Menschen aus Fleisch und Blut, die die Nase voll haben. Haben wir alle schon längst resigniert? Glauben wir noch irgendwie etwas bewirken zu können oder nicht? Jeder einzelne von uns lässt Ungerechtigkeiten und Unmoralisches zu. Wieso nicht wieder die Montag Demonstrationen aufleben lassen, und zwar überall. Ich glaube auch an den Ungehorsam. Im Aikido gibt es ein Verständnis darüber, dass der Spehr zurückkommt zu dem Eingreifer. Das ist nicht durch Widerstand möglich, sondern nur dadurch, dass die Energie des Angreifers umgewandelt wird. Der Angreifer erwartet einen Kampf, der nicht stattfindet. Und doch müssen wir etwas riskieren für unsere Freiheit. In repressiven Staaten wie Burma gingen Mönche friedlich auf die Strasse, dort haben sie mit ihrem Leben bezahlt, doch es war für sie wichtig. Was haben wir schon hier in Deutschland zu riskieren? Nichts! Es gibt die freie Meinungsäusserung. Also warum trauen wir uns nicht, öffentlich kundzutun, was und wie wir etwas anders haben möchten. Auch wenn uns das wie noch nicht klar ist, kann das nein ein erster Schritt sein. Simple gesagt, nicht zu erfüllen, was man von uns erwartet, zu funktionieren. Da sind uns die Multies weit voraus, die wissen von unserer Unsicherheit, die wissen, dass sie nichts zu befürchten haben. Noch nicht! Ich glaube, erst wenn wir regelmässig üben, können wir unsere Strategien verfeinern und unsere Stärken erkennen. We have to embody our thoughts and visions…

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  3. Schuette

    Anstelle der E-Mail-Adresse darf ich auch meine T-Online Nummer eingeben
    Gerechtigkeit hängt von zwei Dingen ab,von Macht und Geld!

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  4. ich nur ich

    der zug ist längst abgefahren.
    keine der studien berücksichtigt dass der EROEI ständig sinkt (bis 2020 steht uns keine nettoenergie aus erdöl mehr zur verfügung(föderung verbrauch gleich viel energie wie dann im öl steckt)) und dass eine umstellung auf „alternativen“ einen zum normalen energieverbrauch zusätzlichen verbrauch erfordert. (auch die unbedingt notwendigen seltenen metalle haben bereits „gepeakt“)
    ebenso wird nicht berücksichtigt das die „gute kohle“ (qualität und erreichbarkeit) bereits im 19 jahrhundert verbraucht wurde.
    zusätzlich wird nicht berücksichtigt dass z.b. kohle eine wesentlich geringere energiedicht als öl besitzt und deshalb auch wesentlich mehr davon verbraucht werden muss um öl zu ersetzten. beim gas ist es das selbe. und dass bei exponentiell steigenden verbrauch!
    mit anderen worten – kohle und gas werden wenige jahre (je nach datensatz) 3 bis 5 jahre nach dem öl „peaken“.

    man hört auch immer „tolle“ nachrichten von 25% windenergie und 30% wasserenergie usw…
    allerdings handelt es sich dabei nur um elektrische energie.
    wenn man mal den gesamtenergieverbrauch durchrechnet (metallindustrie = kohleenergie; glas/chemieindustrie=gasenergie; transport= ölenergie; heizen=kohle+gas+ölenergie usw. usf) erkennt man das der anteil der alternativen an der gesamtenergie weltweit nur im promillebereich liegt!
    es wird also definitiv keine „energiewende“ geben…

    der zug ist längst abgefahren.

    anstatt von alternativen zu träumen – die ja nur den sinn hätten (wenn sie umfangreich möglich wären) so weiterzumachen wie bisher – solltet ihr euch damit anfreunden auf jeder ebenen fläche ackerbau (ohne pflanzenschutzmittel und chemiedünger = öl;gas) zu betreiben…

    ölschiefer und ölsande haben einen EROEI von 1:1,1 bis 1:1,2 und wird im tagebau gefördert.
    wenn nur 5% des ölverbrauches von 2006 damit ersetzt werden soll würde TÄGLICH ein abraum in der größe von 4 cheopspyramiden entstehen. es ist technisch nicht möglich – abgesehen vom unsagbaren umweltschaden…
    methanhydrat würde dem klima den endgültigen rest geben.

    kurz zusammengefasst:
    unsere auf öl basierende kultur/gesellschaft ist längst tot und bewegt sich nur noch aufgrund ihrer „massenträgheit“ ein klein wenig weiter…

    stellt euch schon mal auf armut ein.

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  5. Bernd Walther

    Vielen herzlichen Dank an Herrn Rotter für seinen überaus aufschlussreichen analytischen Kommentar! So viel Scharfsinn und Wahrheit hebt sich wohltuend ab vom größtenteils inhaltslosen Blabla der corporate media.

    Ich möchte zum obigen gerne bemerken, dass vor allem geldschöpfende Eliten im Erdölbusiness finanziell engagiert sind und peak oil daher eine besondere Bedrohung für die Eigentümer des westlichen Monetarismus darstellt, denn der Wert einer Fiatgeld-Währung beruht vor allem auf der Verfügbarkeit billiger Energie und Rohstoffe.

    Mit immer weniger Erdöl und Rohstoffen (peak everything) leben zu müssen, ist eine ungeheure Herausforderung für uns alle und erfordert eine neue relokalisierte Zivilisation hervor bringen zu müssen. In einer relokalisierten Welt wird sich das Verhältnis der Bürger zu den Machteliten aber erheblich verändern. Die Epoche der Globalisierung machte die Bürger abhängig und unselbständig, doch ihr gehört nicht mehr die Zukunft.

    Es ist mehr als fraglich, ob die Neue Weltordnung wirklich so sein wird wie sich die Westeliten das wünschen. Ich hoffe sehr, dass z.B. die BRIC-Staaten sich weiterhin nicht konform zu den Zielen der Westeliten verhalten werden. Die heimliche Entmündigung der Bürger in den Staaten der westlichen Zivilisation durch private geldschöpfende Eliten und den von ihnen korrumpierten Regierungen, muss ein Ende nehmen wenn wir nicht zu rechtlosen Sklaven in einer autoritären elitären Ordnung werden wollen. Der Demokratie und nicht einem Neo-Feudalismus soll die Zukunft gehören!

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