Wenn man denkt, es sei vorbei, beginnt das eigentliche Abenteuer der Liebe oft gerade erst. Was hilft Paaren, Trennungen zu vermeiden? – Das Autorenpaar Ralf Sturm und Katharina Middendorf wirft aus yogaphilosophischer, psychotherapeutischer und persönlicher Sicht einen Blick auf das immer beliebter werdenden Thema „Trennung.“ Mit dem Ziel, dass Paare sich zunächst ihrer Denkfehler bewusst werden, bevor sie das oft vermeidbare Aus aussprechen.

Sind wir bereit, bereit zu sein?

Obwohl wir uns alle danach sehnen, ist es in unserer Gesellschaft immer schwieriger in einer glücklichen Partnerschaft zu leben. Dabei waren die Möglichkeiten nie so vielfältig wie heute. Doch so groß unsere Sehnsucht nach Verbundenheit mit einem anderen Menschen auch ist; es wird immer schwieriger, sie wirklich zu erleben. Inzwischen erklärt sich im Internet bereits eine ganze Generation für „beziehungsunfähig“. Aber was würde es brauchen, beziehungsfähig zu sein?

Wenn der Kopf die Gefühle bestimmt

Sowohl im Yoga, als auch im Buddhismus, ist oft die Rede von den sogenannten kleshas. Manchmal wird dieser Begriff als „leidvolle Emotionen“ oder „mentale Spannungen“ übersetzt. In einer Beziehung kann man sie treffend die „Denkfehler“ nennen, die in ihrer Konsequenz oft zu Trennung führen. Wie entstehen sie und wie wirken sie in einer Partnerschaft? Ein Beispiel aus der Praxis:

Anke: „Ich bin seit einiger Zeit nicht mehr glücklich, und das liegt an unserer Beziehung.“ – Sven: „Okay…“ (Denkfehler Nr. 1)

A: „Ich sehe dich kaum, kümmere mich um alles Zuhause alleine, und du machst einfach dein Ding und interessierst dich überhaupt nicht mehr für mich und schon gar nicht für unser Leben − ein Leben für das ich alles tue, damit es funktioniert und wir es schön haben. – S: „Ich mach doch alles, was du willst. Was willst du denn noch?“ (Nr. 2)

A: „Ich will, dass du dich kümmerst, so wie am Anfang. Ich möchte, dass du mich überraschst, Pläne mit mir machst und mir das Gefühl gibst, der tollste Mensch auf der Welt zu sein.“ – S: Das mache ich doch!“ (Nr. 3)

A: „Nein, das machst du überhaupt nicht. Ich will keinen Mann, der nie da ist, der am Computer spielt und mich beim Essen anschweigt.“ – S: „Jeder Mensch braucht auch mal Zeit für sich.“ (Nr. 4)

A: „Ach, ehrlich? Glaubst du, das weiß ich nicht? Du hörst mir nicht zu! Das hat so echt keinen Sinn mehr. Wir kommen hier einfach nicht weiter. Ich denke, es wäre das Beste, wenn wir uns trennen.“ (Nr. 5)

Was passiert hier? Schauen wir uns die Denkfehler in ihrer Bedeutung und ihre Auswirkungen an, die sie in diesem Dialog zeigen. Dabei nehmen wir die Position von Anke, um die Denkfehler-Dramaturgie zu veranschaulichen.

Erster Denkfehler: „Ich weiß Bescheid.“
Man geht davon aus, dass die eigene Wahrnehmung die einzig richtige ist, und ist sich völlig sicher, dass man weiß, warum man gerade in seinem Leben unglücklich ist.
Anke beginnt das Gespräch mit der festen Annahme, dass sie unglücklich ist, und damit, dass ihr Zustand an der Beziehung liegt. Doch woran kann sie mit Gewissheit festmachen, dass die Beziehung die Ursache ist? Die meiste Zeit wissen wir wenig über die Realität, weil wir zu sehr damit beschäftigt sind, alles schon zu wissen, und gar nicht genau hinschauen.

Zweiter Denkfehler: „Es geht um mich.“
Man denkt, dass das Glück/Unglück sich in bestimmten Bereichen zeigen muss/wird, und zwar in den Bereichen, mit denen man sich maßgeblich identifiziert.
Anke wird nun konkreter und beschreibt, wie sehr sie darunter leidet, dass Sven sich nicht für sie und ihr Leben interessiert. Damit zeigt Anke, wie sehr sie denkt, dass ihr Glück davon abhängt, dass die Bereiche ihres Lebens, mit denen sie sich identifiziert, von Sven gesehen und erfüllt werden. Anke hat feste Vorstellungen von sich und daher ist die Enttäuschung über ein Nicht-gesehen-Werden vorprogrammiert. Dieser Denkfehler folgt meist unmittelbar aus dem ersten. Während der erste die „Bombe“ baut, wird sie im zweiten gezündet. Damit kommt die Lawine ins Rollen.

Dritter Denkfehler: „Ich will das so.“
Man geht von den folgenden festen Annahmen aus: Leben bedeutet, glücklich zu sein. Und so will man das.
Angestachelt durch die eigene Dramaturgie wird es nun auf der einen Seite immer konkreter und auf der anderen Seite immer pauschaler. Anke scheint zu sagen, was sie will. Doch wenn man genau liest und hört, dann begibt sich in eine Position, in der ihr niemand je erfüllen kann, was sie sich wünscht, weil sich die Grundlage dafür in Ankes Wahrnehmung der Welt und von sich selbst begründet, also in den vorangegangen Denkfehlern.

Vierter Denkfehler: „Ich will das so nicht.“ 
Leben bedeutet, glücklich zu sein. So und nicht anders will man das.
Anke wird durch Svens Reaktion nicht bestätigt, also geht die Zündung der Bombe in die nächste Stufe: Abwertung. Was scheinbar so aussieht, als wolle Anke noch einmal durch eine Negativaussage bekräftigen, was sie eigentlich will, zielt dieser Satz lediglich darauf ab, Sven zu bestrafen, dass er sich nicht in Denkfehler Nr. 3 hat verstricken lassen.

Fünfter Denkfehler: „Ich will hier raus.“
Und wenn das Leben sich nicht glücklich anfühlt, dann steigt man aus dem Spiel aus. Man verweigert sich. Man lässt sich in gewisser Weise sterben.
Was kann nach der Abwertung noch kommen? Nur das Ende. Und das leitet Anke hier auch ein. Die ganze Munition ist verschossen, Anke hat ihr Ziel verfehlt und nun steigt sie aus. Sie hatte zu Beginn des Gesprächs gehofft, dass Sven sich aufmacht, um ihr zu zeigen, dass er alles tun wird, damit die Beziehung wieder funktioniert, so wie Anke das möchte. Als er das nicht tat (und wir lassen hier außen vor, wie er es tat und was seine Intention wohl gewesen sein mag), wählte Anke den Weg in Richtung Beendigung der Beziehung.

In der Yogaphilosophie wird mit dem Denkfehler Nr. 5 die Angst vor dem Ende beschrieben. Es ist die Angst vor dem Tod, in der die Angst vor dem Leben mitschwingt. Und in diesem Fall geht die Angst vor dem Ende der Beziehung einher mit der Angst vor einer wirklichen Beziehung.

Warum fallen wir immer wieder auf die Denkfehler herein?

Warum scheinen die Zweifel am Partner oft so schwerwiegend? Warum drängen sich immer wieder Gedanken auf, dass es uns in der Beziehung nicht gut geht? Liegt es wirklich am Verhalten oder an der Person des Partners? Bei dem Gedanken an Trennung handelt es sich tatsächlich manchmal um so etwas wie eine „Paar-Depression“.

In Zeiten, in denen wir zweifeln, weil wir unseren Denkfehlern nachgehen, werden auch unsere Gefühle durch diese Gedanken beeinträchtigt. Wenn das länger andauert, sinkt unsere Stimmung und unsere Sicht auf die Partnerschaft wird zunehmend düsterer. Das muss nicht lange anhalten, aber unser Gehirn merkt sich die Gedanken, die während der negativen Stimmung präsent waren. Das geht in der Regel vorbei, und wir fühlen uns wieder gut mit dem Partner. Die Stimmung steigt wieder, und die Trennungsgedanken verschwinden ebenfalls. Wir sehen die Partnerschaft wieder positiv.

Die Verbindung zwischen unseren Gedanken und der negativen Stimmung lauert jedoch weiterhin unbemerkt im Hintergrund. Wenn nun aus irgendwelchen Gründen wieder Unzufriedenheit aufkommt, dann werden auch die bereits gemachten Denkfehler wieder vom Gehirn aktiviert. Die Auslöser selbst können minimal sein. Im Rückblick sind sich beide Partner oft einig, dass es sich bei den Auslösern nicht um Kritikpunkte handelte, die wirklich relevant waren oder gar eine Trennung rechtfertigen würden. Aber weil die Grundstimmung schon gesunken war, holte das Gehirn die zu der Stimmung passenden Muster an Denkfehlern aus dem Keller. Die Spirale beginnt nun von neuem.

Bereit werden! Der Weg aus der Denkfehler-Spirale

Dass Paare sich intensiv miteinander beschäftigen, beginnt meist viel zu spät, wenn sich Denkstrukturen und Einstellungen schon lange festgefahren haben. Wenn wir nicht in Denk-Automatismen verfallen wollen, dann bedeutet dass, das wir auch kleine Auseinandersetzungen und milde Streitereien ernst nehmen müssen. Wir müssen lernen, in diesen Phasen wieder aktiv Wege zueinander hin zu nehmen. So wie ein Baum viele Wurzeln hat, gibt es auch in einer Partnerschaft viele Bereiche, in denen wir etwas für uns – und den Weg zum anderen – tun können.

Stößt man in der Partnerschaft auf ein Problem, kann man sich in den meisten Fällen ziemlich sicher sein, dass dieses Problem weniger mit der Partnerschaft zu tun hat als mit einem selbst. Auch wenn sich zu Beginn eines Paargespräches oft einer der beiden Partner unmutig über den anderen äußert: Bei genauerem Hinsehen wird oft klar, dass nicht nur ein „Täter“ im Raum ist. Es sind eigentlich immer zwei. Und gerade wenn einer von beiden meint, weiter entwickelt zu sein, als der andere, kann man meist bemerken, dass beide Partner ähnlich gestrickte Aufgaben haben, wenn sie ihre Beziehung – und damit auch sich selbst – wachsen und gedeihen lassen wollen.

Der Ausweg beginnt damit, dass wir lernen, uns selbst zu erforschen. Der Grund, warum nicht nur unsere Beziehungen uns manchmal unerfüllt erscheinen, sondern oft auch manche anderen Bereiche unseres Lebens, liegt meist darin, dass wir uns selbst einfach zu nah sind, um uns wirklich zu erkennen. Wir maskieren uns nicht nur vor anderen. Wir verstecken uns auch oft genug vor unserem eigenen Schmerz. Und deshalb können wir uns manchmal gar nicht mehr als Experten in Bezug auf uns selbst bezeichnen. Der Experte für uns ist oft tatsächlich eher unser Partner. Und je bereiter wir werden ihm zuzuhören, desto schneller kann auch er sehen, wo er auf seinem Weg feststeckt.

Wenn zwei Liebende es schaffen, sich gegenseitig zu zeigen, dass sie gemeinsam weiter gehen möchten, dann haben viel mehr Beziehungen eine Chance, als häufig angenommen wird. Wir haben in unserer Praxis kaum „beziehungsunfähige“ Menschen kennengelernt. Die einzige Frage ist: Möchte man gemeinsam weiter gehen? Und ist die Antwort Ja, dann ist man schon bereit, das größte Geschenk zu empfangen, das die Welt für uns bereit hält: Die Liebe.

 

 

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