Jackass und das meditative Abäppeln 29. November 2020 Zeitansage Ich bin weder Jackass noch ein friedvoller Krieger, sondern die Schöpfung selbst. Heute früh fiel mir eine Szene aus dem spirituellen Kult-Film „Der friedvolle Krieger“ ein, als in mir ein heftiger Widerstand gegen den gerade erlebten Moment hochsprudelte… Auf dem morgendlichen Tagesplan stand „Abäppeln“. Das heißt auf unserem Pferdehof, im strömenden Regen auf schlammig- rutschigem Boden den Pferdemist, sogenannte Pferdeäpfel, aufgabeln, in einer Schubkarre sammeln, schwerbeladen wegschieben und auf einem Autoanhänger wieder auskippen. Es war kalt, nass, windig und der Regen fiel waagerecht. Der Pferdemist, kaum noch vom Dreck und Matsch auf dem Boden zu unterscheiden, lag haufenweise überall auf dem Platz verteilt. Das Wasser lief nicht nur in die Schuhe, sondern auch noch durch eine offenbar undichte Naht der Regenjacke. Es suppte durch Pullover und T-Shirt und lief kalt und unangenehm auf allen Wegen gen Boden runter. Und nicht mal zehn Zentimeter neben dem Äppelhaufen, den ich gerade mühsam aus dem Schlamm gekratzt und in die Schubkarre gehoben hatte, ließ Farduw, unser „Pferde- Coaching-Star“ in ganz entspannter Haltung mit erhobenem Schweif den nächsten Knödelhaufen in den Matsch fallen. Als der Matschmix spritzend meine Beine traf, wollte irgendwas in mir explodieren… nahezu gleichzeitig aber ploppte in mir die Filmszene aus dem „Friedvollen Krieger“ auf. Von Emotionen beherrscht Dan Millmans spirituelles Krieger-Training an Socrates Tankstelle bestand unter anderem aus Kloputzen und Hoffegen. Dan fegt also im Herbst das Laub weg und die Blätter fallen… und er fegt und die Blätter fallen und er fegt wieder und die Blätter fallen wieder – so lange, bis die Widerstands-Wut seinen Verstand komplett durchtränkt und er „explodiert“. Der danach folgende Dialog mit seinem spirituellen Lehrer Socrates spulte sich in Gedanken in mir ab, während das Wasser sich unter der Jacke weiter seinen Weg in Richtung Schuhe bahnte: „Du fragst, welcher Krieger trainiert, indem er Klos putzt und den Hof fegt? Wenn du zum Krieger wirst, lernst du bei jeder Tätigkeit zu meditieren! Wozu das Sinnlose tun? Um Bindungen aufzugeben, dir deinen Stolz und deine Süchte abzugewöhnen. Welche Süchte? Reden, alles wissen, obwohl du eigentlich gar nichts weißt, Jackass!“ Warum nennst du mich Jackass? „Warum nennst du mich Jackass?‘“, will Dan wissen. „Ich nenne dich Jackass, wenn du dich von deinen Emotionen beherrschen lässt!“ Im Film geschieht kurz danach der schwere Motorradunfall, der dem Leben des Dan Millman die leidvolle, aber letztlich positive Wende bringt. Erst das Leiden, dann die Erkenntnis – so scheint sich das Spiel zu spielen, das wir Realität nennen. Der gedankliche Ablauf dieser Filmszenen nahm nur den Bruchteil einer Sekunde ein und es dauerte nicht lange, bis sich eine unendliche Traurigkeit in mir ausbreitete. „Die Wut ist nur der Türsteher, der einen nicht an die Traurigkeit rankommen lässt“, hörte ich mich innerlich sagen. Nun war das Mario-Ich mal wieder live und in Farbe dabei und mittendrin! Welch paradoxes Schauspiel… Äußerlich durchgeschüttelt von Wind und Regen, innerlich aufgelöst von Traurigkeit, Demut, Dankbarkeit und einem Gefühls- und Klarheitsmix, der nicht in Worte gefasst werden kann – und das alles auf dem nichtvorhandenen Boden des nondualen Seins. War was? Is was? Nö! Die Schöpfung entfaltet sich nur illusorisch – so, wie sie soll. Es lebt sich halt so weg – Situation für Situation. Ein Leid, das niemand erfährt Die Traurigkeit blieb noch eine ganze Weile und wurde, wie alles andere auch, genauso sein gelassen, wie sie halt war. “Let it be“, sang John Lennon, und so einfach das scheint, so schwer kann es doch sein, wenn der Jackass-Verstand etwas anderes will. Eines der berühmtesten LaoTze Zitate heißt: „Vor der Erleuchtung: Hacke Holz, trage Wasser. Nach der Erleuchtung: Hacke Holz, trage Wasser.“ Der momentane „Erleuchtungshype“ suggeriert dagegen sowas wie Dauerbliss, wenn denn mal die Selbsterkenntnis den Ich-Gedanken ad absurdum geführt hat. Dabei ist der einzige, aber entscheidende Unterschied nur der, dass die diversen emotional behafteten Alltagserfahrungen eben ohne einen Erfahrenden passieren und dadurch völlig an Brisanz und Substanz verlieren. Welchen Leidensdruck verursacht ein Leid, das niemand erfährt? Du bist weder Jackass noch ein friedvoller Krieger, sondern die Schöpfung selbst – und die spielt mit sich selbst dieses illusorische Eins-als-Viele-Spiel, in dem die Spieler immer die Liebe suchen und hoffen, sie zu bekommen, indem sie allen möglichen Mist innen und außen beseitigen. Heilige Pferdescheiße! Hinterlasse einen öffentlichen Kommentar Antwort abbrechenDeine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.KommentarName* E-Mail* Meinen Namen, meine E-Mail-Adresse und meine Website in diesem Browser für die nächste Kommentierung speichern. Überschrift E-Mail-Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren.Auch möglich: Abo ohne Kommentar. Durch Deinen Klick auf "SENDEN" bestätigst Du Dein Einverständnis mit unseren aktuellen Kommentarregeln.