Wir wussten schon lange, dass irgendwann der traurige Tag kommen wird, an dem wir „Farduw“, unseren Friesen-Wallach und Coaching-Star, von seiner schmerzhaften und unheilbaren Sehnenverletzung erlösen müssen. Trotz aller Hilfsmaßnahmen wurde sein Zustand immer schlechter. Er konnte kaum noch stehen, und Reiten war schon lange nicht mehr möglich. Nicht nur aus Mitgefühl, sondern auch Reitschul-betriebswirtschaftlich bedeutete dies: Einschläfern!

Das war jedoch lange absolut keine Option. Seine wahrhaftige Pferdestärke war zu präsent und gleichzeitig hat dieser liebevolle große „Junge“ bei unseren Workshops nur durch sein Sosein ganz viele Menschen tief berührt und verändert. Jeder, der ihn kennenlernte, bestätigte begeistert, dass Farduw ein ganz außergewöhnliches Wesen sei. Der letzte Besuch in der Tierklinik bei seinem Stammarzt bestätigte allerdings die Unausweichlichkeit der Situation. Mit starken Schmerzmitteln für die letzten Tage, voll von unendlicher Traurigkeit, aber auch mit dem zweifelsfreien Wissen, dass es für ihn das Beste ist, traten wir den Heimweg nach Bad Belzig an. Er sollte in seiner Herde und in seinem gewohnten Umfeld einschlafen. Durch die starken Schmerzmittel konnte er noch einmal über die Wiesen galoppieren und mit seiner Herde toben, aber trotz allem war ihm anzumerken, dass er „Bescheid wusste“.

Tiefe Betroffenheit

Die wenigen Tage vergingen gefühlt wie Wochen. Es war dabei vollkommen präsent, dass der freie Wille nur eine Illusion ist und niemand eine Kontrolle über sich und die Geschehnisse hat. Leben geschieht einfach. Die Endlichkeit des KörperGeistDingens genannt „Mario“ bzw. das, was davon in dem Illusionsfilm noch übrig war, rückte angesichts des baldigen Todes von Farduw unausweichlich noch einmal in den Mittelpunkt. Obwohl es glasklar war, dass der Umgang mit dem Thema Tod nur – wie alles andere auch – auf erlernten gedanklichen Konzepten beruht und in anderen Kulturkreisen anlässlich des Todes richtige Freudenfeste gefeiert werden, war hier, in dem mitteleuropäischen morphogenetischen Feld, vorrangig die Traurigkeit präsent. Aus absoluter Sicht passiert zwar niemals irgendetwas wirklich, doch gleichzeitig erscheint innerhalb dieser illusionären Existenz alles so, wie es eben ist.

Die paradoxe Existenz zeigte sich auf ihrem Höhepunkt: Nichts geschieht und gleichzeitig war da völlige Betroffenheit. Gedanken und Tränen kamen und gingen in ihren eigenen heilvollen Wellen, und jeglicher Ablenkungsversuch versagte. Der Tagesrhythmus war außer Kraft gesetzt und die emotionale und körperliche Belastung zwang in eine lethargische, aber geistig klare und ganz wache Haltung. Widerstand gegen die Tränen zu leisten fühlte sich anstrengend und wie körperlicher Schmerz an und war im Grunde gar nicht möglich. Die Situation war ein „Selbstläufer“, der bei dem Versuch, das sich auf diese spezielle Weise präsentierende „Leben“ verstehen zu wollen, automatisch in der Unendlichkeit und absoluter Gedankenleere endete.

Von der Trauer mitnehmen lassen

Was heißt „Leben“? Eben noch „da“, so nah und liebevoll, ein warmer Körper, pulsierend, energetisch präsent, funkelnde Augen, warmer sanfter Atem – und eine Sekunde später ist nichts mehr „da“. Der Körper scheint nur noch eine leere Hülle zu sein, kalt, regungslos, nichts mehr ausstrahlend, starr, mit leeren Augen. Was gerade noch so vertraut war, ist plötzlich völlig fremd. Nur durch die Erinnerung an die Zeit davor ist überhaupt noch so etwas wie eine Verbindung möglich. Unser Fühlen und einfach Daseinlassen der Traurigkeit ging weit über die damit einhergehenden Körpersymptome hinaus. Kein Wort kann diesen Prozess beschreiben, aber es öffnet sich so etwas wie eine „Himmelspforte“, die Tür zu dir, zu dem, was du bist.

Wenn du Trauer und Traurigkeit nicht weghaben willst, sondern dich voll auf sie einlässt, sie „lieb hast“, dich mitnehmen lässt wie ein Stück Holz in einem reißenden Gebirgsbach, ohne Ahnung, wohin es dich treibt, dann ist sie paradoxerweise eines der größten Geschenke, die man als Mensch bekommen kann – auch oder gerade deswegen, weil sie nichts von dir übrig lässt… Farduw – wir danken dir sehr für dieses traurige Geschenk.

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