In einem crossmedialen Themenschwerpunkt beschäftigt sich der NDR mit der Frage „Wie radikalisieren sich Menschen aus der Mitte?“

Wie kommt es, dass sich Menschen aus der bürgerlichen Mitte während der Corona-Pandemie radikalisieren und von Corona-Diktatur sprechen? Der NDR hat dazu einen sehens- und hörenswerten crossmedialen Themenschwerpunkt veröffentlicht, der sich mit der Frage beschäftigt „Wie radikalisieren sich Menschen aus der Mitte?“

Dazu haben zwei NDR-Autorinnen Querdenker aus dem bürgerlichen Milieu acht Monate lang mit der Kamera durch die Corona-Pandemie begleitet: ein Paar aus Kiel – er Segellehrer, sie Erzieherin – sowie eine alleinerziehende Mutter aus Hamburg, die kurz vor ihrer Abschlussprüfung zur Verwaltungsfachangestellten steht. Sowohl die Mutter als auch das Paar gehörten bald zu den führenden Köpfen der Querdenker-Szene und organisierten Querdenker-Demos.

Entstanden sind eine Fernseh-Dokumentation, eine Web-Story und ein Podcast. Wichtig war den Machern eine neutrale und objektive Darstellung, die nicht bewertet und den Menschen mit seinen Sorgen und Zweifeln in den Mittelpunkt stellt. Am Anfang stand bei den Protagonisten die Sorge um die Gefährlichkeit des Virus und wie man sich am besten schützen kann. Während der Informationsbeschaffung landeten sie aber nicht nur bei Quellen der öffentlich-rechtlichen Medien, sondern auch in den sozialen Netzwerken wie YouTube, wo seriöse Informationen und weniger seriöse Informationen nur einen Klick voneinander entfernt liegen.

So war es nur eine Frage der Zeit, bis man aufgrund eines Algorithmus auf Videos stieß, die steile Thesen und unbewiesene Behauptungen aufstellten. Dieser Empfehlungsalgorithmus schlug den Nutzern immer neue Videos vor, die sie mutmaßlich noch stärker interessierten. Sie gerieten dann in Filterblasen. In diesen Blasen erhielten sie am Ende nur noch Nachrichten aus ihrem eigenen Meinungsspektrum und wurden gegenüber anderen Standpunkten isoliert. Bei Falsch- und Desinformationen konnte das dazu führen, dass sich die Menschen weg von Informationen und sachlicher Aufklärung und hinein in eine Welt von Misstrauen und Verschwörungstheorien bewegen.

Einige Protagonisten der Dokumentation haben die Daten ihrer digitalen Accounts auf YouTube, Facebook und Telegram für die Recherche zur Verfügung gestellt. Der NDR hat sie datenjournalistisch ausgewertet. Damit lassen sich die Radikalisierungsphasen auf den Tag genau zurückdatieren.

Zu Wort kommt auch der Bielefelder Konfliktforscher und Sozial-Psychologe Andreas Zick, der in dem Prozess der Radikalisierung einzelne Eskalationsstufen verorten kann. So sei im Herbst und Winter 2020, auf dem Höhepunkt der Corona-Proteste, die Querdenker-Bewegung der Schwelle zur Gewalt sehr nahegekommen.

Der Sozial-Psychologe beobachtet derzeit einen Rückzug ins Privatleben bei vielen Querdenkern. Insgesamt verliere die Querdenker-Bewegung aktuell an Kraft, zahlreiche Demonstrationen würden untersagt oder gar nicht erst genehmigt, andere hätten kaum noch Zulauf. Doch auch wenn die Demonstrationen verschwinden würden, fürchtet er, dass sich Teile der Bewegung im Stillen weiter radikalisieren – darin sieht er eine große Gefahr für die Demokratie.

Zu dem Themenschwerpunkt im NDR: www.ndr.de/Querdenker-Multimedialer-Schwerpunkt-des-NDR-,querdenker120.html

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4 Responses

  1. Stefan Fritz
    Main stream Journalismus jetzt auch bei Sein.de?

    Wie traurig und überraschend dass auf Sein.de Werbung gemacht wird für Journalismus der durch Labeln von Menschen und „unachtsame“ Sprache für Polarisierung sorgt.
    Genau das Gegenteil wofür diese Seite steht- dachte ich bisher.
    Werden die Artikel denn nicht geprüft?

    Antworten
    • Oliver Bartsch
      Mainstream-Journalismus kann auch seriös sein

      Lieber Stefan,
      ich finde den Beitrag des NDR ausgewogen und objektiv. Was genau stört dich denn an dem Themenschwerpunkt des NDR, den du sicherlich gesehen hast, um dir ein Urteil zu bilden?

      Die Redaktion

      Antworten
      • Egal
        Totalitär

        Friedrich Nietzschw:

        Und auch wenn ihr vom Guten und vom Bösen redet und von den Wertschätzungen, schaffen wollt ihr noch die Welt vor der IHR knien könnt.

        ICH KNIE NICHT VOR DIESEM ABARTIGEN GRÜNE WEIDE GLÜCK, VOR DIESER ABSTOßENDEN NEUEN WELT!!!!!

    • Michael Burkhardt
      Worin bestehen das "Labeln" ...

      … und „unachtsame Sprache“ in diesem Beitrag? Die in der Dokumentation begleiteten Personen bezeichnen sich selbst als „Querdenker“ und fühlen oder fühlten sich diesen zugehörig. Wo ist das Problem?

      Antworten

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