Der Nichiren Buddhismus entstand im 13. Jahrhundert und will die Ideale des Lotos-Sutra wie Mitgefühl, Mut und Weisheit für jeden Menschen im Diesseits erfahrbar machen.

von Oliver Bartsch

Der 2.500 Jahre alte Buddhismus ist keine Religion, sondern eine praktische Lebensphilosophie und vor allem eine Wissenschaft des Geistes. Das wichtigste Handlungsprinzip des Buddhismus, um Befreiung von den Leid erzeugenden Geisteszuständen erlangen zu können, lautet: Wir befreien uns nicht von unseren Problemen, sondern inmitten unserer Probleme.

Im Lotos-Sutra, der zentralen Schrift der buddhistischen Mahayana-Lehre, betonte Buddha, dass die Würde allen Lebens unantastbar ist und jeder Mensch ein unermessliches Potenzial besitzt: die Buddhanatur. Der japanische Mönch Nichiren entwickelte im 13. Jahrhundert den Nichiren Buddhismus, um die Ideale des Lotos-Sutra für jeden Menschen erfahrbar zu machen: Durch das Rezitieren („Chanten“) von Nam-Myoho-Renge-Kyo, dem Titel des Lotos-Sutra, können wertvolle Eigenschaften der Buddhanatur wie Mitgefühl, Weisheit und Mut gestärkt und im Alltag gelebt werden.

Nichiren Buddhismus

Die heute weltweit rund 12 Millionen Mitglieder üben den Nichiren Buddhismus in der Soka Gakkai aus. Dies ist eine buddhistische Glaubensgemeinschaft, die sich für Frieden, Kultur und Bildung einsetzt. Die Mitglieder der Soka Gakkai bemühen sich in ihrem Alltag darum, positive Zeichen für Gewaltlosigkeit, Hoffnung und Zivilcourage zu setzen und möchten zu einer nachhaltigen Friedenskultur beitragen. Grundlage ihres Handelns ist das Verständnis, dass individuelles Glück und die Verwirklichung einer friedlichen Welt untrennbar miteinander verbunden sind.

Die buddhistische Ausübung des Nichiren Buddhismus besteht im Wesentlichen darin, zwei Abschnitte aus dem Lotos-Sutra und den Sutra-Titel Nam-Myoho-Renge-Kyo zu rezitieren. Außerdem studieren Mitglieder der Soka Gakkai die buddhistische Philosophie und teilen sie mit anderen. Ein erfülltes, glückliches Leben zu führen, ist das Ziel des Nichiren Buddhismus. Dazu gehört, die eigenen Herzenswünsche zu verwirklichen und gleichzeitig zu dem Glück anderer und einer friedlichen Gesellschaft beizutragen.

Nam-Myoho-Renge-Kyo

Die Ausübung des Rezitierens von Nam-Myoho-Renge-Kyo kann auch als ein Ausdruck der Entschlossenheit beschrieben werden, unsere Buddhanatur zum Vorschein zu bringen. Es ist ein Versprechen an uns selbst, alle Schwierigkeiten zu überwinden und sogar Leid in Glück zu verwandeln. Gleichzeitig ist es ein Versprechen, anderen zu helfen, dieses Gesetz in ihrem eigenen Leben zu entdecken und ebenfalls glücklich zu werden. Übersetzt heißt es in etwa: „Ich widme mich dem mystischen Gesetz von Ursache und Wirkung.“

Der Nichiren Buddhismus ist unter den buddhistischen Lehren insofern revolutionär, als er lehrt, dass alle Menschen in der Lage sind, die Buddhaschaft in diesem Leben, in ihrer gegenwärtigen Form, zu verwirklichen. Nach mehreren Jahren des Praktizierens wird der Gohozon verliehen. Der Gohonzon ist eine Schriftrolle mit chinesischen und Sanskrit-Zeichen, die den Ausübenden des Nichiren Buddhismus dabei hilft, den Lebenszustand der Buddhaschaft in ihrem Leben zu erkennen und hervorzubringen. Gohonzon ist japanisch und kann auf Deutsch mit „Objekt der Widmung“ übersetzt werden. Ausübende des Nichiren Buddhismus richten sich zuhause Altäre mit einem Schrein ein, in dem sie den Gohonzon aufbewahren.

Ihre tägliche Ausübung besteht darin, Nam-Myoho-Renge-Kyo und Abschnitte aus dem Lotos-Sutra zu rezitieren, während sie vor dem Gohonzon sitzen. Dies ist ein Akt der Bekräftigung und Verehrung der Würde ihres eigenen Lebens sowie der Würde allen Lebens. Das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo zum Gohonzon aktiviert die Buddhanatur, die dem eigenen Leben innewohnt. Dies wird als ein Aufblühen von Weisheit, Mut, Mitgefühl und Lebenskraft erlebt, das einen dazu befähigt, die verschiedenen Herausforderungen des Lebens zu meistern und das eigene Leben, so wie es ist, zum Strahlen zu bringen.

Es gibt über 500 regionale Gruppen des Nichiren Buddhismus in Deutschland. Auf den Treffen dieser Gruppen kann man die buddhistische Ausübung kennenlernen, von anderen lernen, eigene Erfahrungen mit dem Leben und dem Glauben teilen und sich gegenseitig ermutigen. Hier wird ein offener Rahmen angeboten, in dem sich die unterschiedlichsten Menschen begegnen – unabhängig von sozialer Herkunft, Alter, Geschlecht, Beruf, Nationalität oder Ursprungsreligion. Gruppenversammlungen sind deshalb so wesentlich als Friedensaktivität der Soka Gakkai, weil hier Netzwerke der Freundschaft geknüpft und Menschen ermutigt werden, die Einzigartigkeit ihrer Lebensaufgabe zu erkennen.

Infos unter www.sgi-d.org

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