In einer beängstigenden Welt zu leben ist die Chance, Lieblosigkeit zur Liebe, sowie Licht ins Dunkel zu bringen. In der Welt und in mir. Es ist eine Herausforderung, mich mutig immer wiederzufinden und somit selbst zu retten. Der Konflikt mit äußeren Wirklichkeiten und den Weg menschlicher Selbstfindung.

von Kathryna Li de Leon

Die Grundregeln einer beängstigenden Weltsicht

Wenn ich mich daran erinnere, wie ich aufgewachsen bin, war es vor allem eine beängstigende Weltsicht, die mich zum Versteckspiel mit mir selbst veranlasste. Diese Weltsicht war geprägt von verunsichernden Befürchtungen. Angst vor Männern, die nicht zu erfüllende Erwartungen hatten, und Angst vor Frauen, die ihre Empfindsamkeit als Last für sich selbst und andere empfanden und somit stets unterdrückten.

Lieblosigkeit als Liebe getarnt

Liebe war ein abstrakter Begriff. Verklärt, durch romantisierende Idealisierung. Beschnitten durch an Konventionen gebundene Grenzen und Verhaltensregeln. Strenge, Härte und Kälte waren Ausdrucksformen dieser Liebe, die in Wahrheit Lieblosigkeit war. Ich lernte die Systeme jener lieblosen Welt kennen und fand einen Weg, der mich zu einem Teil von ihr machte.

Nach den Regeln spielen

Und so beschritt ich diesen Weg der Selbstfindung mit Erwartungen, die nicht zu erfüllen waren, und unterdrückte meine Empfindsamkeit, die ich als Last für mich und andere empfand. Ich lebte eine verklärte und beschnitte Form der Liebe, die in Wahrheit Lieblosigkeit war. Wirklich glücklich zu sein wäre mehr, als von diesem Leben zu erwarten sei – dies lehrten mich die Älteren. Und ich glaubte ihnen.

Das leise Gefühl der Hoffnung

Doch in mir war ein leises Gefühl der Selbstfindung, das diesem Glauben widersprach. Es flüsterte: „Ich bin hier, um zu erleben, dass alles gut wird.“ Das Gefühl ängstigte mich, denn es widersprach sowohl den an Konventionen gebundenen Grenzen und Verhaltensregeln, als auch den Lehren der Älteren. Geübt in der Praxis der Unterdrückung wandte ich diese zunächst auch in diesem Fall an.

Aus Gewohnheit von den Gefühlen getrennt

Also betäubte ich meine Sinne und Gefühle sowie die Schmerzen, die diese Praxis bereitete. Ich nutzte Strategien der Vermeidung, die mich von dem Selbstmissbrauch ablenkten. So vergingen Jahrzehnte. Doch die Wahrheit ist geduldig – und beharrlich – und das leise Gefühl lebte im tiefen Innern meines Seins weiter.

Das Leben unterstützt durch Erinnerung

Gleichzeitig geschah etwas Bemerkenswertes auf dem Weg der Selbstfindung. Auf dem Weg innerhalb der lieblosen Welt begegneten mir immer wieder Geschichten und Erlebnisse (von anderen erzählt), die Bezug zu mienen Gefühlen nahmen. Sie erzählten von unendlichen Möglichkeiten und inspirierten meine Vorstellungskraft. Sie erinnerten mich an das leise Gefühl, das wie ein kleiner Funke auch weiterhin in mir leuchtete.

Der Tatendrang wächst

Durch diese Erinnerung wurde der Funke zu einem leidenschaftlichen Feuer. Dessen Forderung nach meiner Aufmerksamkeit wurde in Form von Unruhe und Unzufriedenheit immer deutlicher spürbar. Ein Unbehagen wuchs in mir. Der Leidensdruck war hoch und nicht mehr zu betäuben, keine Ablenkung war der Tiefe des Schmerzes gewachsen.

Wie ist mir zu helfen?

Eine Rettung aus dieser katastrophalen Situation war lebensnotwendig. Ich suchte und fand Unterstützung dabei, die jedoch schnell an ihre Grenzen stieß. Der Umfang meiner Rettung sprengte den Rahmen und die Möglichkeiten jeglicher hilfsbereiten Person und Institution. Diese Erkenntnis führte mich zur größten Herausforderung – doch auch Erkenntnis – meines Lebens: Ich muss mich selbst retten.

Selbstfindung – Ich bin mein eigener Held

Mit einer Annahme dieser Herausforderung öffnete ich den Vorhang, Spot an, Bühne frei. Das große Abenteuer „die Erforschung der unbekannten Tiefe meiner Selbst“ begann. Sogleich erschienen die ersten Gegner. Meine Ängste vor Unzulänglichkeit und Machtlosigkeit stellten sich als ein verzweifeltes Ich und ein geschwächtes Ich in meinen Weg.

Der Kampf mit dem, was ich zu sein scheine

Wie in getrübte Spiegel blickend, sah ich meine Gegenüber an. Ihre Ähnlichkeit zu mir hatten eine täuschende Wirkung und in der Auseinandersetzung mit ihnen schwankte meine Sicherheit darüber, wer ich denn nun wirklich war.

Ich nehme mein inneres Wissen wahr

„Wo die Angst ist, ist der Weg.“, sprach es in mir. Dem folgend, ging ich auf die beiden zu. Je näher ich ihnen kam, desto deutlicher sah ich, dass sie nicht ich waren, Teile von mir, aber nicht ich. Das damit steigende Selbstbewusstsein half mir, aufrecht, achtsam und sicher einen Fuß vor den anderen zu setzen.

Mutig begegne ich meinen Ängsten

Auf die andern beiden wirkte meine Haltung abschreckend und sie wichen allmählich. Im Vorbeigehen spürte ich, wie sie ihrerseits nun innehielten und mich betrachteten. Nun fragten sie sich, wer sie denn nun wirklich waren.

Meine bewusste Entwicklung hat begonnen

Und so ging ich die ersten Schritte auf dieser Forschungsreise. Und sie dauert noch immer an. Doch ich gehe weiter und stolpere über meine lose herumliegenden Wurzeln, die einst in dem Grund der Lieblosigkeit keinen Halt gefunden haben. Ich erlebe, wie jede Begegnung mit meinen inneren Gegnern in einer Demonstration unserer Wandlungsfähigkeit endet.

Demütig und ehrlich weiter gehen

Manchmal nimmt der Sog der Angst mich gefangen. Dann höre ich in mir: „Es geht vorbei.“ Ich atme mutig, halte den Schmerz aus und erlebe: es geht vorbei. Ich stoße mich an den Ecken und Kanten meines eigenen gewaltsamen Denkens und Handelns. Ich sehe ein, dass ich mir damit eine liebevolle Verbindung zu anderen wie zu mir selbst verwehre.

Selbstfindung

Je weiter ich gehe, desto mehr Licht trage ich in mein Dunkel hinein. Damit wird auch mein Blick auf und in die Welt erhellt. Meine Weltsicht öffnet sich für das Freud- und Liebevolle. Dies ist der wertvolle Lohn des oft unbequemen Weges, der bereits hinter mir liegt.

Ich finde mich, wieder und wieder

Meine Erfahrungen stärken mein Vertrauen in mich, das jeden weiteren Schritt leichter gestaltet, und versorgen mich mit Zuversicht, die mich für alles bereit sein lassen. Mit meiner erneuerten Weltsicht und eigenen Offenheit endet das Versteckspiel mit mir. Denn ich gewinne es jedes Mal, wenn ich mich selbst wieder finde.

Kathryna Li de Leon hat sich zur bewussten Ergründung ihres umfassenden Seins aufgemacht. Dabei verfeinert sich ihre Wahrnehmung immer weiter, die sie aktiv für ihre Entwicklung nutzt. Als Unterstützung bietet sie „Wahrnehmungsgeleite“ an, um Menschen bei der Entfaltung der entsprechenden Fähigkeiten in ihnen zur Seite zu stehen.
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Kathryna Li de Leon hat sich zur bewussten Ergründung ihres umfassenden Seins aufgemacht. Dabei verfeinert sich ihre Wahrnehmung immer weiter, die sie aktiv für ihre Entwicklung nutzt. Als Unterstützung bietet sie „Wahrnehmungsgeleite“ an, um Menschen bei der Entfaltung der entsprechenden Fähigkeiten in ihnen zur Seite zu stehen.

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2 Responses

  1. Yannik
    Angst als Befreiung

    Vielen Dank für die Einblicke in deine Lebensgeschichte, Kathryna! 🙂 Wie hat sich in dieser Zeit dein generelles Empfinden zur Angst verändert? Ich sehe Angst auch als meinen größten Meister an und schaffe durch die Überwindung davon neuen Raum in meinem Bewusstsein. Auf der anderen Seite von Angst liegt Freiheit.
    Yannik von Selbstkenner.de

    Antworten
    • Kathryna Li
      Angst, mein Freund und Lehrer

      Lieber Yannik,
      danke für dein Interesse. Wo die Angst ist, ist der Weg. Ein Ausspruch, der mich seit mehreren Jahren begleitet. Und jedes Mal, wenn ich einer Angst begegne, kommt er mir in den Sinn und ermutigt mich dazu hinzusehen. Bis heute ist das so. Denn auch wenn ich schon viele Ängste überwunden habe und daran gewachsen bin, stelle ich stets aufs neue fest, dass darunter andere, manchmal noch tiefere und herausforderndere, Ängste verborgen sind. Aber die viele Übung hat mich zu einer mutigen Zuversicht in mir geführt und inzwischen weiß ich, ich schaffe alles. Nach und nach 🙂

      Antworten

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