Um sich alten Strukturen zu stellen, sie hinter sich zu lassen und tiefe Lebendigkeit in sich zu erfahren, ist eine Gruppe Gleichgesinnter ein besonders unterstützendes Feld. Im Interview mit Aseema Magdalene Baiker erzählt die Künstlerin Alona Harpaz, wie durch Meditation, authentische Begegnung und echtes verpflichtendes Engagement jeder Einzelne aus der Kraft des gemeinsamen Feldes schöpfen kann. Über das Selbst im WIR.

 Über viele Jahre erlebte ich stille Meditation in Schweige-Retreats und Trainingsgruppen für Kommunikation als immense Bereicherung für mein Leben. Die intensiven Erfahrungen in Gemeinschaft blieben jedoch immer etwas Temporäres und Exklusives, für das es im anschließenden Alltag keine Form und kontinuierliche Weiterführung gab. Für mich blieb die Frage offen, wie ich das Erfahrene so in mein Leben integrieren kann, dass ich es auch im Alltag leben kann.

Dann begegnete ich der offenen Gruppe „Mastering the Effortless“ von Alona Harpaz. In dieser treffen sich alle 14 Tage etwa 20 Menschen für zwei Stunden zu einem lebendigem, aus dem Hier und Jetzt entstehenden Gruppenprozess.

Gemeinsame Meditation, die Spiegelung in der Gruppe und das Erleben, dass alles so sein darf, wie es ist, und zugleich durch unsere Intention und Offenheit verändert werden kann, sind die tragenden Elemente dieser speziellen Wir-Entfaltung.

Die Intention der Gruppe ist es, genau hier und jetzt in einem kontinuierlichen Rahmen die unverwirklichten und drängenden Potentiale unserer Lebens-Ziele klarer zu sehen und mit Enthusiasmus zu leben.

Ankommen im Körper des WIR

Das Zusammensein beginnt mit einer etwa 20-minütigen geführten Meditation, die dazu dient, innezuhalten und im Körper und mit der Gruppe anzukommen. Wir blicken uns im Anschluss in der Runde an, bleiben dabei mit der Aufmerksamkeit bei uns selbst und unseren wechselnden Körperfeedbacks und lernen gleichzeitig, den anderen wahrzunehmen – ohne etwas damit zu tun. Danach wechseln wir zwischen Sharings in Zweier- oder Dreiergruppen und spielerischem Sich-Beziehen in der ganzen Gruppe. Die Themenstellungen in den Übungen sind jedes Mal anders, sie tauchen durch Alona wie von selbst aus dem erweiterten Raum auf. Zum Abschluss gibt es Raum für intuitive Heilberührungen, zu zweit oder im ganzen Kreis, die uns wieder in die Stille und Verbundenheit führen.

Unkonventionell und immer frisch, erlebe ich mich hier im Spiegel einer Gruppe, die frei von einem gemeinsam definierten spirituellen Hintergrund ist, die aber ein Höchstmaß an Freiheit mit echtem Commitment für sich selbst und die Gruppe verbindet. Es entsteht ein Raum von echter „Selbst-im-WIR“-Entdeckung.

Ehrlich zu sein ist bereits die Befreiung

Ein wesentliches Lernfeld dieser Gruppe ist dabei für mich, meine Ambivalenz, einerseits dazugehören zu wollen und andererseits davonlaufen zu wollen vor Irritation, Unsicherheit und Angst, bewusst wahrzunehmen und zu teilen. Das gibt mir die Chance, zu erleben, wo ich mich in meinem Leben selbst daran hindere, weiterzugehen, weil ich mich in anderen oder deren Verhaltensweisen selbst ablehne. Was ich in der Gruppe lerne, ist, dass das, was immer ich gerade bin und ehrlich von mir einbringe, letztlich dem Ganzen dient.

Als weitere Kostbarkeit erlebe ich die E-mails, die sich die Gruppe zwischen den Treffen schreibt. Hier entsteht ein feiner und tragender Verbindungsraum. Jeder kann sich hier mit allem mitteilen – und selbst wenn zuweilen Chaos auszubrechen droht, erfahre ich hier regelmäßig die übergeordnete Intelligenz der Gruppe. In dieser ist alles präsent, was ein waches WIR uns an wechselseitiger Weisheit und Unterstützung zu geben vermag. Mitzuerleben, wie persönliche Entwicklungswege verschiedenster Menschen über einen längeren Zeitraum sichtbar werden, schenkt ein völlig neues Vertrauen und Verständnis in Lebensprozesse.

Im Gespräch mit Alona Harpaz ist mir noch eindrücklicher geworden, woraus sie in ihrer Gruppenarbeit im Wesentlichen schöpft:

Aseema: Wann hast du zum ersten Mal den Ruf in dir gehört, mit Gruppen zu arbeiten?

Alona: Die Intensität mit Menschen, das Fühlen von Menschen war schon immer da. Ich wurde so erzogen. Mit meiner Mutter war es ganz natürlich, über alles zu sprechen. Ich wunderte mich darüber, dass meine Freunde nicht so mit ihren Eltern sprachen und warum sie zu meiner Mutter kamen, um mit ihr zu sprechen. Wir hatten zu Hause so etwas wie eine Sharinggruppe. Es war ganz natürlich für mich, Menschen zu fragen, wie es ihnen ging, und zu fragen, was sie bewegt, etwas zu tun. Der Ruf zu dieser Arbeit war also eigentlich immer da. Dann wurde der Ansatz professioneller durch Lehrer, die ich kennen lernte und die mir sagten, dass ich so arbeiten konnte, wie ich ganz natürlich bin. Ich konnte mir erst gar nicht vorstellen, dass diese Haltung eine Arbeit sein konnte, da sie so selbstverständlich für mich war. Außerhalb meiner Familie habe ich erst gemerkt, dass das Miteinander bei uns tatsächlich außergewöhnlich war, und später merkte ich, dass ich dieses Erleben vertiefen, formen und entwickeln konnte – und es wurde das Wichtigste, dem zu folgen. Es gab also nicht diesen einen Moment in meinem Leben, es ging Schritt für Schritt, ausgehend von dem Kern, der immer da war. Vielleicht gab es so eine Art Erwachensmoment, als ich zum ersten Mal in einem Workshop mit einem Lehrer feststellte, dass das, was ich gewohnt war zu tun, als Seminarform existierte.

Wie ist deine Arbeit beeinflusst von Lehrern, die du kennen gelernt hast?

Ich glaube, ich beziehe alle meine Lebenserfahrungen mit ein, nutze das für meine Arbeit und mache, was sich gerade stimmig für mich anfühlt. Aber was ich nicht suche, ist eine Methode. Wenn ich irgendwann damit beginne, eine Methode einzusetzen, dann werde ich mit dieser Arbeit aufhören. Denn ich kann nie wissen, wie sich etwas entwickeln wird. Ich arbeite Schritt für Schritt und sehe dann die Reaktion der Menschen. Es existiert kein Rezept. Es gibt natürlich Dinge, die funktionieren, und die wende ich auch an. Aber eigentlich zählt immer die Energie der Gruppe, der Menschen, die da sind. Die Menschen bestimmen, was in der Gruppe passieren wird. Den Menschen und der Gruppe zuzuhören ist essentiell, und nicht mit irgendeinem Modell zu kommen.

Was ist es, das du in deiner Arbeit mit der Welt teilen möchtest?

Das Wichtigste ist der Enthusiasmus fürs Leben. Ich sehe, dass es möglich ist, deinen Zustand zu ändern, es ist nichts für dich entschieden oder vorgegeben. Du kannst Änderungen in jedem Lebensbereich initiieren, mit deinen Kindern, deinen Eltern, deinem Liebhaber, bei der Arbeit, überall. In diesem Zusammenhang möchte ich Menschen mehr über Intention beibringen. Wenn du eine Intention hast und dich darauf fokussierst, dann wirst du wahrscheinlich bekommen, was du möchtest. In diesem Sinne ist es auch möglich, enthusiastisch zu leben und dich nicht einer Depression hinzugeben. Ich kann eine neue Realität für mich kreieren, erst für mich, dann für die Menschen um mich herum. Und der nächste Schritt ist dann, zu geben. Das ist ein Entwicklungsprozess. Ich möchte darum nicht, dass Leute zu meiner Gruppe kommen wie in ein Spa, damit es ihnen für den Moment besser geht. Das Wohlfühlen ist nicht interessant. Es geht vielmehr um eine Verpflichtung für den Prozess, der nicht immer lustig ist. Ein Prozess, der alles, was man nicht sehen will, an die Oberfläche bringt. Ich glaube, dass Menschen in Gruppen besonders gut lernen, mit ihren Schatten umzugehen, so dass sie dann die Kraft entwickeln, mit dem umzugehen, was das Leben ihnen präsentiert.

Woher kommt dein Vertrauen in das, was in der Gruppe passiert?

Vom Vertrauen, das ich in das Leben habe. Ich glaube nicht daran, dass etwas im Leben „falsch“ gelaufen ist. Gerade nach einem sogenannten Zusammenbruch beginnen sich Dinge im Leben zu bewegen. Ein Zusammenbruch kommt oft, nachdem man eine lange Zeit nicht auf einen bestimmten Bereich des Lebens geschaut hat. Ich habe auch Vertrauen in die Menschen, die zur Gruppe kommen, darin, dass es genau die Menschen sind, die bereit für den Prozess sind. Ich bin nur eine Art Guide, der den Raum hält und das trägt, was passiert. Es gibt viele Menschen, die schon seit vielen Jahren kommen. Dass sich hier ein Feld von Menschen bildet, die verantwortungsvoll mit sich und anderen umgehen, ist eine Bestätigung dieser Arbeit.

Was ist das Besondere an deiner Arbeitsweise mit Gruppen?

Ich bin Künstlerin. Das formt auch die Gruppe, es geht um die Freiheit in der Gestaltung. Kunst inspiriert mich dazu, nie wissen zu wollen, wie etwas geht. Es macht einen Unterschied, ob man meint zu wissen, wie „es“ geht, oder ob man flexibel bleibt und sich einfach auf das Nicht-Wissen einlässt. Kunst schaut hinter das Leben, sie ist die Verbindung zu dem Größeren hinter dem offensichtlichen Leben – sie ist meine Hoffnung und mein Sauerstoff.

Warum der Name “Mastering the Effortless”?

Oft versuchen wir mit viel Mühe, etwas in unserem Leben zu bewegen. Doch das ist nicht der einzige Weg. Ich glaube daran, dass man der Begeisterung folgen sollte. Begeisterung ist ein Kompass, ein Wegweiser. Wenn ich so lebe, erscheint mir das Leben mühelos. Darum: Finde heraus, was du gut kannst, was dich begeistert.

Darin findest du die Antworten für dich, für deine Arbeit, deine Beziehungen.

Effortless-Alona-Harpaz-Rau  Das Selbst im WIRWirkt es sich auf deine Arbeit aus, dass du
aus Israel kommst?

Ich glaube nicht. Natürlich ist es immer Teil von meinem Leben. Ich gebe von dem Platz, an dem ich bin, und mein kultureller Hintergrund ist Teil davon. Ich habe einen Deutschen geheiratet und zwei Kinder mit ihm, die sowohl israelisch als auch deutsch sind. Das ist Teil der Heilung.


Offene Gruppentermine
14-täglich montags,
am 9.2., 23.2., 9.3., 16.3., 13.4., 27.4., 11.5., 1.6., 15.6.,
16.30- 18.30 Uhr
Ashtanga Studio
Jablonskistraße 24
10405 Berlin

Info und Anmeldung
bei Anja Krüger
über info@alonaharpaz-projects.com

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