Die momentane Krise zeigt ähnlich einem Vergrößerungsglas, wie es um den Selbstrespekt, die Eigenmacht und Würde von vielen bestellt ist: leider gar nicht gut. Der Königsweg aus der Ohnmacht: Statt in kindlicher Anpassung und im Gehorsam zu verharren, geht es darum, eine gefühlte Verbindung zum eigenen inneren Kern aufzubauen – als Selbstschutz gegen die medien-geschürte Angst, Panik und Manipulation.

von Dr. Matthias Rudlof (Der Artikel entstand in Zusammenarbeit mit Gundula Liebisch, IFEB Dresden)

Vor einigen Tagen gab es in der Bildungseinrichtung, in der ich Erwachsene unterrichte, plötzlich einen Feueralarm. Ein lauter, sirenenhafter Alarmton war zu hören, und die Menschen rannten fast panisch zu den Ausgängen. Sie zeigten Angst und hielten sich an der offiziellen Sicherheitsregel fest: Wenn die Alarmsirene ertönt, sofort aus dem Gebäude rennen! Ich war möglicherweise der Einzige, der sich einen Moment Zeit nahm, um innezuhalten, um wahrzunehmen und zu fühlen, was wirklich ist und ob es tatsächlich eine Gefahr gibt. Mein Gefühl, meine Intuition sagten mir: Nein, es gibt keine Gefahr – und genauso war es dann auch, und alle konnten bald ins Gebäude zurück.

Für mich ist die geschilderte Situation beispielhaft für die psychische Verfassung vieler Menschen in unserer Gesellschaft, welche in der jetzigen Krise noch offensichtlicher wird: Die meisten vertrauen sich selbst und ihrer eigenen Wahrnehmung nicht, sondern sie reagieren, ohne eigenständig wahrzunehmen und zu fühlen, was wirklich ist, auf starke äußere Reize mit einem Flucht- und Sicherheitsverhalten. Dabei halten sie sich an offizielle Verhaltensregeln, ohne deren Sinnhaftigkeit für die betreffende Situation zu hinterfragen und sich eine eigene Einschätzung der Lage zu bilden – dem eigenen Urteilsvermögen vertrauend. Psychologisch gesprochen könnten wir hier von einer starken Außenorientierung der meisten Menschen sprechen – in einer Suche nach Halt und Sicherheit, die sie in sich nicht verlässlich finden. So orientieren sie sich mit ihrem Verhalten, ihrem Tun, an von außen vorgegebenen Maßstäben. Auch an Daten und Regeln, statt an ihrem eigenen inneren Wissen. In der konsumistischen Lebensweise, wie sie nunmehr seit Jahrzehnten auch in unserer Gesellschaft immer stärker herrscht, suchen viele ihr Glück immer noch im Außen – in dem, womit sie sich umgeben. Die Konsumgesellschaft nährt eine Illusion von Freiheit, indem man sich vieles kaufen kann. Die gähnenden Gefühle von Leere und oftmals Sinnlosigkeit im tieferen Inneren – ob bewusst oder unbewusst – bleiben dadurch ungehört. Auch in den näheren sozialen Beziehungen orientiert man sich am Außen. Man wünscht sich Anerkennung, soziale Zugehörigkeit. Eine abweichende Meinung, eine andere oder nicht konforme Haltung könnte all dies gefährden.

Der inneren Stimme folgen

Wenn Menschen im Inneren stabiler wären, würden sie in ihrer Lebensführung mutiger der eigenen Wahrheit, ihrer inneren Stimme folgen – selbst wenn andere dies nicht gutheißen oder sogar ablehnen. Das, was in Gesellschaft und Politik auf sie zukommt, würden sie immer zuerst an ihrem inneren Maßstab und Ethos prüfen. So würden sie beispielsweise nicht unhinterfragt ständig wechselnde, auch widersprüchliche Pandemieregeln befolgen, welche gegen die soziale und freie Natur des Individuums gehen, sondern sie würden ihr inneres Gefühl sowie auch ihren gesunden Menschenverstand fragen, was sie für sich selbst als richtig empfinden, und danach handeln. Wenn ein Mensch in seinem Inneren stabil ist, weiß er, was er für seine Gesundheit braucht, für seinen Selbstschutz und seine tägliche Lebensführung. Er würde mehr der Weisheit seines inneren Arztes vertrauen und der Angst die Frage entgegensetzen, ob beispielsweise ein Virus wirklich so gefährlich ist, wie es im Außen proklamiert wird. Die Klarheit und Kraft dieser inneren Weisheit, dieses Wissens, würde einer durch die Medien geschürten Angst und Panik jeglichen Nährboden entziehen, und das, was wirklich nützlich und stimmig ist, könnte zutage treten und wirken.

Eigenmacht abgegeben

Bei Menschen, die aus ihrer Eigenmacht leben – statt ihre Macht an Autoritäten, an den Staat, an Politiker und Behörden, an Experten wie beispielsweise Mediziner oder Virologen abzugeben –, wäre eine politisch und medial geschürte Angst, ob nun grundsätzlich oder in der jetzigen Situation, machtlos. Indem jedoch viele in ihrem Leben ihre eigene Macht auf andere projizieren und sich von diesen abhängig machen, entmächtigen sie sich selbst. So entfalten sie das ihnen innewohnende Potenzial, ihre eigene Größe und Würde nicht. Dies ist unendlich schade zu sehen in der aktuellen gesellschaftlichen Situation, doch dieses Problem ist grundsätzlicher Natur. Es hat zum einen mit dem Zustand unserer Gesellschaft, den kollektiven Traumata über viele Generationen und Leben zu tun, andererseits aber auch mit Prägungen und Konditionierungen, die viele Menschen in unserer Gesellschaft nie wirklich überwunden haben. So tragen sie noch als Erwachsene die Psyche eines braven ängstlichen Kindes in sich, welches Angst vor Bestrafung hat, wenn es sich nicht an die von den Autoritäten als Elternfiguren vorgegebenen Regeln hält. Rebellion und Widerspruch sind in dieser psychischen Verfassung nicht vorgesehen, hier kann es allenfalls eine unterschwellige Wut des Nichtgelebten geben, die sich beispielsweise in Ressentiments gegen andere zeigt. Das Eigene auch gegen Widerstände zu vertreten, wurde diesen Menschen bereits als Kindern ausgetrieben. Anpassung und Gehorsam sind somit, insbesondere wenn es um die eigene Existenz geht, das gewohnte Lebens- und Verhaltensmuster. Und es wird belohnt mit sozialer Anerkennung und Zugehörigkeit. So zeigt uns die momentane Krise wie durch ein Vergrößerungsglas auf, wie es um den Eigenwert, die Eigenmacht und Würde von vielen bestellt ist. Denn mit ihrem Wesen und ihrer echten Individualität und Strahlkraft als Geschöpf Gottes bzw. des Lebens können sie unter den gegebenen Bedingungen nur schwerlich erblühen.

Andersdenkende respektieren

Hier geht es auch um die grundsätzliche Frage, wie eine menschenwürdige Gesellschaft aussehen würde, in der jeder stabil und lebendig in seinem Inneren wäre und damit über eine persönliche Souveränität verfügte. Wenn die Menschen im Inneren stabil wären, würden sie nicht mit Aggression und Ausgrenzung auf Andersdenkende reagieren, sondern mit innerer Souveränität dem Anderen sein Andersdenken und Anderssein in Respekt zugestehen und sich dafür interessieren. Sie könnten mit fundiertem Selbstvertrauen flexibel und kreativ auch mit Zeiten wirtschaftlicher und sozialer Unsicherheit umgehen, statt diese sofort als Bedrohung zu empfinden und ängstlich nach einer Rettung im Außen zu suchen, ohne für sich zu überprüfen, ob die sogenannte Rettung wirklich eine Rettung für sie ist. Doch wie können wir diese innere Stabilität entwickeln, was können wir dafür tun? Stabil im Inneren wird ein Mensch, wenn er mit einem wachen Herzen und Bewusstsein seine wahren Gefühle und Begehrnisse zulässt und fühlt. Und um diese Gefühle zu tragen, dazu zu stehen und daraus dann letztlich zu agieren, braucht er seine Lebensenergie als dynamische Basis. Vor allem braucht er eine Verbindung zu seinem Kern, seinem Wesen, zu dem, der er in Wahrheit ist. Er braucht ein Wissen darum.

Fühlen, was wirklich ist

Zu fühlen, was wirklich ist und wer ich wirklich bin, und dann entsprechend zu agieren, ist der Königsweg zu Eigenmacht und innerer Stabilität. Doch dieser Weg ist kein leichter, den man einfach konsumieren könnte. Er erfordert Mut zu sich selbst und eine innere Entscheidung, denn er ist bei den meisten mit Ängsten verbunden. Der eigenen Wahrheit zu folgen, kann im eigenen Lebensumfeld bedeuten, viele vertraute Sichtweisen und soziale Arrangements – man spricht auch von persönlichen Komfortzonen – zu hinterfragen und möglicherweise hinter sich zu lassen. Derartige zum Teil gravierende persönliche Veränderungen erfordern Mut und die Annahme einer echten Eigenverantwortung für das eigene Leben. Diesen Weg in Konsequenz zu gehen, wagen viele Menschen nicht – oder sie möchten es nicht, was natürlich ihre Wahl ist. Der Weg zu innerer Stabilität und Eigenmacht ist ein spannender Weg der Selbstentdeckung. Doch er fordert seinen Preis und braucht eine Hingabe an die eigene Entwicklung. So sollte sich jeder, der sich auf diesen sicherlich lohnenden Weg macht, öfter die Frage stellen: Was bin ich bereit aufzugeben, um mich selbst zu gewinnen?!

Eine Antwort

  1. Kirsten

    Hallo Herr Dr. Rudlof,

    ein wenig stimmt mich Ihr Text nachdenklich. In der Theorie stimme ich Ihnen zu 100 % zu. Sie schreiben: „Der eigenen Wahrheit zu folgen, kann im eigenen Lebensumfeld bedeuten, viele vertraute Sichtweisen und soziale Arrangements – man spricht auch von persönlichen Komfortzonen – zu hinterfragen und möglicherweise hinter sich zu lassen.“ Das kann (!) praktisch bedeuten und ich erlebe es selbst: Die eigene Familie, der Freundeskreis wendet sich ab. Es ist gut möglich und recht wahrscheinlich, dass man für eine unbestimmte Weile Einsamkeit aushalten muss. Das kann nicht jeder. Und es muss auch nicht jeder können. Man ist kein „besserer“ Mensch, wenn man zu sich selbst gefunden hat.

    Wer hat uns Eigenverantwortung, Mut, Selbstliebe in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten vorgelebt? Kaum jemand. Was leben wir noch immer unseren Kindern vor? Konsum, Karriere, Leistung. Vor uns liegt noch viel Arbeit. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass wir das gemeinsam schaffen.

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