Warum kooperieren Menschen? Welche Triebfeder steckt dahinter? Wie wird die Kooperationsbereitschaft gestört? Wie können wir sie wieder herstellen? In den letzten Jahren fand die Gehirnforschung heraus, dass es den Menschen positiv motiviert, wenn andere Menschen ihm gegenüber freundlich und zugewandt sind. Wird uns Vertrauen und Fairness entgegen gebracht, reagiert unser Motivationssystem sofort positiv. Es werden die Wohlfühlbotenstoffe Dopamin, Opioide und Oxytocin ausgeschüttet, die ein Gefühl des Wohlbefindens, positive Motivation und Gesundheit erzeugen. Der Mensch möchte, dass diese Wohlfühlbotenstoffe möglichst oft ausgeschüttet werden. Dies ist die Triebfeder der Kooperation.

Unfairness, Misstrauen und soziale Ausgrenzung kann ein Mensch bis zu einem gewissen Grad ertragen. Langfristig schädigt jedoch das Ausbleiben der Wohlfühlbotenstoffe unsere Gesundheit. Unter anderem sind Depressionen und psychosomatische Krankheiten die Folge.

Wird die Schmerzgrenze überschritten, reagieren wir mit Aggression oder Rückzug. Schmerz ist also der Aggressionsauslöser. Im Gehirn werden übrigens körperlicher Schmerz und seelischer Schmerz im gleichen Gehirnareal verarbeitet.

Welche Handlungen können die Schmerzgrenze von Individuen überschreiten? dazu gehören ganz klar Angriffe gegen die körperliche Unversehrtheit, das wissen wir alle. Weniger bekannt sind folgende Tatbestände: Frustration, Verweigerung des persönlichen Respekts, unfaire Einengung des Selbstbestimmungsrechtes, Verletzung von Ehre und Reputation (Ruf). Noch weniger im Fokus der alltäglichen Aufmerksamkeit ist, dass das Fehlen von zwischenmenschlichen Beziehungen und sozialen Vernetzungen Aggressionen fördern. Denn dies wird von betroffenen Menschen mit einer sozialen Ausgrenzung gleichgesetzt. Entwicklungsgeschichtlich bedeutete früher die Ausgrenzung von der Sippe mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tod.

Was läuft in unserem Gehirn ab, wenn wir aggressiv werden? Sinneswahrnehmungen aus der Umwelt werden durch Teile des limbischen Systems im Gehirn bewertet. Die emotionale Sofortbewertung läuft unbewusst mit einer hohen Geschwindigkeit anhand des Abgleichs von vergangenen Erfahrungen ab. Je nach Intensität der Bedrohung werden noch andere Zentren des Gehirns aktiviert, nämlich der Hypothalamus (Stresszentrum) und der Hirnstamm (Erregungszentrum.

Funktioniert unser Gehirn einwandfrei, kommt noch unser Denkhirn ins Spiel. Die eingegangenen Sinnesinformationen werden von dem Angst-, Ekel-, dem Stresszentrum (Hypothalamus) und dem vegetativen Erregungszentrum (Hirnstamm) an das Stirnhirn (präfrontaler Cortex) zur sozialen Abstimmung übergeben. Hier wird abgewogen, welche positiven und negativen Folgen unsere Aggressionshandlungen haben können. Eine angemessene Aggressionshandlung wird erzeugt.

Funktioniert unser Gehirn weniger gut, wird die Schleife zum Denkhirn übersprungen und ohne Überlegen der Folgen sofort die Kampf-Flucht-Reaktion eingeläutet.
Sind die Gehirnregionen oder die Informationsübertragungswege im Gehirn durch stressende Vorerfahrungen angespannt, kommt es sehr schnell dazu, dass die Schleife über das Denkhirn übersprungen wird. Sozialunverträgliche Aggressionshandlungen sind die Folge.

Der Aggressionsapparat ist mit dem Motivationssystem eng gekoppelt. Bindung, Akzeptanz und Zugehörigkeit sorgen dafür, dass das Motivationssystem anspringt und durch Ausschütten der Wohlfühlbotenstoffe eine positive Stimmung erzeugt. Sind Bindung, Akzeptanz und Zugehörigkeit bedroht, wird das Alarmsystem, das mit Angst und Aggression reagiert, in Gang gesetzt. Das sympathische Nervensystem wird aktiviert, die Kampf-Flucht-Reaktion tritt ein: Erhöhung des Herzschlags, Verengung der Blutgefäße, Ausschüttung von Stresshormonen. Wir fühlen die Reaktion des sympathischen Nervensystems als Stress. Im Körper werden über 1400 bekannte chemische und physikalische Reaktionen in Gang gesetzt und über 30 verschiedene Hormone und Neurotransmitter benötigt.

Früher wurden durch einen körperlich durchgeführten Kampf oder eine Flucht die Reaktionen des sympathischen Nervensystems abgebaut. Heute bleiben diese jedoch, wenn die Emotionen nicht zum Fließen kommen und losgelassen werden, im Körper zurück. Unglücklicherweise gewöhnt sich der Körper an den Zustand und vermittelt deshalb oft, dass er trotz Anspannung völlig entspannt sei. Langfristig führt die Erhöhung des Herzschlags zu Herzinfarkt, die Verengung der Blutgefäße zu Bluthochtruck und die Stresshormone zerstören das Gehirn, besonders den Hippocampus, der Teil des Gehirns, der für das Lernen und die Erinnerungen zuständig ist.

Präventionsstrategien zur Herstellung von Resilienz (Resilienz ist die innere Stärke eines Menschen, die ihn Krisen unbeschadet überstehen lässt:

Zum Glück sind wir diesen Mechanismen nicht hilflos ausgeliefert. Wie können wir es schaffen, dass wir möglichst in der Lage sind, die Schleife zum Denkhirn zu aktivieren? Hier setzt die Begleitung und die Erfahrungen der Kindheit an.

Eltern sollten für ein großes Urvertrauen ihrer Kinder sorgen, indem sie ihre Kinder in den ersten Lebensjahren die Erfahrung machen lassen, dass deren Bedürfnisse grundsätzlich befriedigt werden.
Emotionen dürfen sein, Emotionen müssen benannt, gefühlt und losgelassen werden. Außerdem können Eltern Kinder dabei unterstützen, ihre Emotionen, auch Aggression, erfolgreich und konstruktiv verbal zu kommunizieren. Die Energie der Emotion oder Aggression kann genutzt werden, kreative Lösungsmöglichkeiten zur allseitigen Zufriedenheit zu finden.

Später müssen Kinder lernen, dass Bedürfnisse nicht immer sofort befriedigt werden. Sie müssen lernen, kurzfristige Bedürfnisse zugunsten eines längerfristigen Ziels zurückzustellen.

Kinder müssen akzeptiert und geachtet werden, damit sie ein gutes Selbstwertgefühl entwickeln. Sie müssen lernen, dass jedes Lebewesen einen hohen Wert hat und geachtet werden muss. Andersartigkeit bedeutet Vielfalt, Anregung und Lernmöglichkeiten. Natürliche Neugierde erkennt in der Andersartigkeit etwas Schönes und Interessantes.

Strategien zum Stressabbau und Wiederherstellung von Resilienz:

Die altbekannten Entspannungsmöglichkeiten sind in akuten Stresssituationen sehr hilfreich. Tiefe Meditation erzeugt Gehirnwellen, die die Selbstheilungskräfte des Körpers anregen.
Durch kinesiologische Methoden können wir gestresste Gehirnareale entstressen. Chronische Reaktionen des sympathischen Nervensystems werden zurückgefahren, der chronisch erhöhte Stresslevel wird wieder auf die ursprüngliche Ausgangshöhe zurückgeführt. Das „Schmerzgedächtnis“ des Erfahrungsgehirns wird gelöscht.

Der Stresslevel kann so nachhaltig gesenkt werden. Der Parasympatikus (Ruhenerv) des vegetativen Nervensystems übernimmt die Regie. Nachhaltige Entspannung eintritt ein. Der Herzschlag verlangsamt sich wieder, die Blutgefäße erweitern sich, es werden keine Stresshormone mehr ausgeschüttet.
Neue Stresssituationen begegnen einem wesentlich niedrigen Ausgangs-Stress-Niveau. Der neue Stress belastet deshalb weniger.

 

Foto: Rolf van Melis / pixelio.de

 

 

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