von Uwe Rapp

Fällt das Überzeugtsein durch angelerntes Wissen weg durch die Einsicht, nichts wirklich wissen zu können, bin ich frei das zu sein, was ich bereits bin, ein bewusstes, geistreiches Wesen. In der Wahrheit verankert, bin ich frei und klar, das zu lieben, was ist. Im unmittelbaren Gewahrsein ist niemand da, der sich einen bewertenden Gedanken aneignen könnte. Die Überzeugung fällt weg, sie wird nicht mehr gebraucht.

Angeeignetes Wissen      

Von klein an habe ich gelernt, mich an dem zu orientieren, was andere mir in Wort und Tat vorlebten. Das Erste, was in meinem Leben sicher erschien, war das Zusammenleben in einer Familie, mit einer Mutter und einem Vater als Paar und mir als Kind mit Geschwistern. Sie waren für mich da und versorgten uns. Das hat sich mir immer wieder bestätigt, denn in meinem Umfeld lebte jeder in einer Familie. In der Überzeugung, dass mein Leben erst im Zusammenleben mit einer Partnerin sicher und gehalten und dadurch wertvoll ist, suchte ich nach einer Beziehung mit einer Frau. Wie ein Automatismus erzeugte diese kindliche Einprägung oder Überzeugung in mir die Sehnsucht nach einer Partnerschaft. Der Wunsch nach einer Familie war jedoch nicht so aktiv in mir vorhanden, da ich im Hinblick auf meinen Vater abzulesen glaubte, dass er die Familie, also Kinder, lediglich in Kauf nahm, um mit einer Partnerin zusammen und damit nicht allein, sondern gehalten zu sein. Rückblickend sehe ich, dass das unbewusst der Grund dafür war, dass ich eine Beziehung mit einer Frau einging, die bereits zwei Kinder hatte. Anscheinend suchte ich also auf diesem Weg doch das Ganze, die Familie, in der wirklichkeitsfremden Annahme, dass ich ja nur Partner, aber kein Vater bin. Als sich dann doch sehr bald ein eigenes Kind ankündigte, war ich zunächst geschockt. Ich war doch nur auf die Wertschätzung als Partner aus, nicht auf die Wertschätzung als Vater.

Im Zwang der Umsetzung meiner Überzeugung           

Wie sehr ich glaubte, Halt und Zuwendung von einer Partnerin zu brauchen, und wie sehr mich das drängte, zeigte sich mir rückblickend sehr deutlich, als ich von der Frau mit nun drei Kindern verlassen wurde. Obwohl ich mir vornahm, ein Jahr allein zu bleiben, ohne erneut eine Bindung einzugehen, gelang es mir nicht mal einige Wochen. Der Schmerz des Glaubens, ohne Partnerin nicht wertvoll zu sein, nagte wieder in mir und erneut ging ich wieder auf die Suche und traf dabei auf meine Jugendfreundin, die sich unbedingt und schnell Kinder wünschte. Ich ließ mich darauf ein, fast zwanghaft, weil ich mir der kindlichen Überzeugung und dem Bedürfnis nach Halt, Anerkennung, Wertschätzung noch nicht bewusst geworden war. Als die Kinder dann da waren, empfand ich sie oft als anstrengend, wie eine Last, auch weil sich meine und die Aufmerksamkeit meiner Partnerin von nun an auf ihre Bedürfnisse fokussierte. Meine Stellung als wertgeschätzter Partner wurde zweitrangig, ich bekam nicht mehr das, was ich wollte. Selbst noch wie ein Kind denkend und fordernd, war es eine Last für mich, als Vater gefordert zu sein. Ich zog mich unbewusst immer mehr in mich zurück, bis ich mich schließlich von der Partnerin trennte. Der schmerzliche Kreislauf begann erneut in der wieder aufgenommenen Partnerin-Suche und Partnerschaft. Ließ die Wertschätzung durch eine Partnerin nach, trennte ich mich von ihr, um erneut diejenige zu suchen, die mir mein Bedürfnis erfüllt.

Den Schmerz als Wecksignal anerkennen      

Diese unbewusste Überzeugung, ein harmonisches Zusammenleben und Wertschätzung zu brauchen, hatte ich bisher nie in Frage gestellt. Nun sehe ich, dass der Schmerz, der jedes Mal während der Trennung und der erneuten Partnerin-Suche erfolgt, mich aufmerksam macht, dass dies Über-zeugungen sind, die ich über-nommen habe und die bisher nicht überprüft worden sind. Ich trenne hier die Wörter mit einem Bindestrich, damit bewusster werden kann, was sie eigentlich ausdrücken. Im Wort „über“ sehe ich das, was ich nicht aus mir heraus wirklich wissen kann. Es ist angeeignetes, fremdes Wissen, was ich einfach glaubend über-nommen habe. Ich könnte nicht bezeugen, dass es wahr ist. Als eine persönliche Meinung habe ich es mir ungeprüft zu eigen gemacht und mich damit übernommen. Es kommt nicht aus dem inneren Wissen, als Gewissheit.

Meinung oder Gewissheit?

Eine Meinung zu vertreten ist schmerzhaft, wenn ich nicht zulassen kann, dass sie in Frage gestellt wird. Als angeeignetes Wissen könnte ich es nicht bezeugen. Ich habe nicht die Gewissheit, ob es wirklich wahr ist, dass ich die Wertschätzung und Sicherheit (von einer Partnerin) brauche.

Wenn ich mit einer Meinung darauf aus bin, gesehen und gehört zu werden, verbirgt sich dahinter mein Wunsch nach Anerkennung und Wertschätzung. Das bemerke ich spätestens dann, wenn ich damit keine Befürwortung finde oder sogar abgelehnt werde. Entweder fange ich dann an, dafür zu kämpfen oder lenke harmoniesüchtig und kompromissbereit ein, darauf ausgerichtet, der Ablehnung zu entgehen. Oder ich ziehe mich schweigend im Groll zurück, wütend auf die Zurückweisung. Ich habe erlebt, wie die Ablehnung meines Sohnes einer mir wichtigen Sache, mich sogar wie innerlich erstarren ließ und ich am liebsten augenblicklich aus der für mich unangenehmen Situation entschwunden wäre. Doch es war gut, von ihm abgewiesen zu werden. Nur so konnte ich bemerken, dass es mir nur darum ging, von ihm anerkannt zu werden, und so erkenne ich inzwischen meine                             

Rückzugsreaktion als einen Hinweis für meine gelernte Über-zeugung „Ich brauche Wertschätzung“. Da ich seine „Kritik“ als persönliche Ablehnung, fehlende Wertschätzung interpretierte, war sie vernichtend für mich.

Andere überzeugen   

Der Wunsch, mit meiner Meinung (Über-zeugung) andere zu überzeugen, um Übereinstimmung (mit meinem Sohn oder anderen) hervorzurufen und um Verbündete in dem Gefühl der Verbundenheit zu bekommen und mich dadurch wertvoll und sozial integriert zu fühlen, ist nicht nur fragwürdig, sondern ich erlebte und erlebe ihn als unerfüllbar. Ich bin da wie ein Bettler, der von anderen etwas zu bekommen sucht, für das ich selbst zuständig bin, es in mir wachzurufen – Wertbewusstsein.

Inneres Wissen – Wertbewusstsein 

In der Not zu sein, meinen Wert aus der Identifikation als kompromissbereiter Partner, anerkannter Vater, übereinstimmender Freund, guter Sohn, hilfsbereiter Mensch abzuleiten, und damit einem übernommenen Bild, einer Überzeugung zu genügen, hat sich für mich als ein schmerzlicher Wecker, als ein Stoppsignal herausgestellt, das mich erinnert, gerade nicht in Kontakt zur Wahrheit in mir selbst zu sein. Das ist, wenn ich bemüht bin, wie fremdgesteuert innerhalb einer Rolle etwas Bestimmtes darzustellen oder zu erreichen. Das ist, wenn in mir der unbewusste Wunsch am wirken ist, als Ich wertvoll zu sein. Das wird mir immer dann klar, wenn ich in der Interaktion mit anderen Menschen Recht haben will und der Gedanke „Es muss so gehen, wie ich es will“ aktiv ist. Weil ich fälschlicherweise glaube, nur dann Jemand und damit wertvoll zu sein. Doch ist das wahr?

Bin ich im Einklang?    

Dass das nicht stimmig ist, bemerke ich sofort an dem Gefühl des Getrenntseins durch die Abgrenzung vom und die Abwertung des Anderen und die dabei vorkommende Härte in mir. Es ist Selbstverletzung, da ich etwas in mir verachte, was schon da ist. Nicht in Kontakt zu sein mit dem liebenden Wertbewusstsein und es dann durch Rechthabenwollen auszugleichen, fühlt sich sehr schmerzhaft in mir an. Dieser Schmerz, den ich körperlich als Druck, Unruhe, Schwere, Enge, Zusammenziehen wahrnehme, ist der heilige Wecker, dass ich einer Lüge aufsitze. In der Betrachtung aus der umgekehrten Perspektive, ist meine Überzeugung „Ich brauche es Recht zu haben, es muss so gehen, wie ich es will“ neu aufgestellt, aber nicht mehr als ein festgefahrener Gedanke, sondern als eine freilassende, offene und weite Sicht, in der ich zulassend bin, wirklich hören und sehen kann.                 Ich brauche es  n i c h t  so…, es muss  n i c h t  so gehen, wie ich es will. Könnte das auch wahr sein? Ja, für die Hingabe an das, was ist. Wie wunderbar! Plötzlich ist Leben da und ich lasse mich davon berühren, bin berührt, ja bin das Leben selbst. Die Abtrennung und das mich Abspalten von dem, was ich nicht will, weil ich es als etwas Fremdes bewerte und damit als nicht so wertvoll, wie das, was ich selbst bestimmt habe, entpuppt sich als eine Illusion. Der zum Scheitern verurteilte Versuch, mein fehlendes Wertbewusstsein/Selbstbewusstsein durch den Ich- oder Eigenwillen bestätigt zu bekommen, hat sich erledigt.

In Kontakt sein    

Jetzt BIN ICH in Kontakt mit dem Wert des einfachen Seins, im Wertbewusstsein. Als Geschenk des Lebens an sich selbst, ist das, was ist, wertvoll, richtig und gut. Woher weiß ich das? Weil ES so erscheint, als einziger und stimmiger Ausdruck der momentanen Wirklichkeit. So bekomme ich im wahren Erkennen auch nichts, was ich zur persönlichen Meinung hinzufügen kann. Es ist nichts Angeeignetes, sondern bestätigt sich in mir, durch mich und aus mir heraus. Und es kann und muss nicht bewiesen werden.

Die Welt ist mein Spiegel      

Ich habe erkannt, dass meine Konditionierung, alles in der Welt bewerten zu müssen, auf dem Unwissen und der fehlenden Wahrnehmung gründet, dass ich selbst es bin, der die Welt wie durch einen Projektor als Bild auf einer Leinwand erscheinen lässt. Nur so bin ich erstmalig in der Lage, das von mir Projizierte im und als Spiegel zu sehen und mich selbst darin zu finden. Ich kann es zurückholen. Nichts bleibt mehr draußen, was ich nicht selbst bin. Wie könnte ich getrennt sein von dem von mir erschaffenen Bild der Welt. Und wie könnte ich dann noch auf die verrückte Idee kommen, etwas am Bild ändern zu wollen? Aus dieser neuen Sicht ist jede Bewertung der von mir erschaffenen Wirklichkeit eine befreiende Wahrnehmung immer dann, wenn ich sie als Erscheinung in meinem Inneren nicht draußen halte und intelligent zu mir umkehre, um mich darin zu finden. Das vermeintlich von mir Abgetrennte löst sich auf und ist in Eins gekehrt. Es geschieht ein zuinnerstes Berührtsein in der verborgenen Kammer meines Herzens, wo ich im liebenden Selbstkontakt bin. Heilung geschieht und ich bin im Zustand wahren Mitgefühls mit mir selbst und anderen.

Keine Wurst in der Stulle

In der Anerkennung des universellen Spiegelgesetzes – wie außen so innen – wie oben so unten, ist ES begnadet, das zu sein, was es schon ist. Die vom Verstand vorgenommene Trennung in „Ich-Subjekt hier“ und „Du-Objekt da“ erübrigt sich und löst sich auf. Das ist wie bei der Wurst in der Brotstulle, wenn die Wurst für den bewertenden Verstand steht. Sie trennt die Brotscheiben voneinander. Keine Wurst in der Stulle – nichts dazwischen – nur Brot – Eins.

Innere Klarheit – Liebeszeugung                                         

Liebeszeugung oder Zeuge sein passiert, wenn Unmittelbarkeit hergestellt ist. Wenn es niemanden mehr gibt, der das Wahrgenommene bewertet. Wenn „Ich“ nicht mehr als Beurteilender vorkomme, und mit „mir“ jedes Ur-Teil verschwindet, das bewertet werden könnte. Ich sterbe hinein in etwas Umfassenderes und Unfassbares, wo ich als ES eins mit dem Leben selbst bin. Der Urgrund der Liebe tut sich auf, ein unverursachter Frieden erhebt sich und breitet sich als neuer Platzhalter aus. ICH BIN bewegt, bin ewiges, immerwährendes Leben.

3 Responses

  1. Christian
    Ein Ich versucht in die Ich-Losigkeit zu kommen

    „Soll das etwa das Leben /Liebe/Wahrheit sein ?“

    Hier stellt ein Ich Ansprüche an das Leben wie dieses gefälligst zu sein hat.

    „Was ich bereits bin, ein bewusstes, geistreiches Wesen. In der Wahrheit verankert, bin ich frei und klar, das zu lieben, was ist.“

    Hier ist ein Ich, ein Jemand, der meint, die Wahrheit zu kennen. DAS kennt jedoch keine Wahrheit. DAS ist einfach was es ist.

    Hier ist ein Ich, dass glaubt, frei zu sein, zu lieben was ist. Jedoch erst, wenn das Ich weggefallen ist. Viel Erfolg dabei!

    „Ich habe erkannt, dass meine Konditionierung …“

    Hier hat ein Ich etwas bemerkt. Dafür braucht es keine mühevolle Umkehrarbeit. Denn nur ein Ich kann etwas bemerken. DAS bemerkt gar nichts. DAS ist in Erscheinung von allem.

    „Jetzt BIN ICH in Kontakt mit dem Wert des einfachen Seins, im Wertbewusstsein.“

    Oh Mann. Katholische Kirche lässt grüßen. Wenn DAS nur als einfaches = materiellen Dingen abgewandtes – Sein erscheinen wollen würde, dann würde DAS dies tun.

    „Nur so bin ich erstmalig in der Lage, das …“

    Hui. Da ist das Ich wieder. Und es bildet sich ein, etwas ganz Tolles zu sein, ein ganz tolles spirituelles Ich, weil es allem Weltlichen abschwört.

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  2. Nanea Tschäni
    Glaube nicht was Du denkst!

    Überzeugungen kommen aus dem trennenden Verstand.
    Er versucht Halt/Sicherheit/Kontrolle zu erreichen.
    Das ist richtig – das ist falsch und ich brauche dies und jenes um glücklich zu sein.
    Ich habe eine Meinung und bilde mir ein Recht zu haben und bin dafür bereit zu kämpfen, darauf zu pochen.
    Bzgl. dem Brauchen um glücklich zu sein hilft mir der Umkehrsatz

    „Ich brauche was ich habe und ich habe was ich brauche“

    In diesem Gewahrsein wird es ruhig, entschleunigt, Vertrauen in das was ist breitet sich in mir aus – es gibt nichts zu tun um zu ……..

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  3. Huhn, Ingrid
    Denn sie wissen nicht was sie tun...

    ….gut beschrieben das menschliche Dilemma!
    Der Mensch als Angstwesen, durch seine Über-zeugungen getrieben und geprägt ,erzeugt unbewusst weitere Angstwesen.
    Durch die Über-zeugung ein sexuelles Wesen zu sein ( wo ist der Beweis?)
    tun sie es, weil es alle tun : Affentrieb, Affenliebe, Affengeil und nennen es Liebe (Liebe machen, miteinander schlafen….das kann dann mal wörtlich genommen werden ! ). Soll das etwa das Leben /Liebe/Wahrheit sein ?

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