Wir alle tragen Verletzungen aus der Kindheit in uns. Mit Flowering Tree haben bereits die nordamerikanischen Indianer das verletzte innere Kind geheilt. Die Methode beruht auf der alten Legende des blühenden Baumes, nach welcher der Mensch alle Fähigkeiten zur Heilung in sich trägt. Dies bildet die Grundlage für eine der sanftesten und effektivsten therapeutischen Verfahren zur Auflösung von Kindheitstraumata.

Von Anja Kerstin

Den Begriff Trauma verbinden nur die wenigsten mit ihrer eigenen Kindheit. Jedoch ausnahmslos jeder von uns trägt Verletzungen aus der Kindheit, sogenannte Kindheitstraumata, in sich. Viele bemerken es nicht, weil sie das dadurch hervorgerufene Symptom bereits als Charaktereigenschaft akzeptiert haben. Noch immer gelten nur schwerste Schicksalsschläge – Menschen, die zum Beispiel einen Angehörigen verloren haben oder selbst dem Tod nur knapp entkommen sind – als Trauma und erhalten Unterstützung. Aber auch andere Menschen, bei denen es für die Außenwelt nicht so eindeutig erscheint, benötigen Hilfe. Wenn sie aber statt Hilfestellung Sätze wie „Stell dich nicht so an!“ oder „Sei doch nicht so undankbar!“ zu hören bekommen, kann sie dies zusätzlich verunsichern.

Erwachsene sind in der Lage, selbstverantwortlich mit emotionalem Schmerz und anderen Krisensituationen umzugehen, wenn in der Kindheit Gefühle wie Selbstwert, Selbstachtung, Vertrauen und Sicherheit durch die Eltern gefördert wurden. Aber was, wenn nicht? Für Menschen, die von ihren Eltern nicht optimal unterstützt wurden und die in ihrem Innersten teilweise noch Kinder sind, sieht die Welt anders aus. Sie ist zerbrechlich! Das Leben eines Kindes liegt in den Händen der Eltern. Und wenn genau diese Beziehung gestört ist, weil ein Elternteil zu beschäftigt, unausgeglichen oder emotional kühl ist, wird für das Kind nicht ausreichend gesorgt.

Wenn vom Kind eine Erfahrung als emotionale Überbelastung wahrgenommen wird und nicht verarbeitet werden kann, also als traumatisch erlebt wird, springt automatisch ein Schutzmechanismus an. Dieser wird Dissoziation genannt und soll vor weiteren Verletzungen schützen. Dissoziation bedeutet, dass sich ein Teil der persönlichen Identität als Folge des erlebten Traumas abspaltet. In diesem dissoziierten Anteil befinden sich auch Informationen zu der Situation, nämlich wann es geschah, wo es geschah und was die Situation aufgelöst hätte. All dies wird an einen sicheren Ort tief im Unterbewusstsein gebracht und vergessen.

Von diesem Anteil weiß der Betroffene später nichts mehr, und er tut unbewusst alles, damit es auch so bleibt. Verleugnung, Verdrängung, Sucht und Ablenkung helfen dabei. Doch der dissoziierte Anteil macht sich selbständig und führt eine Art Eigenleben. Er ist ein Ich-Anteil und möchte unbedingt geheilt und integriert werden. Um sich bemerkbar zu machen, kreiert er Einsamkeit, Ängste, Unsicherheiten bis hin zu psychosomatischen und chronischen Erkrankungen. Um den Anteil wieder integrieren zu können, müssen die Gefühle, die das Trauma nach sich zieht, noch zu Ende gefühlt werden. Bei Flowering Tree muss der Klient dazu nicht wieder in das Trauma eindringen, um es zu heilen. Er wird vor dem Trauma abgefangen und daran vorbeigeführt. Dies geschieht, indem er nachträglich das erhält, was er als Kind in der traumatisierenden Situation gebraucht hätte. So können sich die Situation und die mit ihr einhergehenden blockierenden Gefühle nachhaltig auflösen.

Emotionale Überforderung

Bei immer wiederkehrender, lang andauernder emotionaler Überforderung leidet die Gefühlswelt des Kindes entsprechend stark. Diese kann zum Beispiel ausgelöst werden durch übermäßige, erdrückende Elternliebe, die dem Kind keinen Freiraum mehr lässt, oder durch emotionale Unterversorgung. Wenn die Kinder sich des Schutzes und der gesunden Liebe ihrer Eltern nicht sicher sein können, werden sie in ihrem Urvertrauen erschüttert. Ihre Wünsche und Belange kommen oftmals zu kurz und sie fühlen sich der lieblosen Autorität des Erwachsenen hilflos ausgeliefert.

Bei dem Versuch, sich anzuvertrauen, bekommen sie häufig Sätze zur Antwort wie: „Sei nicht so undankbar!“, „Ohne dich hätten wir diese Probleme nicht!“, „Dir geht es doch gut!“. Gerade für Kinder aus besser gestellten Familien ist es schwierig, Verständnis für ihre Situation zu bekommen, da es ihnen äußerlich ja an nichts fehlt. Materieller Wohlstand wird allzu schnell mit einer wohl behüteten und schönen Kindheit gleichgesetzt. Ein Dach über dem Kopf, schicke Kleidung und ausreichend Nahrung sind aber kein hinreichendes Indiz für eine gute Kindheit. Wird dem Kind nicht die nötige Liebe, Aufmerksamkeit und Anerkennung entgegengebracht, verschließt es sich auf emotionaler Ebene, um überleben zu können.

In der Praxis kann sich das zum Beispiel so abspielen:

• Babys schreien nachts, bis sie sicher sind, dass jemand auf dieses Signal reagiert und „zu Hilfe“ kommt. Sind sie sich dessen sicher, hören sie auf und schlafen durch. Jedes Baby hat seinen eigenen Zeitpunkt, bis es zu dieser Überzeugung gelangt. Wenn nun aber trotz Schreien keiner kommt, ist dies für das Baby traumatisch und sein Urvertrauen wird gestört.

• Das Kind wacht nachts auf, da es einen Alptraum hatte. Es schreit nach den Eltern, doch diese können es nicht hören, da sie ein Fest im Garten feiern. Während für die Eltern alles in bester Ordnung scheint, fühlt sich ihr Kind hilflos und verlassen.

• Das Kind bringt einen Schulkameraden mit nach Hause. Die Mutter bietet beiden Limonade an, stellt aber fest, dass sie nur noch eine Dose hat. Sie beschließt, die Limonade dem Gast zu geben. Das eigene Kind fühlt sich zurückgesetzt. Es versteht die Handlung der Mutter nicht.

• Die Eltern streiten oft. Das Kind fühlt sich schuldig, denn Kinder fühlen sich automatisch für alles verantwortlich, was in der Familie vor sich geht.

• Das Kind schaut heimlich mit Freunden einen nicht dem Alter entsprechenden Film. Die Gefühle, die beim Schauen entstehen, sind real und können zu einer emotionalen Überforderung bei dem noch zu kleinen Kind führen. Erst später wird die Fähigkeit, zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden, voll ausgebildet. Vorher kann ein Kind sich nicht von den aufregenden Geschehnissen im Film distanzieren.

• Das Kind wird in der Schule von Mitschülern des Öfteren ausgeschlossen und gehänselt. Dadurch entwickelt es Hemmungen und ist in seiner Entwicklung gestört.

Dies sind Beispiele, um Verständnis für den Begriff Kindheitstrauma zu schaffen. Was für Erwachsene banal ist, kann im Leben eines Kindes traumatisch sein und je nach empfundener Schwere oder Sensibilität im späteren Leben zu Blockaden und Ängsten führen. Es sollte also nicht von außen beurteilt werden, was als traumatisch empfunden werden darf, denn das ist immer individuell und muss zudem nicht das ganz große und schwerwiegende Ereignis sein.

Wie wirken sich Kindheitstraumata auf das Leben aus?

Besonders in zwischenmenschlichen Beziehungen machen sich Kindheitstraumata bemerkbar. Manche Menschen finden erst gar keinen Partner, andere wiederum führen Beziehungen, in denen regelmäßig gestritten wird. Meist sind es Eifersucht und Machtkämpfe um Kleinigkeiten, welche die Beziehung belasten. Es ist aber das verletzte innere Kind, was sich da bemerkbar macht. Es ist der Mangel aus der Kindheit, der uns an der Liebe des Partners zweifeln lässt. Der Hunger nach Bestätigung, die Sehnsucht nach Geborgenheit und die Angst vor Verlust und Zurückweisung sabotieren Beziehungen. Der Aufbau von emotionaler, aber auch körperlicher Nähe wird gestört.

Auch im Job machen sich Kindheitstraumata bemerkbar. Sie zeigen sich in Neid, Minderwertigkeit, Macht- und Kontrollstreben. Berufliche Erfolglosigkeit kann die Folge sein. Auch für die Verausgabung bis zur totalen Erschöpfung (Burn-Out) ist das verletzte innere Kind, der dissoziierte Ich- Anteil, verantwortlich zu machen. Es ist der Mangel an Anerkennung und Aufmerksamkeit in der Kindheit, der Perfektionismus aufruft und uns ständig über unsere Grenzen gehen lässt, um Anerkennung zu erhalten.

Sind Selbstliebe und Vertrauen erschüttert, fehlt oftmals die Gelassenheit und Geduld mit sich, mit anderen und auch mit der eigenen Familie. Betroffene Personen ruhen nicht in ihrer Mitte, es mangelt häufig an Mitgefühl, Selbstwert und Akzeptanz. Nicht wenige versuchen, sich im späteren Leben selbst zu „behandeln“, indem sie Einsamkeit oder Panikattacken mit Alkohol oder anderen Drogen betäuben. Viele bemerken gar nicht, dass sie traumatisiert sind, da sie sich in einem Zustand der Verdrängung befinden und sich nicht der erforderlichen aktiven Selbstreflexion widmen. Kindheitstraumata rauben Energie, weshalb man sich häufig matt und abgeschlagen fühlt. Zudem schwächen sie auf Dauer das Immunsystem. Rückenschmerzen, ständige Erkältungen, Magen- oder Hautprobleme können Hilferufe des verletzten inneren Kindes sein. Es möchte unbedingt geheilt werden und findet immer Mittel und Wege, sich Gehör zu verschaffen!

Die Flowering-Tree-Methode

Flowering Tree ist eine effektive Methode zur Auflösung von Kindheitstraumata. Sie arbeitet direkt mit dem Gefühl und nicht mit dem Verstand. Sie ermöglicht Gefühle wie Angst, Einsamkeit, Schuld und Scham dort aufzulösen, wo sie ursprünglich entstanden sind. Sanft, wirksam und nachhaltig heilt sie das verletzte innere Kind, so dass es am Ende der Sitzung als wichtige Ressource integriert werden kann. Es geht bei dieser Arbeit mit dem verletzten inneren Kind darum, bei sich selbst anzukommen, das Leben selbstbestimmt und selbstverantwortlich in die eigenen Hände zu nehmen und nach eigenen Wünschen zu gestalten. Mit Verletzungen aus der Kindheit hat man einen verminderten Handlungsspielraum und kann sich oftmals nur schwer selbst helfen bzw. ist nicht in der Lage, die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten in vollem Umfang zu erkennen, weil die eigene Wahrnehmung nun mal das Wirklichkeitsbild und die Lebenswelt prägt. Diese reduzierte Lebenswelt erscheint zwar oftmals ausreichend, aber sollten wir uns mit „ausreichend“ zufrieden geben?

Das verletzte innere Kind heilen

Bei Flowering Tree handelt es sich um eine besondere Gesprächstechnik, die den Klienten in einen Zustand von Selbstvertiefung, eine Art natürliche Trance, versetzt. Trance ist ein sehr angenehmer Entspannungszustand, der dann einsetzt, wenn der Verstand in besonders hohem Maße gelangweilt ist. Währenddessen ist man bei vollem Bewusstsein und hat die volle Kontrolle über Körper und Geist.

Dieser Zustand ermöglicht die Arbeit mit dem Unterbewusstsein und dem verletzten inneren Kind. Um das innere Kind zu erreichen und verständlich mit ihm zu kommunizieren, wird die Sprache der Bilder genutzt. Aus dem störenden Gefühl im Hier und Jetzt, das aufgelöst werden soll, wird am Anfang der Sitzung eine Metapher gebildet. Das Gefühl der Angst könnte sich beispielsweise in der Brust befinden, rund und flach, kalt, hart wie ein Stein, welcher von innen nach außen drückt. Unsicherheit könnte sich als Kropf im Hals bemerkbar machen. Wie eine Kugel, weich, klebrig und heiß. Jeder Mensch hat seine individuelle Metapher zum eigenen Gefühl und seinen persönlichen Weg zur Lösung des Gefühls. Keine Sitzung ist wie die andere. Mit jeder Frage und mit jeder Antwort zum Gefühl versinkt der Klient mehr und mehr in sein Innerstes.

Das Gefühl für Zeit und Raum schwindet, und er taucht ab in die Umgebung und die Zeit, in der das traumatische Ereignis geschah. Dort weiß das verletzte innere Kind, das jüngere Selbst, ganz genau, was es zur Lösung der belastenden Situation braucht. Es nimmt den Erwachsenen mit auf die Reise zur Heilung. Dabei sind der Phantasie des Kindes keine Grenzen gesetzt. Vielleicht verwandelt es sich in einen Vogel und entfliegt der Situation. Vielleicht möchte es ein Eis oder auf den Spielplatz. Oder die Eltern sollen kommen, es auf den Arm nehmen und trösten. So wird es am Trauma vorbeigeleitet. Der Klient bekommt nachträglich all das, was er in der Situation gebraucht hätte. So kann sich diese lösen und mit ihr das Gefühl, um welches es in der Sitzung ging. Ist das Trauma überwunden, kann das geheilte innere Kind als wichtige Ressource integriert werden. So erhält der Klient neue Energie, mehr Bewusstsein und Liebe für sich selbst.

3 Responses

  1. Eva Blechschmidt
    Flowering Tree Erfahrung

    Ein sehr guter Beitragt zu einem noch unterschätzten Thema. Die Flowering-Tree-Therapie hat auch in meiner Praxis sehr gute Ergebnisse erzielt und das nicht nur bei Kindern. Gerade bei Erwachsenen konnte ich große Verbesserungen erkennnen, vor allem wenn gleichzeitig auch noch das innere Kind in Betracht gezogen wird.
    Vielenb Dank für den Artikel!

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  2. Peter

    Oh, vergessen…
    Ich bin es nochmal, Peter.
    Das Erste, an das ich mich erinnere, als Kind: Das Getto in dem mir bewusst wurde, das ich lebe.
    Alles gabs da: Alkoholiger, Drogensüchtige, Asis…alles nur nichts Gutes.
    Es war für mich die Hölle. Ich hatte bestimmt jeden Tag Angst. Wenn keier in der nähe war, von meiner Familie und ich bin wach gewurden, dann hab ich geschrien und geweint, wie mam Spies.
    Und nochmals
    Viele Grüße Peter

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  3. Peter

    Hallo mein Name ist Peter Gericke und ich habe fast immer Angst.
    Mit 56 Jahren, die ich bin, hab ich oft so Angst, wie ein 6 Jähriger, der eingeschult wird. Z.B: Einkaufen, zur Arbeit müssen, Ämter
    und und und.
    Das ist bestimmt auch mein Hauptgrund, das ich Alkoholiger bin.
    Mit Alkohol bin ich nicht so schüchtern. Auch die Ängste die ich
    habe, spühl ich runder, wenn ich besofen bin, meist bis zur
    Besinnungslosigkeit.
    Hab Ingieftungen-, Langzeittherapien in Depresionen- und
    Alkohol- hinder mir. Gruppen- und Einzelgespräche, verschiedene Tabletten. Bin auch nicht gerate der hellste. Bin Legasteniger und Hielfsschüler. Habe aber 4 Selbstmordversuche hinder mir
    und leider lebe ich immer noch. Selst dafür bin ich zu dumm!!!
    So und jetzt??? Keine Ahnung!!!
    Hab Dich (ich darf dich „DU“ sagen?) im Internet gesehen und
    gedacht, „Vieleicht…???“
    Gruß Peter
    PS: Als ich das hir schrieb, war ich mal wieder betrunken.

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