Echter Wohlstand definiert sich über inneren Reichtum. Anhand der fünf Dimensionen Zeit, Beziehung, Kreativität, Spiritualität und Ökologie skizziert Vivian Dittmar einen Weg in eine nachhaltige, sozial gerechte Zukunft.

Materiell gesehen geht es vielen Menschen heute sehr gut. Doch der äußere Wohlstand hat uns nicht glücklich und zufrieden gemacht. Im Gegenteil hat uns der Massenkonsum innerlich arm gemacht, in eine soziale Ungleichheit gestürzt und den Planeten an den Rand des Verkraftbaren gebracht. Echter Wohlstand basiert nach Meinung der Autorin auf innerem Wohlstand. Innere Armut ist der blinde Fleck, das fehlende Puzzlestück, wenn es um die Heilung von sozialer Schieflage und ökologischer Zerstörung geht. In ihrem neuen Buch Echter Wohlstand schlägt Vivian Dittmer eine neue Definition von Wohlstand vor, die sich in fünf Dimensionen manifestiert:

1. Zeitwohlstand bedeutet, mit dem Phänomen Zeit im Einklang zu leben. „Ich habe keine Zeit“ ist geradezu zu einem Synonym für die Schnelllebigkeit unseres System geworden. Nur wer keine Zeit hat und von Termin zu Termin hetzt, ist wichtig. Wer Zeit hat oder sich Zeit nimmt, ist entweder faul, langsam oder unwichtig. Wir vertreiben uns die Zeit, damit uns nicht langweilig wird. Dabei wäre es wichtig, ohne Hast und Überdruss mit dem Phänomen Zeit umzugehen. Jeder Moment hat seine eigene Zeitqualität, die wir erkennen können. Dann geht uns jede Tätigkeit, auch scheinbar unangenehme wie Putzen, leicht von der Hand gegen, dann kommen wir in die natürliche Ordnung der Dinge, wo alles fließt.

2. Beziehungswohlstand heißt eingebettet zu sein in ein Netzwerk von Beziehungen, die uns Halt geben, wo wir uns aufeinander verlassen können, wo wir füreinander da sein können. Wir scheuen Verbindlichkeiten und Abhängigkeiten, dabei sind wir soziale Wesen mit sozialen Bedürfnissen, die aufeinander angewiesen sind. Wo kannst du nackt sein, du selbst sein, auch in Gemeinschaft? Viele Menschen können das nur, wenn sie allein sind. Gute Gemeinschaften zeichnen sich dadurch aus, dass Verschiedenartigkeit respektiert und toleriert werden.

3. Kreativitätswohlstand: Wie drücke ich mich schöpferisch aus? Wie gehe ich meiner Arbeit nach? Kreativität drückt sich nicht nur in der künstlerischen Arbeit aus, sondern in jeder einfachen Tätigkeit, in der Hausarbeit, bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes. Wie können wir Arbeitsplätze so gestalten, dass sie Spaß machen? Immer geht es darum, in den eigenen Flow zu finden, entlang zu surfen zwischen dem schmalen Grad von Unter- und Überforderung.

4. Spiritueller Wohlstand: Das Leben ist heilig, alles ist mit miteinander verbunden. Das ist ein Geheimnis, das wir niemals ganz verstehen werden, aber das wir würdigen können und ausdrücken durch achtsamen Umgang. Spiritueller Wohlstand drückt sich auch aus in unserem Sinn für Schönheit, Weisheit und Liebe. Heiligkeit ist dabei etwas Alltägliches und Einfaches, das jede Handlung durchdringt.

5. Unter ökologischer Wohlstand versteht die Autorin schließlich die Verbindung mit anderen Spezies und Ökosystemen, zu denen wir tragfähige und nährende Beziehungen eingehen können. Es geht um das Bewusstsein von uns Selbst als Teil des Ganzen, als ein Individuum, dass gibt und empfängt. Es geht um das Bewusstsein von wechselseitiger Abhängigkeit und Verbundenheit. Nur so können Verbindungen wieder geheilt werden, die wir bisher missachtet und missbraucht haben. Wenn wir uns zum Beispiel die Massentierhaltung anschauen, dann ist das eine permanente Kriegserklärung an das Leben, ein Raubbau an der Natur und unseren natürlichen Ressourcen.

Die These von Vivian Dittmar: „Wenn sich alle Menschen auf das Kultivieren von echtem Wohlstand ausrichten würden, wäre dies das Ende von unserem Wirtschaftssystem in seiner jetzigen Form.“

Im dritten Kapitel stellt sich die Autorin dann tatsächlich die Frage, wie wir aus diesem Hamsterrad der Maximierung von Besitz, Geschwindigkeit und Profit aussteigen könnten. Vor allem aber macht sie Vorschläge, wie eine Wirtschaft für echten Wohlstand aussehen könnte und bringt viele Beispiele erfolgreicher Unternehmen, die die neuen Wohlstandsprinzipien schon anwenden und damit auch noch erfolgreich sind. Stichworte sind hier Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, Orientierung am Gemeinwohl und Kreislaufprozesse.

Alle fünf Dimensionen des echten Wohlstands sind miteinander verwoben, können im Gegensatz zum äußeren Wohlstand nicht besessen werden. Sie müssen wie ein Garten kultiviert werden, brauchen viele Jahre, bis die Pflege reife Früchte trägt. Gutes, reiches, erfülltes Leben mit Sinn geht nur in Verbindung mit den Spezies, die auf der Erde leben.

Echter Wohlstand

Vivian Dittmar: Echter Wohlstand – Warum sich die Investition in inneren Reichtum lohnt – ein Plädoyer für neue Werte, Kailash Verlag 2021, 272 Seiten, 20 €

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