Dieses Essay will versuchen, eine Antwort auf die vielen Fragen des Lebens und des Sinns mit Hilfe einer im Verborgenen wirkenden „göttlichen“ und transzendierenden Kraft zu finden. Damit soll ein möglicher sinnstiftender Ansatz aufgezeigt werden für die Erlösung der „Conditio Humana“, des Bewusstseins, einmal sterben zu müssen.
Es wird hier viel von „Gott“ und vom „Göttlichen“ die Rede sein, ohne damit die vielen personifizierten Götter der Weltreligionen zu meinen. Es wird vielmehr versucht, das „Göttliche“ Wirken und Streben aller uns bekannten Formen und Manifestationen nach einem unsterblichen und ewigen Zustand des Daseins darzustellen.

Erfahrung – Ich sehe, also bin ich

Schauen wir uns in unserem Leben und in dieser Welt um: wir sehen Farben und Formen, wir hören vielfältige Geräusche und Musik, wir spüren Kälte und Wärme, wir tasten Glattes und Raues, wir riechen Gestank und Düfte, wir schmecken Süßes und Saures. Unsere fünf Sinne, unsere Gefühle, unsere Gedanken und unsere Handlungen prägen unser Dasein von Geburt an bis zu unserem Tod. Und nicht nur wir sind davon erfüllt, sondern wir erfüllen und lassen uns von anderen Menschen in unserem Umfeld damit erfüllen und beeinflussen. Wir wissen, dass unser Gehirn die Hauptrolle in der Verarbeitung, Steuerung und Interpretation dieser vielfältigen Wahrnehmungsfunktionen menschlichen Daseins aufgrund seiner immensen Komplexität und Informationskapazität übernimmt, und dazu findet es auch noch Zeit eine Funktion namens „Bewusstsein“ hervorzurufen. Ein Wunder!

Und doch müssen wir in dem Versuch daran scheitern, diese vielen Funktionen des Gehirns, des Lebens, des Seins untersuchen und erklären zu wollen, geschweige denn darin einen „Sinn“ finden zu können. Denn wie könnte ein System sich von innen selbst untersuchen? Das System, das sich untersuchen und erklären will, besteht ja aus dem System selbst. Die vielen Naturwissenschaftler, die sich daran versuchen, erzählen uns von Wellen und Partikeln, sogar von einer Mischung aus beiden, den Wellenpartikeln, von Atomen und Strings, von Strahlung, Lebensfunktionen als biochemische Prozesse, von Massen und Gravitation, von Energie und schwarzen Löchern. Aber das sind alles menschliche Modelle, die zur Anschauung und möglichen Erklärung von Phänomenen dienen, sie begreifen die „Realität“ oder das Sein an sich nicht. Ihre Behauptung (bisher unbewiesen), das Universum sei urplötzlich in einem großen Knall aus der unerträglichen Spannung des absoluten Nichts hervorgebracht worden, entgeht der Vernunft.

Lange bevor es die Naturwissenschaften gab, kamen wir wunderbar durch unser bestes Werkzeug mit dem Leben zurecht: die menschliche Fähigkeit, bewusst zu erleben und Erfahrungen zu machen sowie diese auch speichern zu können. Ich „sehe“, weil ich eben diese Erfahrung mache und sie anderen Menschen mitteilen kann, die dieselbe Erfahrung machen. Und so geht es uns auch mit allen anderen unserer Sinne, Fähigkeiten, Gefühle und Handlungen.

Der nächste Schritt besteht darin, das Materielle und das Empfundene mit Begriffen zu benennen, um es im Austausch mit anderen Menschen klar ordnen und bewerten zu können. Ordnung bzw. Organisation ist das fundamentale Prinzip des Lebens und eines jeden Seins, denn es gilt dem Chaos (Entropie, zweites Gesetz der Thermodynamik) energisch und entschlossen entgegenzutreten: jedes System, sich selbst überlassen, strebt einen natürlichen Zustand größerer Unordnung an. Also sind die Materie und das Leben zwei hoch entwickelte und hoch organisierte Systeme, die selbstbestimmt sind. Energie besitzt auch ein Sein, ist jedoch unsichtbar und wirkt im Verborgenen – und doch besteht letztendlich alles aus Energie.

Entwicklung – Alles bewegt sich

Wie können wir uns die Entwicklung unseres Universums also vorstellen? Es gibt nun doch einige wissenschaftliche Beobachtungen, die zumindest mit der alltäglichen Erfahrung intuitiv nachvollziehbar sind und als allgemein anerkannt gelten könnten.

Schauen wir uns einmal den nächtlichen Sternenhimmel irgendwo auf dem Lande an: mit dem bloßen Auge sind ca. 5500 Fixsterne erkennbar, mit den größten Fernrohren mehrere Milliarden. Weltraumteleskope, die außerhalb unserer störenden Atmosphäre im Weltall um die Erde kreisen, haben noch weit mehr Beobachtungsmöglichkeiten in ferne Galaxien und Nebel hineinzusehen. Aber wir sehen nicht nur Sterne, sondern auch andere, hell erleuchtete Himmelskörper, wie Monde, Planeten, Kometen, unsere eigenen Satelliten, und auch die Raumstation ISS auf ihrer Umlaufbahn um unsere Erde. Der nächste größere Stern ist unsere geliebte Sonne, ohne die kein Leben auf der Erde möglich wäre, etwa acht Lichtminuten von uns entfernt. Die Entfernung zum nächsten Fixstern beträgt vier Lichtjahre, die zum nächsten Sternensystem Andromeda 2,5 Millionen Lichtjahre. Was sich also sichtbar in unserem Himmel darstellt, ist eigentlich längst Geschichte: wir sehen die Sonne, wie sie vor acht Minuten aussah, weil das Licht, das von ihr ausgeht, acht Minuten braucht, um unser Auge zu erreichen. Ein außerirdischer Beobachter mit einem auf die Erde gerichteten fantastischen Teleskop in 6623 Billionen km Entfernung würde die Vorgänge unseres Mittelalters verfolgen können.

Aber das ist noch nicht alles: das Lichtspektrum der nahen und entfernten Sterne erfährt von uns aus betrachtet (nach dem Dopplereffekt) eine sogenannte Rotverschiebung, ähnlich wie die Sirene eines sich rasch entfernenden Krankenwagens etwas tiefer klingt, als wenn er sich gar nicht bewegen würde. Das liegt daran, dass sich die Sterne, wie in einer Explosion, mit großer Geschwindigkeit überall im Weltraum (so weit wir es von uns aus beobachten können) ausbreiten und sich gleichzeitig voneinander entfernen. Dabei bewegen sich die weiter entfernten Sterne um so schneller, je größer ihre Entfernung zum gedachten Mittelpunkt des Universums ist. Von unserem Sonnensystem aus gesehen fliegen die Sterne vor uns schneller als wir durch das All und wir sind schneller als die Sterne nach uns. Die Sterne neben uns entfernen sich auch entsprechend von uns weg. Alles bewegt sich. Nichts in unserem Universum bewegt sich nicht. Das Universum dehnt sich wie ein Luftballon in alle Richtungen aus und nimmt uns alle mit auf dieser Reise ohne erkennbares Ende der Geschichte. Etwas sehr Großes und Gewaltiges scheint einmal vor langer Zeit im Zentrum des Universums explodiert zu sein. Das Universum untersteht dadurch einer ständigen Verwandlung und Entwicklung. Materie, Raum und Zeit wurden geboren, das Leben und schließlich unser Bewusstsein entwickelten sich auf unserer Erde. Aber eigentlich sind wir Sternenstaub.

Gott schläft im Stein, atmet in der Blume, träumt im Tier und erwacht im Menschen. 
(Indische Lebensweisheit)

Interessant wird es auch, wenn man sich den Mikrokosmos auf atomarer Ebene anschaut: die Atome tanzen in Ekstase! Je mehr man sie durch Einengen des Raumes um sie herum versucht einzufangen, desto nervöser zittern sie. Dabei sind die Abstände in den Zwischenräumen vom Atomkern zu den um ihn wie Planeten kreisenden Elektronen vergleichbar mit den Distanzen zwischen der Sonne und ihren Planeten. Warum also nicht annehmen, dass das Universum auch nichts anderes ist als ein Stück Materie, das von außen betrachtet begrenzt ist? Und die vielen anderen, die neben unserem Universum ihr Dasein fristen? Wie viele Universen gibt es noch? Dringen wir noch tiefer in die Materie ein und lassen Protone, Neutronen und Elektronen mit großer Energie gegeneinander aufprallen, stellen wir erstaunt fest, dass es noch weitere, kleinere Teilchen drinnen gibt, die sich magisch einmal in Energie, dann wieder zurück in Materie und noch einmal von vorn verwandeln können. Wir halten also fest: ein Stück Materie besteht eigentlich, wie auch unser Universum, hauptsächlich aus Raum (ob dieser Raum tatsächlich luftleer ist, darüber streiten sich noch die Naturwissenschaftler). Darunter befindet sich etwas ohne das wir nicht auskommen würden: Energie, sowohl materiell als auch immateriell, mehr oder weniger hart und fest und Strahlung (der luftleere Raum könnte auch aus Energie bestehen: siehe Gravitation). Materie (mit der Masse „m“)  besitzt nach Einsteins Formel (E=mc2) eine unvorstellbar große Menge an Energie. Materie ist Energie, aber Energie ist nicht notwendigerweise Materie. Wenn also der Beginn unseres Universums von einer gewaltigen Explosion gekennzeichnet ist, dann können wir die damals frei gewordene Menge an Energie (heute als unser Universum ja sichtbar) im menschlichen Maße nicht in ihrer Größe begreifen.

Energie wird mit einigen Eigenschaften beschrieben, die mit unserer Vorstellung von „Gott“ sehr nahe kommen: Energie lässt sich nicht zerstören, sie verwandelt sich, sie ist allgegenwärtig und unvorstellbar machtvoll. Alles besteht aus Energie, oder man könnte sagen: Gott ist in allem, was ist. Führen wir diesen Gedanken weiter, dann können wir zu dem Schluss kommen, dass Gott sich entwickelt: Materie besteht aus Energie, Leben kommt aus der Materie, Geist und Bewusstsein entspringen dem Leben, und Gott betrachtet sich selbst durch unser Bewusstsein. In der Unsterblichkeit Gottes wird auch einmal unser Bewusstsein unsterblich sein, denn Energie und Materie sind bereits unsterblich, und das Leben hat auch diese Unsterblichkeit durch Reproduktion erlangt. Fehlt einzig und allein noch das menschliche Bewusstsein. Dies zu verwirklichen ist unsere Aufgabe als Menschen.

Von göttlicher Essenz durchströmt

Ja, und nun? (mag sich der Leser an dieser Stelle fragen). Wie hilft mir das alles, mein leben sinnvoll zu gestalten? Die Antwort lautet: wir haben schon alles, was wir brauchen, es ist genug für alle da, es gibt keinen Grund mehr, vor dem Tod Angst zu haben. Wir müssen nur „unser“ Leben leben. Indem wir „gut“ leben, dienen wir uns selbst und Gott, denn Gott ist in Allem was ist. Wer jetzt noch Zweifel hat an der Existenz des Göttlichen, dem kann ich nur sagen, dass wir selbst eine Art Götter sind!  Leben kann nur von anderem Leben leben. In unserem Körper arbeitet das „Energiekraftwerk der Zelle“, die Mitochondrien. Das sind sogenannte Organellen mit eigener Erbsubstanz, also im Prinzip eigene Lebewesen, die in einem frühen Stadium der Evolution der sogenannten Eukaryoten entstanden, vermutlich durch die Aufnahme von Bakterien. Mitochondrien werden nicht neu gebildet, sondern gehen durch Teilung auseinander hervor. Bei Zellteilungen werden sie von der Mutterzelle auf die Tochterzellen verteilt. Wir leben, weil sie in uns und durch uns leben. Wir sind einen Handel des Lebens eingegangen, wir ernähren sie und dadurch ernähren sie uns. Sie haben es bequem und wir die Fülle an Sinneseindrücken und die wunderbare Vielfalt menschlicher Erfahrungen. Aber auch unsere Nahrung war einmal Leben. Dann sind unsere hilfreichen Diener der Darmflora zur Stelle und verarbeiten die Nahrungsstoffe so weit, dass sie in unseren Blutkreislauf gelangen und dadurch zu allen Körperzellen. Wenn unsere kleinen Helfer Bewusstsein hätten, dann würden sie vielleicht denken: ganz schön hier im Darm, es ist warm und gut für unsere Reproduktion, wir kriegen ständig was zu essen, und das alles ist selbstverständlich. Dann muss es doch einen Gott geben, der uns versorgt und es uns gut gehen lässt! Manchmal gibt es Krieg und wir werden von anderen, egoistischen Lebewesen attackiert, die es auch so gut haben möchten wie wir. Aber in den meisten Fällen können wir uns erfolgreich verteidigen, erholen uns wieder von dem Angriff und dann ist alles wieder schön. – Wir sehen also: wie im Kleinen, so im Großen.

Begreifen wir, dass alles von göttlicher Essenz, von Lebensenergie durchströmt wird, vom Willen zu Sein, zu leben und sich weiter zu entwickeln, von Neugierde und Lebensfreude erfüllt ist, dann nehmen wir am größten Wunder der Existenz teil und wir sind einfach dankbar. Daraus entwickelt sich der Lebenssinn, aber auch die Verantwortung für die menschliche Existenz im Ganzen. Die das Glück haben, stark zu sein, haben die Verantwortung, denen zu helfen, die zu einer Zeit Hilfe brauchen, in dem Bewusstsein, dass sie selbst einmal Hilfe von anderen brauchen werden. Wie bereits erwähnt: es ist wirklich genug von allem für alle da, jetzt, in diesem Moment. Dennoch sollten wir auch bedenken, dass die Ressourcen begrenzt sind. Die meisten, wenn nicht sogar alle, Probleme auf der Welt (Umweltzerstörung, Klimawandel, Krieg, Krankheit, Epidemien, Hungersnot, u.v.m.), lassen sich lösen. Wenn jeder von uns endlich „sein“ Leben leben darf und kann, ist die „Conditio Humana“ überwunden. denn glückliche und sich Selbst bewusste Menschen haben keine Angst vor dem Tod.

 

Über den Autor

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Daniel di Primio, Jg 1960, ist in Buenos Aires, Argentinien geboren, und dort und in Pittsburgh, PA, in USA aufgewachsen.

Er lebt seit 1976 in Deutschland und seit 2008 in Potsdam. Seinen Weg in die spirituelle Erfahrung fand er während intensiver Reiseerlebnisse und in vielen menschlichen Begegnungen durch Patagonien und in Indien.



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