Auf dem Weg der seelischen und geistigen Entwicklung beschreitet der Mensch mehrere Stufen. Auf der ersten Stufe geht es darum, Verantwortung für sich selbst, für das eigene Handeln zu übernehmen. Stark besetzte Themen und unverarbeitete Kindheitstraumata führen gewöhnlich zu unangemessenen Emotionen und Affekten (z.B. aufbrausend, ungehalten, übertrieben wütend, eifersüchtig, weinerlich, empfindlich usw.). Sie wirken quasi als Bremse und verhindern die seelische Weiterentwicklung; in diesen Bereichen bleibt der Mensch auf der Stufe des verletzten jüngeren Ichs.

Wenn wir nur die Persönlichkeit stärken und das Spirituelle dabei vergessen, geraten wir in eine existentielle Krise. Die Krise in der Mitte des Lebens übermittelt uns diese Botschaft recht eindrücklich. Auf der nächsten Stufe wird es also Zeit, uns die bewussten, aus dem abgespaltenen Bereich der Seele befreiten Emotionen, wieder loszulassen. Das heißt, nicht mehr verdrängen, sondern sie registrieren, akzeptieren und weiter ziehen lassen. Mit Hilfe von Meditation und innerer Achtsamkeit gelingt uns diese Entidentifikation und somit öffnet sich für uns die Möglichkeit, in den transpersonalen Raum (über den Menschen hinaus) vorzustoßen und unser wahres Wesen zu erkennen.Zu den Aufgaben der Psychotherapie gehört es, die blockierte Energie zu entdecken und frei zu lassen und somit die vollständige Weiterentwicklung zu ermöglichen. Die Identifikation ist darin eine wichtige Hilfe. Um Gefühle und innere Empfindungen zulassen und ausdrücken zu können, ist es wichtig, dass Triebkräfte und Impulse als eigene erkannt werden und bewusst gemacht werden.

Der Zerfall sozialer Bezüge, die Vereinsamung im Mediendschungel, die sprunghafte Suche nach Zeitvertreibung, die Jagd nach den neusten Produkten unserer Konsumgesellschaft und die fehlende Orientierung an Vorbildern und Werten führen zu einer spirituellen Verarmung des postmodernen Menschen. Der Mensch entfremdet sich immer mehr von sich selbst. Die Rückbindung an den „unsichtbaren Ursprung“, an die Einheit, dessen Teil wir alle sind, ist nicht mehr einfach zugänglich. Aus diesem Grund ist die Stille, die Wendung nach Innen die notwendige Grundlage der inneren und äußeren Befreiung des Menschen. Die spirituelle Praxis baut Mauern ab, öffnet das Herz und führt direkt in das Wesen der menschlichen Existenz.

Spiritualität bedeutet nicht, ein anderes Leben zu leben, sondern das Leben anders zu leben

Die Wege der geistigen Entwicklung und die Erfahrungen jedes einzelnen Menschen mit Spiritualität sind einzigartig und anders und doch irgendwie gleich und sie führen alle „nach Hause“. Spiritualität bedeutet nicht, ein anderes Leben zu leben, sondern das Leben anders zu leben. Du entdeckst eine neue Welt, in dem du eine tiefere Intensität deiner Erlebnisse spürst, in dem du die Farben um dich herum klarer und leuchtender erlebst, in dem du die Zusammenhänge dessen um dich herum begreifst.
Spiritualität heißt, die Ur-Kraftquelle des Lebens zu erleben und zu erfahren, jeden Tag, immer wieder neu. Spiritualität lässt dich die Zugehörigkeit zu unserem kosmischen Ursprung erfühlen, du spürst die Größe des Universums und weißt, dass du gleichzeitig das Göttliche in dir trägst. Spiritualität beinhaltet, Mitgefühl für deine Mitmenschen zu empfinden. Spirituelle Schulung umfasst den ganzen Menschen und sie verändert alle Bereiche in deinem Leben, den Umgang mit deinen Beziehungen, mit deinem Beruf und sonstigen Tätigkeiten, die Beziehung zu deinem Körper, die innere Entwicklung und die äußere Verantwortung. Du trägst somit zu der Verbesserung der Gesellschaft in Richtung Solidarität, Freiheit, Gesundheit und Umweltbewusstsein bei. Spiritualität ist etwas, was ständig wächst, wenn du es pflegst und dich darum bemühst.

Die Wege der geistigen Entwicklung und die Berührungen jedes einzelnen Menschen mit Spiritualität sind einzigartig und anders und doch irgendwie gleich. Aus Erfahrung her kann ich sagen, dass eine schnelle Sensationssuche unter diesem Deckmantel in eine Sackgasse führt. Bist du jedoch bereit Geduld, Fleiß und Mühe aufzubringen, wird auch dich dein Weg glückselig „nach Hause“ führen.
Bei den Heiligenfelder Psychotherapietagen habe ich von Herr Prof. Dr. Rüdiger Höll folgende Worte gehört: „Spirituell ist ein Mensch dann, wenn er sich aktiv daran beteiligt, dass es in der Welt weniger Gewalt, bzw. mehr Frieden gibt.“ Diese Worte haben mich sofort angesprochen und sie haben mich tief berührt.
Ich wünsche mir für unsere Welt viele spirituelle Menschen.

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