Klaus hat vor wenigen Monaten entdeckt, dass er hochsensibel ist und nun möchte er wissen, wie er damit umgehen soll. Nach einiger Zeit der Ehekrise läuft inzwischen wieder alles gut, eigentlich könnte er zufrieden sein, aber – irgendwie fehlt etwas und er hat keine Idee, was.

Nach einer Weile berichtet er von einem Erlebnis der besonderen Art: Einfach so hat ihn eine Welle tiefster Glückseligkeit und Wärme erfasst und umspült. Niemals zuvor hatte er so etwas erlebt und es gab keinen konkreten Anlass, anhand dessen er sich diese Erfahrung erklären konnte. Nun lässt ihn diese Empfindung nicht mehr los, aber einsortieren kann er sie für sich auch nicht.

Wir sprechen über Spiritualität, Reinkarnation, Paradigmenwechsel und darüber, dass die bisherige Weltsicht viele Fragen, die wir Hochsensiblen uns stellen, unbeantwortet lässt: Was ist der Sinn des Dasein? Des eigenen Seins? Was bedeutet Lebensaufgabe? Er beginnt zu weinen als deutlich wird, dass in ihm eine große Sehnsucht nach spirituellem Ausdruck existiert. Warum weinen Sie? Weil ich Angst habe, den Boden unter den Füssen zu verlieren, wenn ich der Sehnsucht folge.

Hochsensible Menschen haben einen leichteren Zugang zur geistigen Welt

Viele hochsensible Menschen stehen im Konflikt zwischen der harten, möglichst gut zu meisternden Realität und dem inneren Empfinden von tieferem Sinn, größeren Zusammenhängen und feinen Wahrnehmungen, die oftmals von ihren Mitmenschen in dieser Weise nicht empfunden werden (können). Oft scheuen sie davor zurück, ihren Mitmenschen die Affinität zu spirituellen Inhalten oder gar entsprechende Fähigkeiten zu offenbaren. Zu häufig haben sie erfahren, dass sie für ihre ungewöhnlichen Wahrnehmungen oder Begabungen verlacht oder lächerlich gemacht wurden.

Eine spirituelle Lebenshaltung ist gesellschaftlich noch nicht anerkannt. Noch zählt der vermeintliche Realitätssinn: alles Materielle, Zahlen, nur was zu sehen und zu messen ist hat einen Wert usw. Wer sich der anderen „Welt“ zuwendet, ist angeblich nicht „bodenständig“, wird gern als „Spinner“ oder „Fantast“ abgetan.

Aber inzwischen gibt es zu viele Menschen und zu viele Erfahrungen, die belegen, dass es die Welt hinter der Welt gibt, dass es einen tieferen oder höheren Sinn im Leben und Handeln gibt und dass dessen Fehlen in unserem Alltag uns krank und leer macht. Diese zunehmende innere Unerfülltheit unseres Lebenswandels hat Menschen unserer Kultur in Bewegung gebracht, nach dem „Fehlenden“ zu suchen. Und es werden immer mehr, so wie auch Klaus.

Aber warum brauchte er eine solch ungewöhnliche Erfahrung? Sie ist eine Erinnerung, ein Weckruf. Wenn wir uns zu sehr in unserer materiellen Welt verstrickt haben und dadurch nicht unsere Lebensaufgabe erfüllen können, erinnern uns solche Momente an die „andere Welt“, an die geistige Sinnhaftigkeit unseres Daseins.

Hochsensible Menschen bringen ausgeprägte Eigenschaften mit, die wunderbar für den Zugang zur geistigen Welt geeignet sind: Feine Antennen und detaillierte Wahrnehmung für Schwingungen und Energien der feinstoffliche Welt, Empathie für die Aufnahme sozialer und zwischenmenschlicher Schwingungen und ihrer Qualitäten, Empfinden für Perfektion und Harmonie, um ein möglichst stimmiges und funktionierendes Ergebnis im Kontext aller Komponenten zu erreichen. Vorausschau, Überblick und tiefes Verständnis für Zusammenhänge, um die Komplexität und Verschränkung der materiellen und geistigen Welt zu erfassen. Achtsamkeit und moralische Qualität im Handeln und Empfinden.

Die eigenen Veranlagungen und Fähigkeiten kennenlernen

Nicht jede und jeder Hochsensible hat diese Wesenszüge gleichermaßen stark ausgeprägt, aber generell ist Hochsensiblen der Zugang zu diesen Eigenschaften viel selbstverständlicher und es ist ihnen ein Bedürfnis, diese Eigenschaften im Alltag leben zu können. Sie müssen Achtsamkeit nicht mühsam erlernen, sie fühlen sie und sind unangenehm berührt, wenn sie missachtet wird. Es ist ihnen ein inneres Bedürfnis, Komplexität in den Dingen zu erkennen und damit umzugehen.

Natürlich können auch emotionale oder psychische Belastungen für eine Blockierung dieser Fähigkeiten sorgen. Daher ist es für Hochsensible so wichtig, zu erkennen, dass sie hochsensibel sind und welche spezifischen Gaben sie dabei in sich tragen.

Eine große Aufgabe wartet auf ihn, sagt Klaus. Das spürt er jetzt. Ohne diese besondere Erfahrung hätte er sich niemals auf den Weg gemacht und seine Lebensaufgabe wie auch seine Lebenszufriedenheit wäre auf der Strecke geblieben. Dass er diese seine Aufgabe finden und meistern wird, ist er sich inzwischen sicher – er weiß um seine Veranlagung und seine Fähigkeiten, die ihm seinen Weg ermöglichen.

Über den Autor

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Coach, Dozentin und Sachbuch-Autorin, Expertin für Hochsensibilität & Hochbegabung
Aus einer Journalisten-Familie stammend hat die Autorin spät zum Schreiben gefunden und dabei ihre alten Wurzeln wiederentdeckt. Seit 2011 schreibt sie Sachbücher mit Hang zum Belletristischen zu ihrem Expertenthema. Im Schreibkurs verbindet sie ihr psychologisches Knowhow mit der Neugier am geschriebenen Wort.
Darüber hinaus begleitet sie feinfühlige Menschen im Life- und Job-Coaching.

Cordula Roemer ist Dipl. Pädagogin, HSP-Beraterin u. -Coach, Dozentin und Autorin. Seit 2007 weiß sie von ihrer eigenen Hochsensibilität und gründete 2009 das Offene Berliner HSP-Treffen, das seither monatlich stattfindet. Vorträge, Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte, Beratungen für Betroffene und Sachbücher folgten.

 

Bücher:
Cordula Roemer: Hurra, ich bin hochsensibel! Und nun?, Springer 2017
Cordula Roemer: Perlen im Getriebe – Hochsensibel im Beruf, Humboldt 2018
Cordula Roemer und Anne Oemig: Ein hochsensibles Jahr mit Gustav, Springer 2018



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