von Kathrin Otto

Wenn wir an die alten asiatischen Meister denken, fällt uns hinter unscheinbaren grauen Haaren häufig deren Agilität, Beweglichkeit und jugendliche Kraft auf. Oft weisen diese Menschen ein unglaublich hohes Alter mit hervorragender Gesundheit auf. Der noch aktuelle lebende Ninja-Großmeister (Soke) und Japaner Dr. Masaaki Hatsumi begrüßt uns mit seinen 93 Lebensjahren und lila Haaren immer noch mit einem Lächeln. Entgegen alter Hollywood-Phantasien von schwarz maskierten Auftragsmördern und Spezialagenten entwickelt sich langsam auch im Wes-ten ein anderes Bild jener Menschen, die als „Ninja“ oder „Shinobi“ bekannt wurden.
Hatsumi Sensei (jap. Ansprache für Lehrmeister) ist die lebende Legende in der 34. Generation einer jahrtausendealten Tradition, aus der Bergregion Iga in Japan, dessen Ziele, lebenslange Ge-sundheit, Freiheit, Frieden und Selbstentwicklung waren. Entgegen der Mainstream-Gesellschaft entwickelten sich diese Menschen in Verbindung mit der Natur zu einem eigenen integrierten System, welche nicht nur Krieger, spirituelle Adepten und Heiler waren, sie waren vorwiegend freie und natürliche Menschen.
Worin lagen die Gesundheitsgeheimnisse dieser Menschen, die oft um 20 Jahre jünger wirkten?

Ninja – die natürlichen Menschen, Japans „Unsterbliche“

Es ist ein alter Grundsatz, „dass wenn wir wissen wollen, wie wir Leben nehmen, wir zuerst ver-stehen müssen, wie man Leben gibt, und wenn wir verstehen wollen, wie man Leben gibt, müs-sen wir den Prozess verstehen, wie man Leben nimmt“.
Heilkunst und Kampfkunst hängen unsagbar eng miteinander zusammen und sind wie Yin und Yang ein und dasselbe einer Medaille. Entscheidend ist nur, ob wir die Balance herstellen oder brechen. Das heißt, dass wir beides brauchen, um die Essenz des Ganzen zu verstehen. Erst, wenn wir Krankheit selber erfahren und sie selbst durchleben, werden wir auch Gesundheit an-ders verstehen, und was es braucht gesund zu bleiben. Erst, wenn wir uns aus unseren eigenen Tiefen befreit haben und in unsere eigene Nacht geschaut haben, können wir anderen Menschen damit ein Licht sein. Das ist das Gesetz der alten Traditionen. Somit war die Kampfkunst der Nin-ja nur ein Teil eines ganzen Lebenssystems.

Nin bedeutet, Körper und Geist zu kontrollieren und zu schützen, und es bedeutet neben Aus-dauer und Geduld, auch einfach „natürlicher Mensch“. Hatsumi Soke schreibt in seinem Buch „Der Weg des Ninja“, dass Menschen oft versuchen, durch die Kräfte des Ninjutsu (Jutsu – Kunst) übernatürlich zu werden. Viel schwieriger ist es jedoch, das Leben eines völlig natürlichen Men-schen zu führen. Was bedeutet es denn, ein natürlicher Mensch zu werden?³

Das Geheimnis liegt in Einfachheit

Wir haben uns so weit von der Natur entfernt wie schon lange nicht mehr. Der Markt ist über-schwemmt mit Informationen rund um den Menschen und wir machen „das Projekt Gesund-heit“ häufig unglaublich kompliziert, welches jedoch in seiner Effektivität schon mit einfachen täglichen Kniffen zu finden ist.
Schauen wir doch mal in eine der alten Traditionen und damit in das Leben eines Ninjas – „natürli-chen Menschen“ hinein:
Es gab viele unterschiedliche Strömungen und darunter auch welche, die sich mehr kriegerisch auseinandersetzen. Die Tradition, die noch heute durch das Oberhaupt überliefert wird, ist eine Linie, die spirituell und gesundheitlich vertieft wurde. Und so gibt Hatsumi Sensei einige Hinweise zu der Lebensweise seines Meisters (Toshitsugu Takamatsu) weiter, der noch als „letzter leben-der Ninja“ in Japan bekannt war. Ein Großteil seiner Zeit beschäftigte er sich auch mit der ge-sundheitlichen Praxis und überlieferte viele Schriften dazu weiter. Er vertiefte die Kriegskunst seit seiner Kindheit, widmete sich der Medizin, sprach verschiedene Sprachen, darunter Deutsch und Chinesisch, und verbrachte eine lange Zeit in China, wo er u.a. das Militär unterrichtete. In seinen alten Jahren nahm er sich zurück und gab alles und alle Schulen an seinen Schüler Hatsumi Sensei weiter. Dieser beschrieb das Leben seines Lehrers im Alter von 80 Jahren wie folgt:

Der Tagesablauf eines Ninjas

Das Leben eines Kriegers sollte in Einfachheit und Respekt der Natur und den göttlichen Wesen gegenüber liegen bestehen. Er sollte eine konsequente und gesunde Einstellung zum Leben ha-ben:
Takamatsu Sensei stand bei Sonnenaufgang auf und rieb seinen ganzen Körper mit kaltem Was-ser ab. Er nahm ein großes Glas Wasser zu sich, in seinem Fall mit Salz, wegen des niedrigen Blut-drucks. In den Schriften finden wir immer wieder den Begriff „grüner Saft“. Es gilt also als Ninja-Tonic, wenn man täglich so etwas wie Gerstengrassaft trinkt. Morgens und abends führt er eine Stunde die Hunde spazieren. Er aß drei Mahlzeiten am Tag mit Gemüse, Bohnenpaste, Sesam und Buchweizenmehl, außerdem viele kleine Fische.
Er malte am Morgen und egal, was geschah, er wurde niemals ärgerlich. Er legte nahe, dass das Herz niemals zornig und voller Ärger sein dürfe, denn das würde das Gleichgewicht zwischen Kör-per und Geist zerstören. Wenn es dunkel wurde, zog er sich zurück. Das war der Lebensstil von Takamatsu Sensei, als er um die 80 Jahre alt war. Sein Schüler beschreibt seinen Lebensstil davon ableitend wie folgt:
Nach dem Aufstehen reibt er sich mit kaltem Wasser ab, trinkt ein Glas Salzwasser und führt die Hunde spazieren. Er verzichtet auf Frühstück und isst erst ab dem Mittag unpolierten Reis, Tofu, Sesam und kleine Fische. Er achtet darauf, dass er natürliche Nahrung isst, die nicht mit Zucker oder Salz gewürzt ist, und nicht zu stark erhitzt wurde. Da Takamatsu Sensei betonte, dass Men-schen ihre natürliche Stärke verloren, als sie begannen, mit Feuer erhitzte Nahrung zu sich zu nehmen.
Abends integriert er regelmäßig 30 Minuten lang Übungen für Gelenke und Sehnen (Junan Taiso), Atmung (Kokyu Ho) und ist ein Meister darin, alle Kräuter zu benutzen, die er benötigt. Er pflegt eine natürliche Haltung und praktiziert regelmäßig Budo.

Unser Blut als Essenz

Es heißt, wenn ein Fluss zu klar und rein ist, kann kein Fisch darin leben.
Dieser Satz bezieht sich auf unser Blut. Denn es ist unsere Essenz im Körper und wenn unser Blut rein ist, können keine Krankheiten einziehen. Das bedeutet, das Erste, was wir tun müssen ist, unser Blut zu reinigen und sauber zu halten. Im japanischen auch als „Misogi“ bezeichnet, die Pra-xis Körper und Geist zu reinigen. Abgeleitet von der Entstehung der göttlichen Wesen Japans (Kami).
Das bedeutet, wie oben beschrieben eine Lebensweise zu führen, die Körper und Geist integriert (Nin) und damit unser Blut nährt.
Somit ist Ninpo nicht nur die Kampfkunst, es ist das ganze Leben – Ninpo (altes Gesetz oder Me-thode des natürlichen Menschen).

Ninjas – die Universalmenschen: Krieger, Heiler und Mystiker
Wer sich in Einheit mit dem Universum befindet, ist fähig, alles in sich zu integrieren! Nin – hat noch eine weitere Bedeutung und setzt sich aus den Ideogrammen von Klinge und Herz zusam-men, es kann somit auch bedeuten, den Willen oder die Intention unzerbrechlich wie eine Klinge auszurichten, um sein Anliegen zu vollbringen. Er versteht alles als ein Ganzes und richtet sein Leben danach aus. Hatsumi Sensei ist somit nicht nur eine spezialisierte Person, er ist Künstler, Schriftsteller, Schauspieler, Musiker, Arzt, Kräuterheiler, Musiker, Tänzer, er hat verschiedene Tiere, ist weltoffen, Kriegskünstler, spiritueller Adept und vieles mehr.

In allen alten Traditionen lebten Menschen mit einem erhöhten Bewusstsein, gefährdet von der Gesellschaft, die immer mehr kontrolliert wurde, verborgen in der Natur. So auch die Ninja, die deswegen gefürchtet waren und sich Mythen und Legenden darum ranken. Die zwei Hauptein-flüsse im Ninjutsu, ursprüngliche Form Ninpo, stammen aus dem chinesischen Daoismus (Philo-sophie des Weges) und japanischen Ko-Shinto (antiker göttlicher Weg). Beide Richtungen verste-hen sich als Naturphilosophien und haben die Iga-Region in Japan geprägt. Ninpo geht zurück bis zum Beginn der Menschheit!
Die höchste Qualität der Gesundheit entsteht da, wo wir am tiefsten mit der Natur und dem Uni-versum verbunden sind. Sie erinnert uns daran, wer wir sind und hilft uns, uns mit unserem höhe-ren Selbst zu verbinden.

Zusammenfassung: ein paar Ninja-Kniffe für den Alltag

• mit der Sonne aufstehen
• ein Glas gutes Wasser
• kalt duschen/ abreiben und den ganzen Körper massieren/ abklopfen
• Gerstengrassaft/ Zitronenwasser
• 2 Stunden Bewegung oder Budo
• eine gesunde Körperhaltung
• natürliche Atmung beachten
• eine natürliche Ernährungsweise
• abends 30 Minuten Dehnungsübungen für Muskeln und Sehnen
• jeden Tag den großen Zeh in beide Richtungen kreisen
• Kräuter verwenden (wie Löwenzahn – für Leber, Niere, Blut/ & Pfefferminze)
• gesunder Schlaf

Moderne Ninja

Wie in alten Zeiten ist das System Ninpo der ständigen Anpassung unterzogen. Entsprechend werden auch die Bedürfnisse für die heutige Zeit angepasst und Sensei bezeichnet sich selbst gern als „modernen Ninja“. Auch wenn es herausfordernde Zeiten gab, wird es heute also wahr-scheinlich „selten“ vorkommen, schwarz maskiert an Burgmauern hochzuklettern und den Burg-herrn umzulegen.
Hier geht es darum, zum Ursprung menschlichen Wesens zurückzufinden, im Kern um spirituelles Wachstum. Nur eine Sache von der oben genannten Liste kann schon das komplette Leben ver-ändern. Irgendwann können wir etwas daraus erschaffen, dass wir im Ninjutsu „the feeling“ nen-nen. Etwas, das in jedem von uns schläft, zwischen allen Dingen frei fließen zu können. Dann kann wahre Kreation entstehen oder, wie wir es im Ninpo ausdrücken, sind wir dann in der Lage „den göttlichen Blick“ oder „Shin-Shin-Shingan“ zu erfahren.

Literatur

Mehr dazu in unseren Ninja-Health Kursen und Workshops.
Infoabend: Ninja Health – 23.11.23 Potsdam
Workshop: 25.11.23 – Gesundheitsgeheimnisse der Ninja
Kurse sind auch online möglich

Über den Autor

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Kontakt
Kathrin Otto
8 Gates Institute
M.Sc. Komplementärmedizin/ 
Gesundheitswissenschaften
0160 8186544 
Mehr Infos

Kathrin hat in jungen Jahren mit der japanischen Lebenskunst des Ninjutsu begonnen. Ihre Karriere startete im Bujinkan, während sie seit vielen Jahren von ihrem persönlichen Mentor im Ninpo unterrichtet wurde, welcher selbst 12 Jahre in Japan lebte. Sie besuchte diese magische Insel selbst für längere Zeit und hat die Leitung für das 8 Gates Institute übernommen. In der Zwischenzeit hat sie ihren Master of Science in Komplementärmedizin und Gesundheitswissenschaften absolviert mit Schwerpunkt und Weiterbildung auf Mind-Body-Medizin, eine Ausbildung im Dao-Yoga gemeistert und integrative Ernährungsberatung gelernt. Seit etwa 15 Jahren vertieft sie Wege aus der Naturheilkunde und traditionellen Medizin. Eine Zeit lang hat sie in der Integrativen Klinik für Naturheilkunde der Charité Wannsee mit gearbeitet. Sie lernt Heilpraktik mit Schwerpunkt auf Pflanzenheilkunde und gibt Weiterbildungen für erste Hilfe. 

 

 

 



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